Cronaca | Corona-Impfung

Im Müll statt im Körper

In Bozen wurde Anti-Covid-Impfstoff entsorgt. Der Vorfall landet im Parlament. Indes steigt die Impfrate – dank der Ü-80-Jährigen. Auch die Unternehmen wollen impfen.
Vaccini, Bolzano
Foto: Othmar Seehauser

23.140 Dosen an Impfstoff der Hersteller BioNtech/Pfizer sind bisher in Südtirol eingelangt. Und nach dem missglückten Auftakt werden nun immer mehr Dosen an den Mann bzw. die Frau gebracht. Rund die Hälfte der Anti-Covid-Impfdosen sind verimpft. Auch, weil sich seit Donnerstag – anders als im restlichen Staatsgebiet – neben Sanitätspersonal und Angestellten und Bewohnern der Altenheime alle ca. 33.000 Über-80-Jährige impfen lassen können. Die Nachfrage ist groß: 4.000 Impftermine für Freitag, Samstag und Sonntag waren gestern nach dreieinhalb Stunden vergeben, weitere 3.700 Senioren stehen auf der Warteliste. Zugleich wurde am Donnerstag etwas bekannt, das der Immunologe Bernd Gänsbacher als “Skandal” bezeichnet: Vier Impfdosen sind anstatt im menschlichen Körper im Müll gelandet.

 

Entsorgter Impfstoff im Parlament

 

Im Corriere dell’Alto Adige bestätigte Sabes-Generaldirektor Florian Zerzer, dass die Dosen weggeworfen werden mussten, weil soziosanitäre Mitarbeiter nicht zum vorgemerkten Impftermin erschienen seien. Der BioNtech/Pfizer-Impfstoff muss bei -70 Grad Celsius gekühlt und kann nach dem Auftauen fünf Tage im handelsüblichen Kühlschrank gelagert werden. Sind die Phialen einmal angebrochen und der Impfstoff aufgezogen, müsse er innerhalb von sechs Stunden verimpft werden, erklärt Zerzer im Gespräch mit Rai Südtirol. Und das sei im Falle der vier Impfdosen nicht gelungen – weil kein Ersatz für die Impfkandidaten gefunden wurde. Deshalb mussten die Spritzen mit dem Impfstoff entsorgt werden. Der Vorfall hat sich laut Zerzer in einem Altersheim in Bozen ereignet und sei bisher der einzige, der ihm bekannt sei.

Im Parlament hat Fratelli d’Italia eine Anfrage an Gesundheitsminister Roberto Speranza eingereicht. Man will unter anderem wissen, was die Regierung zu tun gedenkt, um die Impfbereitschaft zu erhöhen und zu vermeiden, das Impfstoff weggeworfen wird. In Südtirol hat sich bisher vergleichsweise wenig Sanitäts- und Heimpersonal impfen lassen, die Rate unter den Sabes-Mitarbeitern ist laut Zerzer auf 60 Prozent angestiegen. Das habe in erster Linie mit fehlender Aufklärung zu tun und nicht mit einer Ablehnung gegen das Impfen generell, bemängeln Gewerkschafter. Der Südtiroler Sanitätsbetrieb hat inzwischen Video-Konferenzen für die Mitarbeiter organisiert, um sie über die Impfungen zu informieren.

 

Weiterer Stoff

 

Zugleich geht Gesundheitslandesrat Thomas Widmann davon aus, dass “einige Hundert” Mitarbeiter im Gesundheitsbetrieb nicht geimpft werden müssen, weil sie bereits eine Corona-Infektion durchgemacht haben. Auch der renommierte Infektiologe Massimo Galli vom Krankenhaus Sacco in Mailand rät eindringlich davon ab, bereits Genesene zu impfen. “Non possiamo vaccinare persone già immunizzate. Perché vaccinarli? Abbiamo tutte queste dosi da usare per i già immunizzati?”, so Galli bei Otto e Mezzo auf La7. Es gebe keine Daten, die belegten, dass eine Impfung von Geheilten notwendig und sicher sei.

Landesrat Widmann ist indes überzeugt, das selbst gesteckte Ziel zu erreichen, 60 Prozent der vorhandenen Impfdosen innerhalb dieser Woche zu verimpfen. Für Februar seien weitere 90.000 Dosen zugesagt worden – 20.000 davon für die Zweitimpfungen, die bei BioNtech/Pfizer nach 21 Tagen durchgeführt werden müssen. Ende Jänner sollen die ersten Dosen des Impfstoffs des Herstellers Moderna geliefert werden. Im Trentino verkündete Landeshauptmann Maurizio Fugatti am Donnerstag Abend, dass er mit 830.000 Dosen innerhalb September rechnet.

 

Unternehmen wollen impfen

 

Der Präsident des Unternehmerverbandes Federico Giudiceandrea appelliert an die Verantwortlichen in Sanitätsbetrieb und Politik, auch die Betriebe “als wichtigen Bestandteil der Impfstrategie zu sehen”. “Die 480 Mitgliedsbetriebe des Unternehmerverbandes beschäftigen mehr als 42.000 Menschen. Wir sind überzeugt davon, dass eine rasche Impfung, auch nur eines Teils unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, es Südtirol ermöglichen würde, die dem Land zur Verfügung gestellten Impfungen bestmöglich zu verwenden”, so Giudiceandrea. “Wir glauben zudem auch, dass es eine massive Informationskampagne braucht, um eine größtmögliche Zahl an Südtirolerinnen und Südtirolern zu überzeugen, sich impfen zu lassen. Wir vertrauen darauf, dass der Großteil unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Wichtigkeit der Impfung versteht und unsererseits garantieren wir vollste Unterstützung bei der Verteilung von Informationsmaterial unter den Mitarbeitern, selbstverständlich in Zusammenarbeit mit den Vertretern der Arbeitnehmer. Bereits beim Massentest Ende November haben wir gezeigt, dass wir einen wichtigen Beitrag leisten können, indem wir die Arbeit der Sanitätsstruktur erleichtert und viele Menschen zum Testen gebracht haben.”