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Weihnachtliche Rettung

Über den Super-GAU im Landtag, die verzweifelte Suche nach einem Systemfehler – und ein verfrühtes Weihnachtsgeschenk der Opposition.
Landtag
Foto: Brigitte Foppa

Panik im Landtag.” “Das gab es noch nicht.” Es ist kurz nach 16 Uhr als einige Oppositionsvertreter über die sozialen Medien live aus dem Südtiroler Landtag berichten. Seit Dienstag läuft dort die Debatte zum Haushalt für das kommende Jahr. Am Donnerstag Nachmittag steht schließlich die Abstimmung über das Begleitgesetz zum Stabilitätsgesetz an. Darin enhalten sind Finanzbestimmungen, über die Gelder aus dem Haushalt auf verschiedene Bereiche verteilt werden. Die Landtagsabgeordneten legen ihren Finger auf den elektronischen Abstimmungsknopf. Als Landtagspräsident Roberto Bizzo die Abstimmung schließt, leuchtet das Ergebnis auf: 16 Ja und 16 Nein. Nervösität kommt auf. Denn bei Stimmengleichheit gilt: das Nein überwiegt.

Schöne Bescherung

Ratlosigkeit unter der Mehrheit, die sogleich eine Unterbrechung der Sitzung fordert. Roberto Bizzo beruft eine Fraktionssprechersitzung ein, um darüber zu beraten, wie nun mit den Gesetzentwürfen 106 (Haushalt) und 108 (Stabilitätsgesetz) verfahren werden soll. Inzwischen startet eine Überprüfung des Computersystems, das bei der Abstimmung zur Anwendung kommt. Man vermutet einen Systemfehler. Denn das Ergebnis, so viel steht fest, ist ein Super-GAU für die Mehrheit von SVP und PD. Noch nie ist ein Finanzgesetz im Rahmen der Haushaltsdebatte abgelehnt worden. Wie das geschehen konnte, fragen sich nicht nur SVP und PD. Albert Wurzer ist für den ganzen Tag entschuldigt abwesend. Macht aber immer noch 18 Mehrheits-Abgeordnete, die für den Gesetzentwurf hätten stimmen müssen. Die 16 Nein-Stimmen dürften von der gesamten Opposition kommen. Was bedeutet, dass zwei Mehrheitsvertreter die Abstimmung verschlafen haben müssen.
Wenig verwunderlich daher, dass die Opposition das Versehen – wenn es denn eines war –, genüsslich auskostet. Während die Abgeordneten der Mehrheit völlig perplex sind, kommentiert unter anderem Riccardo Dello Sbarba: “Jetzt versuchen sie, den Computerprozessor ein Geständnis abzuringen.” Er hält seine Facebook-Kontakte mit einer Live-Berichterstattung aus dem Landtag auf dem Laufenden. “Soeben haben wir eine Test-Abstimmung gemacht. Das System funktioniert einwandfrei!”, schreibt Dello Sbarba gegen 16.40 Uhr. Eine Stunde später ist man immer noch damit beschäftigt, eine technische Panne im System zu suchen. Die man aber nicht findet.

Was also tun? Trotz der Ablehnung des Gesetzentwurfs Nr. 107 könnte mit der Behandlung der anderen beiden (Nr. 106 und Nr. 108) theoretisch fortgefahren werden. Die gesamten Finanzmittel, die mit dem (abgelehnten) Entwurf Nr. 107 einzelnen Bereichen – unter anderem für das Ehrenamt, Familien, öffentliches Personal und die Wirtschaft – zugewiesen wird ist, würde aber in die einzelnen Haushaltskapitel zurückfließen. Um diese unvorstellbar aufwändige Prozedur zu umgehen, entscheidet man sich am Donnerstag Abend schließlich – dank dem großzügigen Entgegenkommen der Opposition – für einen anderen Weg.

Oppositionelles Weihnachtsgeschenk

Noch in der Nacht wird die Landesregierung zusammen treten und dasselbe Gesetz, das am Nachmittag versenkt wurde, erneut genehmigen. Freitag früh tritt dann der zuständige Gesetzgebungsausschuss zusammen um den neuen alten Entwurf abzusegnen. Der dann anschließend wieder im Landtag landet. Damit ein Gesetzentwurf, der bereits einmal im Plenum behandelt und abgelehnt worden ist, erneut behandelt werden kann, braucht es die Zustimmung von zwei Drittel der Landtagsabgeordneten – der anwesenden, wohlgemerkt. Hier tritt die Opposition auf den Plan. Würden sich deren Vertreter am Freitag Vormittag im Sitzungssaal befinden, könnten sich SVP und PD eine Zwei-Drittel-Mehrheit abschminken.

Aus diesem Grund hat man mit den Oppositionsvertretern ausgehandelt, dass sie vor der Abstimmung über die Behandlung des neuen alten Gesetzentwurfes den Saal verlassen. Und ist dafür bereit, einen stattlichen Preis zu zahlen. Vor der Abstimmung wird es nämlich eine Fraktionssprechersitzung geben. 31 Tagesordnungen hat die Opposition insgesamt zum Haushaltsgesetz (Nr. 106), das noch innerhalb dieser Woche beschlossen werden soll, eingereicht. Auf der Sitzung der Fraktionssprecher wird daher ausgehandelt werden, wie viele und welche dieser Punkte in den nachfolgenden Sitzungen mit den Stimmen der Mehrheit angenommen werden. Kein schlechter Deal, bedenkt man, in welch missliche Lage sich die Mehrheit selbst katapultiert hat. Vielleicht ist es die vorweihnachtliche Stimmung, die die Opposition etwas versöhnlich gestimmt hat. Oder der bevorstehende Besuch von Bischof Ivo Muser, der um 18 Uhr im Landtag erwartet wird. Die ungeteilte Aufmerksamkeit der Landtagsabgeordneten dürfte er wohl nicht haben – zumindest den Vertretern von SVP und PD dürfte es gerade um eine ganz andere Art von Segen gehen: der Absegnung ihres versenkten Gesetzentwurfes.