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Die Wertschätzende

Angelika strahlt, wenn sie von Peru erzählt. Würde sie noch einmal hin, sie bliebe länger als drei Monate. Dennoch hat sie in kurzer Zeit einiges für ihr Leben gelernt.
Angelika Völser
Foto: Anna Mayr

Angelika Völser, Jahrgang 1988, ist in Eggen aufgewachsen, hat in Bozen die Handelsoberschule besucht und in Bologna Jura studiert. Während der Studienzeit reifte der Wunsch in ihr, einem Projekt im Globalen Süden Zeit zu schenken. Sie kontaktierte im November 2016 die OEW, nahm an zwei Vorbereitungstreffen teil, schickte im Jänner 2017 ein Motivationsschreiben nach Huaraz, kündigte die Arbeit und flog Anfang März nach Peru. Nach einem Spanischkurs in Cusco hospitierte sie ab Ende März 2017 drei Monate im Projekt in Huaraz. Heute arbeitet sie in Bozen als interne Juristin eines Südtiroler Unternehmens.

 

Angelika, welche Aufgaben hattest du im Projekt in Peru?

Angelika Völser: Die Arbeit im Projekt war sehr vielfältig. Ich habe eine Blindengruppe betreut, und sie bei der Einrichtung eines Massageraums unterstützt. Wirtschaftlich benachteiligte ältere Menschen habe ich in einer Tagesstätte besucht, mit ihnen gesungen und Zeit verbracht. Ich habe die körperlich beeinträchtigte Jugendliche Nalia besucht und mit ihr Schreiben geübt, habe mit der vierjährigen Ceci, die weder reden noch gehen konnte, Übungen gemacht und sie zur Therapie begleitet. Mit Donato und Luis habe ich nach Vorgaben eines Physiotherapeuten Bewegungsübungen durchgeführt und für sie alltägliche Dinge erledigt, die sie nicht mehr machen konnten. Zeitgleich mit mir war Tobia Lezuo aus dem Gadertal im Projekt. Wir hatten ähnliche Interessen und konnten uns über das Erfahrene austauschen. Das hat gut getan.

Hast du dich im Projekt gut begleitet gefühlt?

Ja, Projektleiterin Rosario „Charo“ Figueroa war immer für uns da. Sie hat die wunderbare Gabe, genau zuzuhören, den Kern der Anfrage herauszufiltern und passende Entscheidungen zu treffen.

Warum bist du nach Peru gegangen?

Ich wollte eine neue Erfahrung machen, Abenteuer erleben, in einem anderen Kulturraum leben und mitarbeiten. Seit der Grundschule hat mich Südamerika fasziniert, an der Uni habe ich Menschen kennengelernt, die bereits in Projekten waren und viel Positives erzählt haben. Bereits in Bologna ist mir klar geworden, welch komfortable Arbeitssituation wir in Südtirol haben und wie privilegiert wir sind.

Wie hast du Freund*innen von deinen Erfahrungen berichtet?

In den Mails und Nachrichten aus dem Projekt habe ich immer betont, dass das meine Sichtweise ist, dass ich über Peru wenig weiß und nur davon erzählen kann, was in meinem kleinen Einzugsgebiet und innerhalb meines Horizonts geschieht.

 

Hast du in Huaraz Armut erlebt?

Ich mag den Begriff Armut nicht. In Südtirol haben wir einen anderen Lebensstandard, das stimmt. Die Situation einiger Personen, die ich kennenlernen durfte, war zweifellos sehr gravierend. Ich habe in Peru allerdings so viel Positives erlebt, die enorme Herzlichkeit und große Offenheit der Menschen gespürt. Das kann nicht mit Geld aufgewogen werden. Tobia und ich waren in jeder Familie willkommen, haben uns sofort zugehörig und daheim gefühlt, man hat uns vertraut.

Was hat dich besonders nachdenklich gestimmt?

Unter anderem die Situation junger Menschen mit ähnlichem Lebenslauf wie meinem. Die Nichte von Charo zum Beispiel hat wie ich Jura studiert. Sie hatte dieselbe Ausbildung wie ich und trotz guter Arbeit keineswegs dieselben Möglichkeiten. Peruaner*innen wie sie können nicht einfach zu einem Praktikum nach Italien kommen. Das würde ihre finanziellen Ressourcen bei weitem übersteigen.

Was hast du für dich gelernt?

Wenn ich unzufrieden bin oder mich über etwas aufrege, versuche ich innezuhalten und frage mich, ob das jetzt wirklich relevant ist oder ob ich dennoch gut leben kann. Ich mache mir dann bewusst, dass ich gesund bin, eine tolle Familie und eine erfüllende Arbeit habe und zufrieden sein sollte.

Was würdest du anderen Freiwilligen raten?

Länger als drei Monate zu bleiben. Es braucht Zeit, um sich und den eigenen Platz zu finden und es braucht Zeit, den Abschied zu gestalten. Meine letzte Woche in Huaraz war sehr traurig. Ich habe gemerkt, wie gern mich die Leute hatten und ich sie.

 


Projekt & Projektort

Un techo en los Andes (Ein Dach in den Anden)

Im Gesundheitszentrum „Un techo en los Andes“ werden Patient*innen mit alternativen Methoden wie Homöopathie oder Fußreflexzonen-Massage behandelt. Angestellte und Freiwillige besuchen Kinder und Erwachsene mit Beeinträchtigungen zu Hause, behandeln sie und begleiten sie zu Therapien. Wöchentlich trifft sich eine Gruppe von sehbeeinträchtigten Menschen, um gemeinsam zu musizieren und eine Radiosendung zu begleiten. Im Stadtviertel Pongor trifft sich eine Gruppe von Kindern regelmäßig mit einer pädagogischen Fachkraft, um gemeinsam Hausaufgaben zu machen, zu spielen, zu basteln und Zeit miteinander zu verbringen.

Huaraz, Peru

Huaraz liegt 350 km nördlich von Lima in den Anden auf 3.052 Höhenmetern und hat rund 120.000 Einwohner*innen. Peru ist reich an Bodenschätzen wie Gold, Silber und Kupfer. Doch von 1532 bis 1824 hat Spanien Peru kolonisiert und extrem ausgebeutet. Bis heute sind die meisten Minen in ausländischer Hand. Die offizielle Arbeitslosenrate ist gering, doch die meisten Peruaner*innen sind arbeitsrechtlich kaum abgesichert. Viele Familien ziehen vom Hochland nach Huaraz, um Arbeit zu finden.