Società | Interview

"Sie haben recht, sich zu beschweren"

Das Nachtleben im Stadtzentrum von Bozen sorgt für Unmut. Die Gemeinde will mit einer Verordnung, Ausschreitungen vermeiden. Wo aber darf man in Bozen noch feiern?
Renzo Caramaschi
Foto: Renzo Caramaschi

Die Gemeinde will mit einer neuen Verordnung gegen das rege Nachtleben auf dem Bozner Obstmarkt vorgehen. Die von einigen Anrainern geforderten Sperrstunden bleiben aus, stattdessen sollen Ausschreitungen durch stärkere Kontrollen und Strafen vermeiden werden. "Es braucht eine gewisse Toleranz", so der Bozner Bürgermeister Renzo Caramaschi, was aber nach den Schließungen der lokale passiere sei zu viel.

 

Salto.bz: Herr Caramaschi, zwei Fragen zum regen Nachtleben auf dem Bozner Obstmarkt…

Renzo Caramaschi: Schauen Sie, es geht nicht nur um den Obstmarkt, auch andere Plätze sind betroffen. Ich sage das immer wieder und immer wieder wird nur über den Obstmarkt berichtet. 

Anrainer und Lokalbetreiber beklagen sich über die jungen Menschen, die sich abends unter anderem auf dem Bozner Obstmarkt vergnügen. Was antworten Sie diesen Personen?

Wir haben uns mit den betroffenen Verbänden zusammengesetzt, die Lokalbetreiber werden nicht bestraft, sie sind mit der neuen Regelung zufrieden. Wer um die Genehmigung bis Mitternacht hat, schließt um Mitternacht, wer um ein Uhr schließen muss, schließt um eins. Das Problem, der Verfall entsteht nach der Schließung der Lokale. Sich um zwei, drei Uhr nachts in einer Wohngegend zu betrinken und Lärm zu machen, halte ich für nicht sehr gebildet. Die Anrainer haben recht, sich darüber zu beschweren.

Andererseits gibt es in Bozen aber nicht wirklich einen Ort, wo die jungen Menschen nach ein Uhr nachts noch feiern könnten.

Um sich um drei Uhr nachts zu betrinken? Müssen wir dafür einen Ort finden? Bozen ist klein, der eine will eine Party, der andere will sich zu Hause ausruhen. Aber der Platz ist nun mal der, den wir haben. In Zukunft soll in der ehemaligen Werkstatt für die Wartung der Lokomotiven ein Zentrum zum Tanzen, Feiern, für kulturelle Abende und für Konzerte entstehen. Dieses ist bereits in Ausarbeitung, wird aber noch eine Weile in Anspruch nehmen. Und auch rund um diesen Ort wird es ein Nachtleben geben. Dort ist Platz für Menschen, die feiern möchten. Sonst sehe ich in dieser Stadt leider keinen Platz. Und überhaupt: Auch Private müssen die Initiative ergreifen, die Gemeinde kann sich nicht um alles kümmern.

Wer sollte Ihrer Meinung nach eingreifen, wenn nicht die Gemeinde?

Es wird sicherlich Unternehmer geben, die eine Diskothek eröffnen möchten. Es braucht hier Privatinitiative, um den Raum außerhalb des Zentrums oder in benachbarten Orten zu nutzen.

Im Moment sind die Räume jedoch jene, die da sind. Die Jugendlichen halten sich entweder dort auf oder nirgendwo.

Wir haben alle unsere Freiheiten, aber unsere Freiheit hört dort auf, wo die des anderen beginnt. Und es müssen auch jene respektiert werden, die sich ausruhen möchten und am nächsten Morgen zur Arbeit müssen.

Dass das Zentrum von den Jugendlichen genutzt und gelebt wird, hat aber auch seine guten Seiten. Müssen Sie denn aus dem Zentrum vertrieben werden?

Es geht nicht darum, irgend jemanden zu vertreiben, sondern die Exzesse einzudämmen. Das Problem ist nicht, dass sich jemand auf dem Bozner Obstmarkt oder sonst wo nachts aufhält. Das Problem ist das Verhalten. Würde es Sie nicht stören, wenn um vier Uhr nachts jemand die Musik unter ihrem Haus aufdrehen würde?

Natürlich. Was ich aber beobachte, ist, dass kaum versucht wird, neue Orte für junge Menschen zu schaffen. 

Es gibt keinen Platz in der Stadt, Bozen ist extrem dicht besiedelt. In der Industriezone vielleicht, aber geht dort jemand hin? Wir wollen uns nicht gegen die Freiheit der feiernden jungen Menschen stellen. Aber sie müssen lernen, die anderen Bürger zu respektieren. Auch sie haben dieselben Freiheiten und ein Recht darauf, sich ausruhen zu dürfen. Wenn ein Lokal Musik spielen will, muss in der Gemeinde eine Anfrage eingereicht werden. Es gibt dann ein zeitliches Limit und eine Limitierung der Lautstärke. Es kann sich nicht einfach mitten in der Nacht jemand auf die Straße stellen und laut Musik spielen. Das geht nicht.