Economia | Arbeitsmarkt

"So kann es nicht weitergehen"

Die Beliebtheit von Arbeitsgutscheinen nimmt weiter zu. Ohne eine Korrektur droht eine totale Prekarisierung des Arbeitsmarktes, warnt UIL-Generalsekretär Toni Serafini.
Toni Serafini
Foto: AFI

salto.bz: Herr Serafini, von Jänner bis September wurden in Südtirol 2,4 Millionen Arbeitsgutscheine oder Voucher ausgegeben, das sind noch einmal 17 Prozent mehr als im selben Zeitraum des Vorjahres. Heißt das die sogenannte Prekarisierung des Arbeitsmarktes feiert fröhliche Urständ?
Toni-Serafini:
Ja sicher, denn ein Voucher ist der Inbegriff von prekärer Arbeit. Hier besteht schließlich nicht einmal ein Arbeitsverhältnis, es geht um eine Arbeitsleistung, für die mit dem Voucher neben dem Entgelt ein kleiner Anteil an Pensionsvorsorge und Unfallversicherung abgeführt wird. Doch viele der Arbeiten, für die er mittlerweile verwendet wird, wären eigentlich mit Saisonverträgen oder zeitlich beschränkten Anstellungen zu regeln. Diese bringen nicht nur mehr Rentenbeiträge, sondern auch Rechte auf alle sonstigen sozialen Abfederungsmaßnahmen mit sich.

Im Verhältnis zur Bevölkerungszahl ist Südtirol italienweiter Spitzenreiter bei der Verwendung von Vouchers. Warum greift man in einer der reichsten Provinzen Italiens so stark auf diese Form zurück?
Wahrscheinlich auch, weil bei uns das Gastgewerbe und die Dienstleistungen besonders stark sind. Dort werden mit mehr als 850.000 Vouchers auch gut ein Drittel der Arbeitsgutscheine  eingesetzt. Der Handel hat dagegen einen Anteil von nicht einmal 10 % und in der Landwirtschaft, wo man gedacht hat, dass sie total boomen werden, sind Vouchers mittlerweile vernachlässigbar.

 

Auch in den Bereichen, für die Arbeitsgutscheine ursprünglich eingeführt wurden, gibt es teilweise Rückgänge.
In diesen drei Bereichen, also Gartenarbeit und Putzen, Dienstleistungen im Haus und Sport- bzw. kulturelle Veranstaltungen, haben wir nicht einmal mehr 400.000 Voucher. Das ist eben das Problem. Wir als UIL sind im Gegensatz zur CGIL nicht für eine komplette Abschaffung von Vouchers. Denn es gibt in diesen Sektoren, für die sie 2008 gedacht wurden, echte Gelegenheitsarbeiten, für die sie von uns aus sinnvoll sind. Doch die ursprünglich restriktive Regelung wurde im Zuge der Fornero-Reform zuerst auf andere Sektoren ausgeweitet, und dann wurde mit dem Jobs Act auch noch das Einkommenslimit von 5000 auf 7000 Euro angehoben. Deshalb ist es nun wirklich höchst an der Zeit zu handeln.

Wer muss handeln?
Das kann nur im Parlament in Rom gemacht werden, hier hat man in Südtirol gebundene Hände. Und ich glaube auch nicht an moralische Appelle an die Wirtschaft, denn der Arbeitgeber strebt eben danach, seinen Gewinn zu maximieren.

Also den Unternehmern kann kein Vorwurf gemacht werden?
Das Problem ist nicht, dass man darauf zurückgreift, das Problem sind die Regeln. Denn solange es sie gibt, werden sie auch genutzt. Es liegt am Staat für gute Instrumente zu sorgen, um Arbeit zu schaffen, soziale Absicherung zu garantieren und die Produktivität zu steigern. Doch auf diese Art haben wir keine Form von Absicherung noch Arbeit, die irgendeine Form von Sicherheit für Morgen bringt. Und wie jede Studie belegt, leidet unter solchen Bedingungen auch die Produktivität.

Sie wollen keine Abschaffung der Voucher, was also soll an der Regelung geändert werden?
Wir fordern seit zwei Jahren, dass man das Anwendungsgebiet auf die ursprünglichen drei Bereiche beschränkt. Und falls man daran festhalten will, Voucher auch für andere Sektoren zu nutzen, muss man sie in jedem Fall besser reglementieren. Denn so wie es heute ist, kann es auf keinen Fall mehr weitergehen.

Und Sie glauben daran, dass in der aktuellen Situation in Rom etwas ändert?
Wir sehen zumindest, dass die Geschichte auch in der öffentlichen Meinung immer stärker als Problem wahrgenommen wird. Dieses Instrument führt vor allem für junge Menschen zunehmend zu einer kompletten Prekarisierung von Arbeit. Wir haben zwar keine INPS-Daten zum Alter, doch laut unseren Beobachtungen snd sie die Hauptbetroffenen. Deshalb zählen wir darauf, dass der Druck auf die Regierung auch jenseits der Gewerkschaften immer größer wird.

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Markus S. Ven, 12/23/2016 - 00:01

Herr Serafini: Sie haben nicht verstanden, warum die Voucher so beliebt sind: weil der Arbeitgeber diese einerseits steuerlich absetzen kann und andererseits den Arbeitnehmer nicht illegal beschäftigen muss.

Sollte die Bürokratie zunehmen oder die Voucher abgeschafft werden, gibt es nur eine vernünftige Antwort: wieder zurück zur Schwarzarbeit! Schon jetzt wollen viele Arbeitnehmer keine Voucher und kassieren die paar Stunden lieber schwarz, zu 100% steuerfrei, 100% Reingewinn!

Ven, 12/23/2016 - 00:01 Collegamento permanente
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Faber Simplicius Mer, 12/28/2016 - 09:45

che dire, obblighiamo per decreto i datori di lavoro ad assumere tutti a tempo indeterminato e la questione è risolta!
l'alternativa al voucher è la disoccupazione od il lavoro nero oppure la chiusura di piccole attività che non possono reggere i costi mostruosi del cuneo fiscale.
O forse i lavoratori pagati al voucher non fanno la fila per iscriversi al sindacato......

Mer, 12/28/2016 - 09:45 Collegamento permanente