Società | Gastkommentar

Kein Weg ohne ersten Schritt

Jungärzte und Medizinstudenten, zuständige Politiker und Verwalter ziehen an einem Strang – damit das Heimkehren nicht mehr zum Biss in den sauren Apfel wird.
Bergsteiger
Foto: Südtirolfoto/Alessandro Villa

Innerhalb einer Woche in den Landtag vorgeladen und dann von wichtigen Funktionären zweieinhalb Stunden lang angehört. Die Thematik, die wir dank unseres Briefes einem Paukenschlag gleich in die öffentliche Aufmerksamkeit Südtirols geknallt haben, brennt also wirklich nicht nur uns unter den Nägeln. Nicht nur die Angesprochenen, Landesrätin Martha Stocker und der Generaldirektor des Sanitätsbetriebs Dr. Thomas Schael, waren am Montag anwesend, sondern auch Dr. Veronika Rabensteiner, Amtsdirektorin des Amtes für Ausbildung des Gesundheitspersonals, Dr. Michael Mayr, Direktor des Ressorts für Gesundheit, Sport, Soziales und Arbeit, und Dr. Christian Kofler, Direktor der Betriebsabteilung für Personal. Die Crème de la Crème des heimischen Gesundheitswesens, sozusagen.

Wir, die Delegation, waren Markus Santer aus Prags, Student im 7. Semester in Innsbruck, Larissa Hofer aus Sulden, Assistenzärztin für Innere Medizin am Kardinal Schwarzenberg Klinikum in Schwarzach, Verena Plank aus Brixen, die in Kürze am Krankenhaus Zams ihre Basisausbildung beginnen wird und irgendwann als Hausärztin nach Hause kommen möchte, und meine Wenigkeit. Etwas nervös waren wir alle, und pünktlich zehn Minuten vor Gesprächsbeginn wurden uns plötzlich ein halbes Dutzend Mikrofone ins Gesicht gehalten. Um 18:30 Uhr betraten die oben Genannten den Raum, letzte Fotos wurden geschossen und die Tür fiel ins Schloss.

Die Unsicherheit und Ratlosigkeit ob der eigenen Situation war es, was schlussendlich das Fass zum Überlaufen gebracht hat.

Das Gespräch, das nun folgte, verlief – überraschend – konstruktiv. Wir hatten einen Fragenkatalog vorbereitet, um die heißesten Themen konkret auf den Tisch bringen zu können: die Vereinfachung der Anerkennung der Studientitel, die Ausbildung zum Facharzt bzw. zum Allgemeinmediziner, und die Perspektiven, die der Südtiroler Sanitätsbetrieb als Arbeitsplatz bietet. Die erste Ernüchterung ließ nicht lange auf sich warten: der „Durchbruch“, der am Samstag aus allen Medien des Landes leuchtete und unsere Herzen höher schlagen ließ, ist weit weniger spektakulär, als uns jene Pressemeldungen hatten glauben lassen. Rom ist bereit, die Verhandlungen bezüglich der Akkreditierung der heimischen Krankenhäuser ins für Südtirol Positive zu konkretisieren. Nicht mehr, aber – und das muss man eingestehen – auch nicht weniger. Es mag nur ein kleiner Schritt sein, aber immerhin ist es einer in die richtige Richtung.

Wir mussten auf die harte Tour lernen, dass die gesamtstaatlichen Interessen sehr zum Nachteil unserer Forderungen ausgerichtet sind.

Es gab durchaus einige Momente, an denen sich ein überraschter Ausdruck auf die Gesichter unserer Gegenüber legte. Einige unserer Probleme waren so nämlich noch nie in den Vordergrund der Thematik gerückt worden. So ist man mit einer abgeschlossenen Facharztausbildung im Durchschnitt Anfang dreißig – das Alter, in dem man heiratet, Familie gründet, und eine völlige Entwurzelung derselben nur mehr ungern vornimmt. Eine Beziehungskonstellation, in der beide Partner Karriere machen, ist in unserer Generation nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel. Wir lernen Partner oft im Studium kennen, oder tendieren zu Personen mit ähnlichen Interessen und Ambitionen – weshalb wir bei einer Heimkehr nicht nur einer, sondern zwei Karrieren den Rücken kehren müssen. Im deutschsprachigen Raum ist es außerdem durchaus üblich, Stellenangebote zum Teil schon während der Famulaturen (Praktika im Krankenhaus während der Studienzeit), aber auf jeden Fall bereits während des Klinisch-Praktischen Jahres (letztes Ausbildungsjahr) zu erhalten – was einen natürlich früh an einen Betrieb bindet. Und ein reines Aufbessern des Stipendiums wird in der Diskussion wenig bringen: Geld ist – entgegen eines weit verbreiteten Vorurteils – für Mediziner lang nicht alles.

Darin liegt der Hund begraben: Das Stipendiensystem des italienischen Modells ist im mitteleuropäischen Raum nicht konkurrenzfähig – aber genau mit diesem konkurriert Südtirol aufgrund der Sprachzugehörigkeit und der Grenznähe. Dies ist den Zuständigen auch sehr bewusst, und wir mussten auf die harte Tour lernen, dass die gesamtstaatlichen Interessen sehr zum Nachteil unserer Forderungen ausgerichtet und die gesetzlichen Hürden durchaus substantiell sind.

Der Weg ist ein langer und ein steiniger, aber immerhin haben wir uns die Bergschuhe angezogen.

Es war befriedigend, endlich von den Zuständigen direkt, ohne Umwege und Umformulierungen über die Medien, endlich klare Informationen zu erhalten. Zu viele von uns hatten bereits Briefe geschrieben – auch an den früheren Gesundheitslandesrat Theiner –, die unbeantwortet geblieben waren. Einige waren bis nach Rom gepilgert, um Erklärungen zu bekommen, nur um unverrichteter Dinge wieder nach Hause zu kehren. Diese Unsicherheit und Ratlosigkeit ob der eigenen Situation war es, was schlussendlich das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Dem konnte Abhilfe geschaffen werden: Uns wurde zugesichert, den direkten Informationsfluss vom Land zu den Südtiroler Jungärzten und Medizinstudenten von nun an nicht mehr versiegen zu lassen und uns über alles auf dem Laufenden zu halten – über Fortschritte wie Rückschritte. Außerdem wurde versprochen, auf alle im Fragenkatalog enthaltenen Fragen (einige konnten nicht abgearbeitet werden) eine schriftliche Antwort zu erhalten, um alle Unklarheiten aus dem Weg zu räumen.

Vor allem aber konnten sich beide Seiten unmissverständlich klar machen, dass wir alle an einem Strang ziehen, mit dem Ziel, eine im mitteleuropäischen Raum konkurrenzfähige Ausbildungssituation zu ermöglichen. Damit das Heimkehren nicht mehr zum Biss in den sauren Apfel, sondern zum Anreiz wird. Der Weg ist ein langer und ein steiniger, aber immerhin haben wir uns die Bergschuhe angezogen und die ersten Schritte getan. Wir hoffen nun darauf, dass die Verhandlungen mit noch mehr Inbrunst und Nachdruck geführt werden. Und auch wir werden uns weiterhin dafür einsetzen, dass die Thematik ihre Relevanz in den zuständigen Köpfen behält, und alles tun, um uns Schritt für Schritt näher an das gemeinsame Ziel zu bringen. Denn mit uns steht und fällt die Zukunft des Südtiroler Gesundheitssystems, und die Zeit drängt. Aber, wie man so schön sagt, mir lossn net lugg.