Politica | Nachwahlwehen

Angekratztes Herzensanliegen?

Wird der österreichische Pass für Südtiroler nun in der Schublade verschwinden? In Wien und Südtirol dementiert man die Interpretation vom “Wahlverlierer Doppelpass”.
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Foto: bmeia.gv.at

Die Frage war schriftlich eingegangen. Und wurde gegen Ende der Fragestunde im Österreichischen Nationalrat am Donnerstag behandelt.
“Wieso nehmen Sie für das fragwürdige Projekt der doppelten Staatsbürgerschaft für Südtirolerinnen und Südtiroler eine Belastung der guten bilateralen Beziehungen zu unserem Nachbarland Italien in Kauf?”
Das will der SPÖ-Abgeordnete und Südtirol-Sprecher der Sozialdemokraten, Hermann Krist, von Außenministerin Karin Kneissl wissen.

Vier Tage sind vergangen seit Südtirol einen neuen Landtag gewählt hat. Bei den deutschen Rechtsparteien herrscht Katerstimmung. Sechs von zehn Sitzen haben sie verloren – wohl auch, weil sie zu sehr auf den Doppelpass als Stimmenfänger gesetzt haben, wie die Freiheitliche Fraktionssprecherin Ulli Mair am Wahlmontag offen einräumt. Wahlverlierer Doppelpass?
“Diese Interpretation ist blühender Unsinn”, schimpft Roland Lang. Als Obmann des Südtiroler Heimatbundes steht er hinter der groß angelegten Plakataktion in Wien, mit der der neuen österreichischen Regierung Anfang des Jahres für den Einsatz für die Doppelstaatsbürgerschaft gedankt wurde. Wird das Vorhaben nun in der Schublade verschwinden? Zumal jene, die es öffentlichkeitswirksam vorangetrieben haben – allen voran die Freiheitlichen –, eine Wahlschlappe erlitten haben? Nein, steht für Roland Lang fest: “Die Ursachen für die hohen Wahlverluste einer der deutschen Oppositionsparteien sind wohl in deren internen Verhältnissen zu suchen und nicht darauf zurückzuführen, dass sich die Wählerschaft von dem Selbstbestimmungsgedanken abwendet”, interpretiert der SHB-Obmann das Blaue Wahlergebnis. Er jedenfalls werde sich weiter für den Doppelpass stark machen.

 

Wessen Wunsch?

Doch wie steht man in Österreich nach der Landtagswahl in Südtirol zum umstrittenen Vorhaben?

Das Thema bringt der SPÖ-Abgeordnete Hermann Krist am Donnerstag auf die Tagesordnung des Nationalrates. Er fragt bei Außenministerin Karin Kneissl nach:

“Geschätzte Frau Bundesministerin! Südtirol hat am Sonntag gewählt. All jene Parteien, die sich am lautesten für die Doppelstaatsbürgerschaft eingesetzt haben, haben am allermeisten verloren! Es war auch wenig überraschend, dass sich seit Sonntag namhafte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens wiederholt kritisch geäußert haben. Ich gehe gar nicht auf die Stellungnahmen ein, aber Politologe Günther Pallaver, Extrembergsteiger Reinhold Messner, Landeshauptmann Günther Platter, ja sogar Harald Vilimsky, der FPÖ-Europabgeordnete, haben sich kritisch gemeldet. Daher meine Frage: Bleiben Sie dabei? Und nehmen Sie für dieses in der Zwischenzeit doch fragwürdige Projekt der doppelten Staatsbürgerschaft für Südtirolerinnen und Südtiroler eine insbesondere von den italienischen Parteien lautstark in den Raum gestellte Belastung der Beziehungen zwischen Österreich und Italien in Kauf?”

“Wie sich jetzt die Dinge verändern, dem möchte ich nicht vorgreifen”, schickt Kneissl in ihrer Antwort voraus. Aber als Außenministerin halte sie sich an das Regierungsabkommen zwischen ÖVP und FPÖ, das die Möglichkeit der Doppelstaatsbürgerschaft vorsehe. Das Koalitionsabkommen beruhe schließlich “auf einem Beschluss der Mehrheit des Südtiroler Landtages, der eben diesen Wunsch aufgebracht hat”.

Aus den Reihen der FPÖ, die sie als Außenministerin eingesetzt hat, erntet Kneissl Applaus. Doch dem Fragesteller ist der Fauxpas in ihrer Antwort nicht entgangen. “Ich korrigiere Sie ungern, Frau Außenministerin, dazu schätze ich Sie viel zu viel, aber es gibt keinen Landtagsbeschluss! Es gibt einen Brief von 19 Landtagsabgeordneten, auf dem kein einziges Regierungsmitglied unterschrieben hat – und auch die halbe SVP nicht”, kontert Hermann Krist.

 

Festhalten am Doppelpass

In der Debatte, die folgt, bestreitet Kneissl, dass das Verhältnis zwischen Österreich und Italien aufgrund der Doppelpass-Frage belastet sei. “Die Zusammenarbeit mit Italien ist eine, die völlig in Ordnung ist”, meint die Außenministerin, sie könne “dem Ganzen kein angekratztes Verhältnis entnehmen”.

Dass die FPÖ, anders als von Hermann Krist behauptet, am Doppelpass festhalten werde, verkündet auch deren Südtirol-Sprecher Werner Neubauer. Wie Roland Lang warnt Neubauer, das Wahlergebnis als Absage an den Doppelpass zu deuten. Und auch Sven Knoll von der Süd-Tiroler Freiheit weist solche “absurde Interpretationsversuche” zurück: “Abgesehen davon, dass die Landtagswahl keine Volksabstimmung zur Frage der Staatsbürgerschaft war, haben bei nüchterner Betrachtung auch jene Parteien massiv an Stimmen und Prozenten verloren, die sich dezidiert gegen die doppelte Staatsbürgerschaft ausgesprochen haben.”

Darüber hinaus brauche es den Doppelpass angesichts des “Chaos in Rom” – Knoll bezieht sich auf den Haushaltsstreit zwischen der italienischen Regierung und Brüssel – umso dringender – als “Fallschirm” für Südtirol, meint Knoll. Er appelliert “an alle europafreundlichen Parteien in Südtirol, sich für eine rasche Umsetzung der doppelten Staatsbürgerschaf einzusetzen”.

Etwas gezielter geht Roland Lang vor. Er sieht konkret das Team Köllensperger in der Pflicht. Der Südtiroler Heimatbund “erhofft und erwartet von dem neuen Mitspieler auf dem politischen Spielfeld, dass dieser seinen öffentlich geäußerten Überzeugungen treu bleibt”, so der SHB-Obmann. Lang bezieht sich damit auf die Aussagen von Paul Köllensperger nachdem dieser den Appell der 19 Landtagsabgeordneten mit unterzeichnet hatte. “Es ist nicht mein Herzensanliegen”, so Köllensperger Ende November 2017 zum Doppelpass, “aber sollte es zustande kommen, warum nicht?”. Nach dem Motto “Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul.”