Cronaca | Taschler-Prozess

Absolut unglaubwürdig

Oberstaatsanwalt Giancarlo Bramante geht davon aus, dass Daniel Taschler gedopt hat, Michele Ferrari die Anweisungen gab und Gottlieb Taschler alles wusste.
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Foto: FF/Ludwig Thalheimer
Giancarlo Bramante redet knapp zwei Stunden. Zwei Drittel der Zeit zitiert der Oberstaatsanwalt dabei aus einem Aktenstück. Dem Mitschnitt aus dem verwanzten Camper von Michele Ferrari. Aufgezeichnet am frühen Nachmittag des 17. Oktober 2010. Damit das Gericht genau folgen kann, lässt er die Abschrift der Anhörung im Gerichtssaal auf eine Leinwand projizieren. Bramante setzt auf die Wirkung der Zitate und der Worte.
Denn das Gespräch zwischen Michele Ferrari und Daniel Taschler lässt in Wirklichkeit wenig Handlungsspielraum. Bereits der Ort und die Art des Gespräch macht jedem Laien klar, dass man hier nicht vom Briefmarkensammeln spricht. Die Wortwahl und die bewusst verklausulierte Sprache lassen sofort erkennen, dass die beiden Herren etwas zu verstecken haben.
Vor allem aber arbeitet der Staatsanwalt aus dem Gespräch drei Punkte heraus, die Michele Ferrari schwer belasten. Bramante: „Ferrari hat im diesem Gespräch klare Anleitung zur Einnahme des Dopingmittels, zu seiner Aufbewahrung aber auch zu verdeckten Telefonkontakten gegeben“. Damit sei der Strafbestand des Dopings klar umschrieben.
 

Die Mikrodosen

 
Verschiedene Experten und Gutachter der Anklage und der Verteidigung haben im Verfahren bereits erklärt, wie die Verabreichung von EPO-Mikrodosen beim Doping erfolgt.
Obwohl im Gespräch keine Medikamentennamen genannt werden, illustriert Giancarlo Bramante gekonnt, anhand der Gesprächsfetzen den klaren Zusammenhang. So wird von 2000 UI und Spritzen gesprochen. Es handelt sich dabei mit größter Wahrscheinlichkeit um das Medikament „Epoetin - Eprex 2000 IU“. Es ist eine Packung die 6 Fertigspritzen enthält, gefüllt mit jeweils 2000 IU einer künstlichen Version von Erythropoietin (Epo).
Die Anleitung, dass Daniel Taschler sich nur die Hälfte machen und den Rest in der Spritze lassen soll, ist für den Staatsanwalt ein klarer Beweis fürs Doping. „Dass Ferrari sagt einen Tag schon und einen Tag nicht, passt genau in jenes Dopingmuster mit Mikrodosen, das Ferrari auch in anderen Fällen angewandt hat“, sagt Giancarlo Bramante.
Der Oberstaatsanwalt breitet dann in seinem Plädoyer jenen Teil des Gespräch aus, in dem Michele Ferrari Daniel Taschler warnt, die ungenannte Substanz im Haus aufzubewahren. Er soll sie unter einem Baum oder im Holzschuppen verstecken. Es darf aber nicht zu kalt werden. „Das passt genau zu den Dopingmitteln“, erklärt der Staatsanwalt.
Auch die Anweisung des Sportarztes, wie sich Daniel Taschler bei einer unangekündigten Kontrolle verhalten soll (Lange Warten, zuerst die Schuhe ausziehen und dann möglichst lange urinieren), zeigen für die Ermittler in eine klare Richtung. „Man hat hier ganz genau ausgemacht“, ist sich Bramante sicher, „wie man das Dopingmittel einnimmt und wie man das Ganze bestmöglich versteckt“.
 

Gottliebs Rolle

 
Was Gottlieb Taschler in diesem Prozess ausgesagt hat, ist völlig unglaubwürdig“, resümiert Giancarlo Bramante. Der Oberstaatsanwalt zeichnet in seinem Plädoyer detailliert die Rolle des Südtiroler Biathlon-Papstes in diesem Fall nach.
Gottlieb Taschler war es der nicht nur den Kontakt zu Ferrari hergestellt hat, sondern ausschließlich er hat mit dem Dopingarzt telefoniert. Taschlers Erklärung vor Gericht: Daniels Sprachschwierigkeiten. Auch hier verweist der Staatsanwalt genüsslich auf das Abhörprotokoll: „Lesen Sie selbst und dann sehen sie wie gut Daniel Taschler Italienisch spricht“.
 
Gottlieb Taschler hat Michele Ferrari im Sommer 2010 mehrmals in Antholz besucht. Dabei wurde er von Taschler Senior am Dorfeingang von Antholz abgeholt. Was Taschler damals anscheinend nicht bemerkte. Ferrari kam im Camper. „Die Ermittlungen haben aber eindeutig ergeben, dass dieser Camper eine Art rollendes Labor war“, sagt Bramante.
Was aber zentral für den Staatsanwalt ist: Gottlieb Taschler hat zwar alle Termine ausgemacht und nur er hat mit Ferrari immer wieder telefoniert, doch war Taschler weder bei der Behandlung seines Sohnes jemals dabei, noch habe er – laut Aussage vor Gericht – jemals mit Daniel oder Ferrari über die Behandlung gesprochen. „Für einen Vater, der sich angeblich Sorgen um die Gesundheit seines Sohnes macht“, sagt Bramante, „ist ein solches Verhalten kaum erklärbar“.
 

Verdächtiger Plural

 
Zeitweise gleicht das Plädoyer des Oberstaatsanwaltes eines Textanalyse. So verweist Giancarlo Bramante auf den Plural, der im Gespräch immer wieder gebraucht wird. „Das macht deutlich, dass Daniel und Gottlieb gemeint sind“, zieht Bramanate daraus einen Schluss, der von der Verteidigung später hart kritisiert wird.
Dabei untermauert der Oberstaatsanwalt diese These durch mehrere Beispiele. So erklärt Michele Ferrari lange und detailliert, dass sich Taschler für die Gespräche mit ihm eine neues Handy und eine neue SIM-Karten zulegen solle. Dabei nimmt Ferrari explizit auch auf Gottlieb Bezug.
 
Bramantes Überzeugung: „Gottlieb Taschler wusste ganz genau, was sein Sohn und Ferrari taten“. Für die Ermittler ist bereits die Kontaktaufnahme zum umstrittenen Arzt ein klares Indiz. Dabei haben sich Gottlieb Taschler und seine Verteidiger im Verfahren immer wieder darauf berufen, dass man 2010 noch nichts von den Dopingvorwürfen gegen Ferrari wusste. Hier zieht der Oberstaatsanwalt in seinem Plädoyer genüsslich die Aussage des Brunecker Sportarztes Alex Mitterhofer heraus. Mitterhofer, der ursprünglich Daniel Taschler behandelte, sagte vor Gericht aus, dass er stutzte als er im Sommer 2010 den Namen Ferrari hörte. „Es ist doch lächerlich, dass ein Südtiroler Sportarzt damals die Problematik um Ferrari kannte, der Vizepräsident der internationalen Biathlonunion (IBU) aber angeblich keine Ahnung hatte“, gibt Bramante zu bedenken.
Es ist ein Schlag, der an diesem Tag im Bozner Gericht seine Wirkung tut.
 

Bramantes Vorteil

 
Giancarlo Bramantes Ausführungen sind nüchtern und sachlich. Mehrmals verkneift sich der Oberstaatsanwalt bewusst einige Bemerkungen. Denn der Ankläger hat in diesem Verfahren einen entscheidenden Vorteil.
Bramante hatte bereits einmal mit Michele Ferrrari und seinen Methoden zu tun. Im ersten Dopingfall Alex Schwazer. Ein Verfahren, das mit einer Schuldzubemessung (patteggiamento) endete. In seinem Plädoyer lässt der Oberstaatsanwalt deshalb mehrmals durchblicken, dass es in den beiden Fällen durchaus Parallelen gibt. Bramante dürfte sich wahrscheinlich einige Trümpfe noch für die Replik am kommenden Montag aufgespart haben.
Der Oberstaatsanwalt bezweifelt in seinen Ausführungen aber auch offen die Darstellung, dass Michele Ferrari Daniel Taschler gratis behandelt habe: „Einer, der zur selben Zeit illegal und für Geld mit Olympiasiegern arbeitet, wird sich kaum fünfmal mit einem zweitklassigen Biathleten treffen und auf eigene Spesen zweimal von Ferrara nach Antholz fahren“.
Giancarlo Bramante beendete sein Ausführungen mit der Forderung nach einer Verurteilung aller drei Angeklagten.
 

Der Nebenkläger

 
Die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) hat sich durch den Mailänder Anwalt Stefano Borella als Nebenkläger in den Prozess eingelassen. Schon nach den ersten Sätzen merkt man, dass hier ein Profi im Kampf gegen Doping im Einsatz ist. Borella setzt nicht auf Show, sondern auf nüchternen Inhalt.
Die Machenschaften von Michele Ferrari sind lückenlos bewiesen und man kann sie hier nicht weg debattieren“, stellt Borella gleich zu Beginn klar. Auch der WADA-Anwalt geht auf den Inhalt der Abhörungen ein. Die Gespräche seien eindeutig.
Vor allem aber ist Borella überzeugt, dass man mit den heutigen Methoden, in Daniel Taschlers Blutbild das Doping mit Mikrodosen nachweisen hätte können. „Wenn damals der biologische Pass im Biathlonsport gegolten hätte“, sagt Borella, „dann wäre Daniel Taschler gesperrt worden“.
 
Der WADA-Anwalt erhebt aber nicht nur den Finger gegen Daniel Taschler und Michele Ferrari. Borella stellt auch die mutmaßlichen Verfehlungen von Gottlieb Taschler als besonders schwerwiegend dar. Stefano Borella spart dabei nicht mit klaren Worten: „Dass der Vizepräsident der IBU und damit ein hoher Vertreter eines Verbandes, der dem Doping eigentlich den Kampf angesagt hat, sich für diese Sachen hergibt, halte ich für einen weit schwereren Verrat als jenen des Sohnes“.
Der WADA-Anwalt fordert nicht nur die Verurteilung aller drei Angeklagten, sondern auch eine Schadenersatzzahlung an die Anti-Welt-Doping-Agentur.
 

Lesen Sie am Montag: Das Urteil im Taschler-Prozess.