Ambiente | Interview

Wie Sand am Meer 

Mikroplastik: ein globales Problem, das auch Südtirol nicht auslässt. Die Expertin Anne Mäusbacher erklärt die Auswirkungen und Risiken der kleinen Teilchen.
Sand am meer
Foto: Anne Mäusebacher

An vielen Südtiroler Flussbetten zeigt sich dasselbe Bild: Plastiktüten neben Kunststoffverpackungen und PET-Flaschen. Diese sind entweder von der Strömung in Flussbetten geschwemmt worden oder wurden direkt hineingeworfen. Die große Problematik daran: Mikroplastik löst sich und gelangt in Südtirols Gewässer. Die Buchautorin Anne Mäusbacher, die sich in ihrem Studium mit der Meeresverschmutzung beschäftigte, erklärt im Interview, was es mit diesem „kleinen Plastik“ auf sich hat, wie es sich global verhält und wie es unsere Gesundheit gefährdet.

 

Salto.bz: Frau Mäusbacher, dass die Entsorgung von Plastik ein Problem darstellt, ist den meisten Menschen ein Begriff. Über Mikroplastik hingegen sind nur wenige informiert. Worum handelt es sich dabei?

Anne Mäusbacher: Plastik, das kleiner als fünf Millimetern ist, nennt man Mikroplastik. Wir haben Mikroplastik überall herumfliegen: in der Luft, in den Kinderzimmern und im Essen. Sogar in uns Menschen wurde es bereits im Blut, Urin oder Plazenta nachgewiesen. In den Kinderzimmern beispielsweise finden wir Mikroplastik durch die vielen Kunststoffprodukte wie Teppiche, Spielsachen, Kuscheltiere. Wir sind eigentlich den ganzen Tag in Berührung mit Mikroplastik.  

 

Sie selbst haben ein Buch zum Thema Mikroplastik geschrieben. Worum geht es in diesem Buch?

Vor drei Jahren habe ich das Buch „Kids for the Ocean“ veröffentlicht. Es erklärt, was Plastik überhaupt ist, was es mit uns macht und wie wir es vermeiden können. Das Buch ist für mich ein Bildungs-Tool, um an Schulen heranzugehen, das Lehrer einfach in den Unterricht einbauen können.  

Wie entsteht Mikroplastik?  

Mikroplastik entsteht durch verschiedene Prozesse. Beispielsweise beim Reifenabrieb auf der Straße. Von Hartplastik reibt sich Mikroplastik mit der Zeit ab.  Aber auch beim Waschen von Kleidung mit Kunststofffasern entsteht ein Mikrofaser-Abrieb. Wir finden Mikroplastik in Straßenmarkierungen, in Schiffslackierungen, in der Kosmetik, bei der Produktion und dem Waschen von Textilien und natürlich bei Plastikproduktion selbst.  

 

„Wenn wir Fisch essen, essen wir Plastik mit.“ 

 

Wie gelangt das Mikroplastik in die Gewässer? 

Abwasserkanäle und Kläranlage können es nicht filtern, weil es zu klein ist. Dann fließt es durch die Flüsse ins Meer. Ein weiteres Problem ist der Müll an den Meeren und Flüssen. Makroplastik, das sich durch Sonnenlicht und Salzwasser kleinwäscht, wird zu Mikroplastik und gelangt schließlich ins Meer.  

Wo es wiederum von Fischen und anderen Meerestieren aufgenommen wird… 

Genau, Mikroplastik gelangt im Meer auch in Muscheln und in Fische. Der größere Fisch isst den kleineren Fisch und so landet es schlussendlich wieder bei uns auf dem Teller. Muscheln enthalten häufig besonders viel Mikroplastik. Muscheln sind die Filter der Meere, sie filtern das Wasser und somit auch Mikroplastik. Wenn man Wert auf seine Gesundheit legt und nachhaltig leben möchte, sollte man auf Sea-Food verzichten.  

 

Warum ist das „kleine Plastik“ so problematisch?

Weil Plastik unter anderem aus Chemikalien, den sogenannten Weichmachern besteht. Diese sind toxisch. Weichmacher, die durch verschiedene Plastikarten der Flaschen-Verpackung und des Verschlusses zurückzuführen sind, wurden auch in abgefüllten Wasserflaschen nachgewiesen.

Diverse Quellen berichten von Entzündungsreaktionen oder sogar Unfruchtbarkeit, die durch diese Weichmacher ausgelöst werden könnten. Ist an diesen Aussagen etwas Wahres dran? Wie wirkt Mikroplastik auf den menschlichen Körper? 

Wenn unser Körper Weichmacher aufnimmt, bleiben sie auch erst mal dort. Diese Weichmacher können Fettleibigkeit, Unfruchtbarkeit, aber auch Krebs begünstigen. 

 

„Plastik verschwindet nicht, es bleibt für immer auf unserem Planeten.“ 

 

Kann Mikroplastik abgebaut werden? Wenn ja, wie lange dauert der Abbau in der Natur? 

Plastik hat kein end-of-life, es bleibt für immer auf unserem Planeten. Eine PET-Flasche bräuchte 450 Jahre, bis sie sich abbauen würde. Ein Plastik-Picknickbesteck bräuchte sogar bis zu tausend Jahre. Es dauert ewig und geht eigentlich gar nicht mehr weg. Richtig harter Kunststoff bleibt uns einfach erhalten, auch wenn er im Meer liegt. Diese sinken auf den Meeresgrund und verkleinern sich nur minimal. In der Zeit dieses Abbauens und des Verkleinerns gehen die Weichmacher natürlich auch in die Ökosysteme. Ob bei uns zu Hause oder eben in marinen Ökosystemen, die Weichmacher lösen sich und das ist furchtbar für den Planeten und unsere Gesundheit. 

Hat sich Mikroplastik in den letzten Jahren stark gehäuft? Oder hat in der Bevölkerung ein Umdenken stattgefunden? 

Es hat sich stark gehäuft. Kunststoff bleibt eben das günstigste Material in der Herstellung. Die Menschen in Europa denken, sie betrifft es nicht. Was aber passiert: Textilhersteller nehmen recyceltes Plastik. Das ist aber nur ein Zwischenschritt, denn die Kunststoff-Fasern lösen sich trotzdem im Gebrauchs- und Waschvorgang. Textilhersteller tun dies auch deswegen, weil sie es dem Konsumenten, dann auch als “nachhaltig” verkaufen können. Der Konsument sollte aber noch viel mehr tun. Er sollte auf Alternativen umsteigen. Denn es gibt sie. Und Plastikverzicht macht frei und unabhängig.  

 

„Plastikverzicht macht frei und unabhängig.“ 

 

Welche Faktoren halten uns davon ab, Plastikalternativen zu kaufen? 

Bequemlichkeit ist number one. Dann der Preis. Dies würde ich aber auch unter Bequemlichkeit stecken. Denn es gibt so viele verschiedene Tauschmärkte, Secondhand-Märkte. Aber auch die Gewohnheit ist ein Faktor, warum noch wenige Verbraucher auf Produkte mit Plastik verzichten. 

Welche Maßnahmen muss die Politik ergreifen? 

Politisch muss sehr viel passieren, aber auch in der Industrie. Die Politik und Gesetzgebung müssen viel mehr verbieten. Es gibt schon Meeresschutzgesetze, aber niemanden der sie kontrolliert. Deshalb halten sich nicht alle daran. Einige Länder am Mittelmeer bedienen sich immer noch illegaler Abwasserkanäle. Spanien, Frankreich und Albanien sind nur ein paar der betroffenen Länder. Aber auch wenn wir sofortige Maßnahmen gegen die Plastikentsorgung im Mittelmeer ergreifen würden, gäbe es keinen Grund für Freudensprünge. Das Plastik in den Gewässern wird bleiben.

 

Können wir also nur noch die Schäden minimieren? 

Absolut. Wir können nur den Eintrag stoppen. Eigentlich müsste jetzt alles sofort stoppen, es dürfte überhaupt kein Mikroplastik mehr in die Meere gelangen. Es müsste alles gefiltert werden. Müll an Ufern und Bächen darf es keinen mehr geben. Als Verbraucher sollte man auf Kunstfasern verzichten, wenn möglich. Die Industrie muss sich ändern und endlich Verantwortung übernehmen, es ist ein bekanntes Problem. 

 

Um die Problematik mit Plastik etwas zu mildern, wurde die Produktion von bestimmten Kunststoffprodukten in der EU im Juli 2021 verboten. Ist das schon ein großer Schritt in die richtige Richtung? 

Es war auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung, aber ein kleiner. Dieser trägt vor allem zum Umdenken in der Bevölkerung bei. Ein Problem ist, dass sich nicht alle daranhalten. So werden laminierte Papierbecher immer noch verwendet. Coronabedingt waren Take-away-Becher und Teller gefragt. Plastik wurde in den 1950 Jahren für den Endverbrauer entwickelt als toller neuer Haushaltsgegenstand. Es ist einfach ein billiger, leichter Kunststoff. Im Haushalt kann man jedoch eher darauf verzichten. Das ist auch gar nicht so schwierig, wir leben zu Hause schon lange plastikfrei. Schwer wegzudenken sind Plastikprodukte in anderen Bereichen wie im Computer-Technologie-Bereich und vor allem in Krankenhäusern. Dabei landen Einwegspritzen normalerweise nicht im Meer. Wenn man den Plastikmüll aber auf diese Dinge beschränken würde, wäre das schon ein riesiger Schritt. 

 

 „Mikroplastik liegt an vielen Stränden wie Sand am Meer.“ 

 

Ein weiterer Schritt ist der, den Plastikmüll beispielsweise an Stränden wieder aufzusammeln. Sie organisieren viele Beach Clean-Ups. Was können Sie uns darüber erzählen?

Letztes Jahr waren wir in Frankreich am Atlantik und waren wirklich sehr schockiert. Das kann nicht mehr aufgesammelt werden. Das Mikroplastik ist so klein und liegt in allen Felsfugen und unter jeder Sonnenliege. Wie Sand am Meer.  

 

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Josef Fulterer Sab, 04/09/2022 - 22:04

# Wir kleiden uns mit Chemiefasern
# wir fahren auf geteerten Straßen und hinterlassen Straßen- auch Reifenabrieb und Rußpartikel
# wir kaufen im Supermarkt ein und finden dort nicht ein Produkt das nicht verpackt ist oder müssen es vor dem Gang zur Kasse verpacken
# wir verwenden Haushaltsgeräte aus Plastik, die sich auch abnützen = Microplastik
# wir kaufen den Kindern Spielzeug aus Plastik
# wir verwenden Plastik für die Haushaltsvorratshaltung
# wir schützen Obst und Gemüse werden mit großflächigen Netzen und Folien
und wundern uns noch, wenn wenn sich das Teufelszeug in unseren Adern wiederfindet.

Sab, 04/09/2022 - 22:04 Collegamento permanente
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Josef Fulterer Sab, 04/09/2022 - 22:07

# Wir kleiden uns mit Chemiefasern
# wir fahren auf geteerten Straßen und hinterlassen Straßen- auch Reifenabrieb und Rußpartikel
# wir kaufen im Supermarkt ein und finden dort nicht ein Produkt das nicht verpackt ist oder müssen es vor dem Gang zur Kasse verpacken
# wir verwenden Haushaltsgeräte aus Plastik, die sich auch abnützen = Microplastik
# wir kaufen den Kindern Spielzeug aus Plastik
# wir verwenden Plastik für die Haushaltsvorratshaltung
# wir schützen Obst und Gemüse mit großflächigen Netzen und Folien
und wundern uns noch, wenn sich das Teufelszeug in unseren Adern wiederfindet.

Sab, 04/09/2022 - 22:07 Collegamento permanente