Società | Post

„Zeigt die Praxisferne“

Thomas Taschler, Generalsekretär der Fachgewerkschaft für das Kommunikationswesen über den neuen Vertrag zwischen Land und Post und dessen Versäumnisse.
Avvertenza: Questo contributo rispecchia l’opinione personale del partner e non necessariamente quella della redazione di SALTO.
Thomas Taschler
Foto: ©Thomas Taschler

Salto.bz: Herr Taschler, das Land Südtirol und die Post-AG haben sich auf eine Vertragsverlängerung bis 2023 verständigt. Was sieht die neue Vereinbarung vor?
Thomas Taschler: Im Großen und Ganzen ist es eine Erneuerung des bestehenden Abkommens.

Sind das gute Nachrichten für das Personal der Post?
Aufgrund des chronischen Personalmangels ist die Erneuerung des Abkommens ein zweischneidiges Schwert. Einerseits werden durch die Erhaltung der kleinen Postämter die Arbeitsplätze in den betreffenden Gemeinden gesichert, andererseits müssen die bestehenden Postämter mit immer weniger Personal auskommen. Wir sind inzwischen an dem Punkt angelangt, dass eine Person mehrere Postämter führen muss, um die Öffnung derselben, wenn auch nur an einigen Tagen der Woche, zu garantieren. Krankenstände oder Urlaube können nur noch mit sehr großem organisatorischem Aufwand ausgeglichen werden, manchmal gar nicht.

Welche Punkte im Vertrag müssen also verbessert werden?
Als interessante Klausel im Abkommen sehen wir die Zustellung der Tageszeitungen innerhalb 13 Uhr in allen 116 Gemeinden. Hier fehlt uns die Berücksichtigung der regulären Arbeitszeit der Postbediensteten, des chronischen Personalmangels und der gesamten Logistikkette. Hier sollte über eine Anpassung entweder der Arbeitszeiten oder des Zustellungszeitraums nachgedacht werden. Auch die Abdeckung von 110% durch dauerhaft angestelltes Personal scheint auf dem Papier recht viel zu sein. Bedenkt man, dass diese 10% alle kurzfristigen und längerfristigen Krankheiten, Urlaube und sonstige Abwesenheiten abdecken sollen, sind diese sehr schnell ausgeschöpft. Die im Abkommen festgelegte Vorsortierung der Post innerhalb der Zonen in alphabetischer Reihenfolge zeigt die Praxisferne des Vertrags auf. Das heißt nämlich, dass die Post im Zustellzentrum erneut sortiert werden muss, da Straßen innerhalb der Zone nicht in alphabetischer Reihenfolge sind.
Ein wichtiger Punkt ist das Recht der Verbraucher auf den Gebrauch ihrer Muttersprache. Somit werden bei der Anstellung bei Poste Italiane in Südtirol und auch in diesem Abkommen die Zweisprachigkeit der Bediensteten vorausgesetzt, diese aber nicht vergütet. Auch wird im Schlussartikel 19 angeführt: „Die Parteien einigen sich darauf, dass die etwaige Unwirksamkeit einzelner Bestimmungen der vorliegenden Erneuerung die Wirksamkeit derselben nicht beeinträchtigt und verpflichten sich, die genannte Unwirksamkeit durch einfache Nichtanwendung der betreffenden Vertragsbestimmung zu beheben.“ Ich halte diesen Artikel in dieser Form für bedenklich. Dies eröffnet meiner Meinung nach Möglichkeiten zur Rosinenpickerei.

Warum scheiterten diese Forderungen von Ihrer Seite aus?
Wir als Sozialpartner wurden leider in den Vertragsverhandlungen überhaupt nicht mit einbezogen. Es wurde nicht mit den Arbeiternehmern bzw. uns als Vertreter der Arbeitnehmer gesprochen, ob gewisse Punkte im Abkommen überhaupt praktisch umsetzbar sind. Das ist aus meiner Sicht auch mit einer der Gründe, warum die Post in Südtirol in der Vergangenheit und nun wahrscheinlich auch in Zukunft Schwierigkeiten haben wird, die an sie gestellten Anforderungen im Abkommen und gleichzeitig die Qualität des Dienstes zu erfüllen.

Seit einiger Zeit werden weniger Amazon Pakete über die Post geliefert, weshalb besorgte Angestellte sich an die Gewerkschaft gewandt haben – sie befürchten, der neue Amazon Standort in Brixen könnte zu Arbeitsplatz-Verlusten bei der Post führen. Ist das eine berechtigte Sorge?
Dies ist eine berechtigte Sorge. Wir befürchten, dass Amazon die Zustellung in den Städten und leicht erreichbaren Orten selbst in die Hand nehmen wird und somit nur noch für Amazon unbequeme Zustelladressen bei der Post verbleiben.
Das heißt im Umkehrschluss, weniger Pakete und somit weniger benötigte Postbedienstete. Unsere größte Sorge dabei ist weniger die Verlagerung der Arbeitsplätze von einem Unternehmen zum anderen. Viel mehr ist es die Nichtanwendung von Kollektivverträgen, da einige dieser Firmen „Freiberufler“ anwerben und somit die Kollektivverträge umschiffen.
Somit werden immer mehr prekäre Arbeitsplätze geschaffen.