Cultura | Salto Weekend

Im UFO der Morgensterne

Eeva Katharina Aichner gewinnt den 10. Morgenstern und ist somit neue Landesmeisterin im Poetry Slam. Michaela Grüner hat den Finalabend in Bruneck für Salto verfolgt.
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Foto: Michaela Grüner

Die Bude ist gerammelt voll. Das ist nicht oft so bei Literaturveranstaltungen. Das Nischenprodukt Literatur macht Full House. Das ist auch im Brunecker UFO nicht immer so. Es ist Morgenstern-Zeit. Der Südtiroler Landesmeister oder die Südtiroler Landesmeisterin wird gekürt. Wobei die Chancen 10 : 1 stehen, dass ein Mann die begehrte Trophäe mit nach Hause nimmt.
Lustig schon das Eintritt-Zahlen. Die Karten kosten 3 oder 5 oder 7 Euro. Man kann bezahlen, was man möchte. Logisch lege ich 7 Euro hin. Danach das Gerangel um die besten Plätze. 1. Reihe – geschafft. Die Veranstaltung beginnt fast pünktlich. Jörg Zemmler beglückt mit drei extravaganten Songs. Dann Auftritt Lene Morgenstern, Urgestein der Südtiroler Szene und über die Landesgrenzen hinaus bekannt.
Die Regeln sind schnell erklärt. Texte sollen selber geschrieben sein, sie müssen neu bzw. in der Vorrunde und im Finale nicht schon einmal gebraucht sein, man darf nur seine Stimme einsetzen, keine Kostüme und Requisiten sind erlaubt. Das sind schöne Regeln, die die Teilnehmer*innen munter brechen werden. Macht aber nix. Das Zeitlimit beträgt 6 Minuten pro Text. Im Publikum sitzen 8 Leute, die die Texte bewerten. Kapiert.
Dann kommt der Assistent, den Lene sich aus dem Publikum auswählt, und dann der Featuring Poet, das so genannte Opferlamm, dessen Text nicht in den Wettbewerb darf, sondern als Gradmesser für den Publikumsgeschmack dient. Arno Dejaco, erster Morgenstern-Sieger überhaupt, löst seine Aufgabe mit Bravour.

Leise ist das neue laut.

Und dann geht es auch schon los: Katharina Salzburger eröffnet mit einem sehr mutigen und emotional vorgetragenen Text zum Thema Kindesmisshandlung. Der, der anfängt hat es doppelt schwer, und das Thema ist kein schönes. Manuel Franco kommt im Alice-im Wunderland-T-Shirt und erzählt von der Sternentänzerin – schön, aber leider zu schnell und zu leise. Dann Ursula Niederegger mit einer gereimten Single-Geschichte. Es ist noch Luft nach oben.
Mia Via nennt sich die Startnummer vier. Ihr in Märchen verpackter Südtirol-Text kommt nur langsam in Schwung, hat zum Schluss hin aber scheinbar doch was, das mit Noten sich zu honorieren lohnt. Die älteste Teilnehmerin heißt Maria Fliri. Im Dialekt und mit feinem Humor befasst sich die ehemalige Lehrerin mit der Schule früher und heute. Sehr originell der Morgen-kreis anstelle des Morgen-gebetes und das Themenfeld „Gendern“. Die Jury ist sehr einig.
Sarah Meraner erzählt von Kinderträumen und Erwachsenenrealitäten. Sie fragt ihre Protagonistinnen, was sie so werden möchten. Piraten sagen die, Astronauten, Abenteurer oder doch besser Sängerinnen, Schauspielerinnen? Poetinnen ist die richtige Antwort, weil „Poetinnen können alles sein.“


Titelverteidigerin Ania Viero, Slam-Landesmeisterin 2018, parodiert eine Erziehungsberaterin. Und erzählt uns, was Student*innen so machen, wenn sie in einer fremden Stadt studieren. Beunruhigend. Ein gigantischer Auftritt, fürwahr, aber an Poetry Slam erinnert mich das nicht mehr. Es hat etwas von Stand-up-Comedy. Das Publikum rast, die Noten schnellen in die Höhe und Eeva Katharina Aichner hat keinen leichten Stand als 8. Im Bunde. Ihr ruhiger Text über den Mond und die Frage, die sich ihr stellt, wie es denn ist, ein Mond zu sein, reißen das Publikum zu Begeisterungsstürmen hin. Leise ist das neue laut.
Dann geht es wieder laut und (zu) temporeich weiter. Wo ist der Generationenkonflikt? Schade, dass man Anna Künig akustisch nicht immer gut versteht. Und gegen die Verkleidungsregel verstößt sie auch. Jasmin Gfader, wahrscheinlich die Jüngste im Bunde, trägt eine tragische Liebesgeschichte vor, die man ihr nicht unbedingt abnimmt.
Die letzte der ersten Runde, Evelyn Schötzer, versucht sich auswendig. Das gelingt nicht. Der kuriose, politisch angehauchte Text lässt nicht nur mich etwas ratlos zurück. Zum ersten Mal an diesem Abend ist die Jury uneinig. Der erste Durchgang ist beendet. Kommen Sie in 20 Minuten wieder.

Ich hätte nicht gedacht, dass ein Text über einen Parkettboden dem Publikum die Tränen in die Augen treibt.

An der Bar wird spekuliert und gezählt. 5 Damen sind eine Runde weiter. Ania Viero eröffnet Runde zwei. Der mehrsprachige Text ist in erster Linie Performance, beim Poetry Slam ist aber alles erlaubt. Sehr schneidig dann Maria Fliri mit einem Text, der uns glaubhaft versichert, dass Liebe nicht Raum und Zeit überdauert. Männer welken, sagt Maria Fliri. Frauen reifen.
Zum zweiten Mal laut und zu schnell auf einem Höhepunkt der Text von Anna Künig. Er hätte noch ein bisschen Überarbeitung gebraucht. Die Wertungen zum dritten Mal im Finale ziemlich hoch, es sieht nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen aus. Dann wieder Eeva Katharina Aichner. Ich hätte nicht gedacht, dass ein Text über einen Parkettboden dem Publikum die Tränen in die Augen treibt. Sie erzählt wie es ist, in einer fremden Stadt zu studieren und als verlässlichen Hebstecken den Parkettboden zu haben, der doch der gleiche wie zu Hause ist. Ich bereue, die Wertungen nicht mitgeschrieben zu haben. Das nächste Mal. Mia Via versucht sich abschließend an großen deutschen Dichtern. Haben wir so schon öfter gehört.
Die Spannung steigt. 462 Punkte, 470 Punkte, 471 Punkte. Mia Via, Anna Künig und … Eeva Katharina Aichner. Aus ihrem Gesicht weicht die Anspannung, sie muss erst mal richtig losheulen und ringt um Fassung. Danach nur noch Strahlen. Ein abwechslungsreicher, qualitativ sehr unterschiedlicher Abend geht zu Ende. Schön war’s. Und eines ist fix: 10 Jahre Morgenstern sind ein Riesenerfolg für eine Veranstaltung wie diese. Weiter so! Die Szene lebt.

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Alp Ines Dom, 09/29/2019 - 19:16

Liebe Michaela Grüner. Weißt du, was man dir an deinem Text nicht abkauft? Das "Schön war's." ganz am Ende. Du hast offensichtlich an jedem einzelnen Vortragenden und Dichtenden etwas auszusetzen. Zu leise, zu wenig durchdacht, kein gutes Thema, schon oft gehabt, zu unecht, zu laut. Du hattest eindeutig eine klare Favoritin und das ist natürlich auch dein Recht. Nur neutrale Berichterstattung sieht für mich anders aus. Ein Tipp: Man wird nicht zum Kenner oder zum guten Redakteur indem man einfach alles und jeden direkt kritisiert bzw. wäre es schön, nicht nur deine persönliche Meinung im Feedback zu lesen. Offensichtlich sind Poetry Slams nicht dein Ding. Das müssen sie ja auch nicht. Nur finde ich es schade, wenn gerade von salto eine kleine, mutige und auch sehr junge (!) Szene auseinandergenommen wird.

Dom, 09/29/2019 - 19:16 Collegamento permanente