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Die Wi-Fi-Frage

Was wird alles mit einem freien Wlan-Zugang für Flüchtlinge verbunden? Ein Überblick über die aktuelle Museions-Diskussion.

Seien wir uns ehrlich: Da mag die endgültige Heimholung der Südtiroler Energie mit einem 192-Millionen-Deal besiegelt worden sein.  Doch was am gestrigen Dienstag weit mehr bewegte, war die Frage, ob das Bozner Museion das Recht hat, sein kostenloses Wlan-Netz abzudrehen – und damit auch vielen Flüchtlingen einen der beliebtesten Plätze in der Landeshauptstadt zu nehmen, um Kontakt zu Freunden und Verwandten zu halten und an wichtige Informationen zu kommen. „Scandaloso“, „Ich schäme mich“, „nicht den Werten einer kulturellen Institution entsprechend“:  Solche Reaktionen waren nicht nur in der Facebook-Gruppe „Solidarität mit Flüchtlingen“ nachzulesen. „Ist das Problem gelöst, wenn wir Flüchtlinge und Obdachlose einfach von allen Plätzen verjagen“, wurde da in den Sozialen Netzwerken gefragt. Oder auch polemisiert: „Vielleicht sollte man wieder einmal einen "Putztrupp" zum Museion hinschicken, der sinnlose Sachen verräumt anstatt MENSCHEN zu verjagen!“.  Die bekannte Schriftstellerin Francesca Melandri meldete sich von ihrem Südtirol-Aufenthalt zu Wort und appellierte an die Museions-Führung, das Wifi-Netz wieder aufzudrehen.

Die kulturelle Mediatorin und Tunesierin Olfa Sassi, politisch für die Grünen und aktuell für die SEL aktiv, schickte ein Protest-Foto von sich an Letizia Ragaglia. PD-Exponent Alessandro Huber verbreitete im Netz die Zeichnung einer Stadt voller Hot-Spots. Der dazu gehörige Text?

"Il Wi-Fi sarebbe bene averlo libero, pubblico e diffuso in tutta la città. Per residenti, turisti e profughi. Così saremmo tutti più felici e non ci troveremmo a dover affrontare guerre tra poveri (di tasca e di spirito)."

„Keine zweite Stadtbibliothek“

Doch auch an Gegenstimmen mangelte es nicht. Der ehemalige  Gemeinderat Claudio della Ratta applaudierte der Museions-Direktorin: „Wir dürfen nicht zulassen, dass nach der größten öffentlichen  italienische Bibliothek auch das Museion zur Anlaufstelle für Clochards und Obdachlose wird.“ Wohl unverhoffte Unterstützung erhielt Ragaglia auch vom „Refugees Welcome“-Organisator Vanja Zappetti: In einem langen Facebook-Post stellte er unter anderem die Frage, ob die Verantwortung Flüchtlinge mit einem freien Internet-Zugang zu versorgen tatsächlich beim Museion liegt oder vielleicht eher bei einer der drei Bozner Aufnahmestellen für Flüchtlinge, die keinen Wlan-Zugang hat und am nächsten zum Museion liegt. Wie auch Zapetti forderte PD-Vertreterin Nadia Mazzardis zuerst die Fakten zu überprüfen bevor jemand verurteilt wird. „Alle sind großartig darin, Reden zu schwingen, doch es gibt auch konkrete Probleme, die wir gemeinsam angehen müssen“, schreibt sie auf Facebook. „Und es wäre noch besser, wenn dies geschehen würde, ohne all das für propagandistische oder rassistische Zwecke zu missbrauchen.“

Ragaglias Brief

Zu mehr Klarheit in der Sache trug am Dienstag zumindest indirekt die Museions-Direktorin selbst ein. In einem später über die Sozialen Medien verbreiteten Schreiben an die Landesräte Philipp Achammer und Christian Tommasini sowie Ressortdirektor Antonio Lampis fasste Letizia Ragaglia noch einmal ihre Standpunkt zusammen. Beim Museion habe man seit Monaten versucht, konstruktiv mit der Präsenz von Migranten umzugehen, die das unentgeltliche Wi-Fi nutzten, scheibt sie. Von Treffen und Vermittlungsprogrammen über den Transart-Chor bis hin zu einer teilweisen Abstimmung des Ausstellungsprogrammes auf das „Andere. Darüber hinaus habe ein Ex-Flüchtling den temporären Auftrag bekommen, die Situation im Auge zu behalten. Doch so problemlos sich das Zusammenleben mit den Migranten gestaltet habe, so problematisch habe sich in den vergangenen Monaten die Präsenz von weiteren Gästen entwickelt, die in Folge angezogen worden waren, schreibt Ragaglia in dem Schreiben. „Homeless, Betrunkene, die auf der Suche eines warmen Ortes, eines WCs und einer Aufladestelle des Mobiltelefons waren.“ Doch kann man sein vorwiegend weibliches Personal zu Betrunkenen in Toiletten schicken, um ihnen zu erklären, dass sie dort nicht schlafen können, fragt die Museions-Direktorin die politischen Vertreter und verweist auf die mangelnde Hilfestellung zuständiger Stellen. 

„Wir haben versucht, die Quästur zu kontaktieren, um uns eine Ronda schicken zu lassen: keine Zeit wegen dem Christkindlmarkt. Ich war persönlich bei Vize-Kommissarin De Carlini und habe sie um Hilfe gebeten, wir haben dem Regierungskommissariat einen Brief geschrieben - keine Antwort. Wir haben Volontarius und Caritas um Hilfe gebeten: zu besetzt wegen Notsituation. Ich habe auch weiterhin die Stadt Bozen um Hilfe gebeten, aber mir wurde gesagt, dass die Stadtbibliothek in einem ärgeren Zustand ist.“

Da im Museion über die Weihnachtsferien mit stark reduziertem Personal gearbeitet werde und die Büros bis 7. Jänner geschlossen bleiben, habe sie die Situation weder für das Personal noch für die Besucher weiter verantworten können, so Letizia Ragaglia. Die Entscheidung, das Wi-Fi abzudrosseln, sei aber nur temporär getroffen worden. „Im Jänner werden wir dann entscheiden, ob wir nur eine begrenzte Wi-Fi-freie Zone ins Leben rufen oder ein Password einführen“, so die Museions-Direktorin. Inputs und Anstöße dafür dürfte sie in diesen Tagen wohl ausreichend erhalten.