Ambiente | Borkenkäfer

Nicht zu stoppen?

Trotz intensiver Bemühungen gelingt es anscheinend nicht, den Borkenkäfer zu stoppen. Welche Maßnahmen gegen die Plage ergriffen werden, war Thema einer Pressekonferenz.
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Foto: LPA/Fabio Brucculeri
Auf großes Interesse stieß gestern (10. Oktober) die Landespressekonferenz zum Thema „Borkenkäfer: Die Schäden, die Gefahren, die Maßnahmen, die Prognosen“. Welche Anstrengungen Förster und Waldeigentümer unternommen haben und mit welchen Prognosen zu rechnen ist, das erklärten Arnold Schuler, Landesrat für Land- und Forstwirtschaft, Günther Unterthiner, Direktor der Landesabteilung Forstwirtschaft, sowie Peter Prader, Wald- und Sägewerkseigentümer aus Villnöss.
„Vor fünf Jahren hätte die Antwort auf die Frage, wie es dem Südtiroler Wald geht, gelautet: gesund und vital“, erläuterte eingangs Arnold Schuler. Das Sturmtief Vaia im Jahr 2018, von welchem rund 6.000 Hektar Wald betroffen waren und welches eine Spur der Verwüstung zurückgelassen hatte, die flächendeckenden Schneedruckereignisse in den Jahren 2019 und 2020, wo ebenfalls rund 6.000 Hektar Wald Schaden genommen hatten, und in der Folge davon das massenhafte Auftreten des Borkenkäfers haben die Situation jedoch grundlegend verändert.
 
Ich bin sehr besorgt, nicht nur über die wirtschaftlichen Folgen.
 
Durch dieses Insekt werden Schäden angerichtet, wie man sie in diesem Land noch nie gesehen hat. In Bezug auf die Sturmschäden sei es gelungen, in Zusammenarbeit mit den Waldbesitzern, der Forstbehörde, den Interessentschaften sowie allen Beteiligten innerhalb relativ kurzer Zeit einen Großteil des schadhaften Holzes aufzuräumen. Im Bezug auf die Schneedruckschäden gestalteten sich die Aufräumarbeiten schon wesentlich schwieriger, weil die schadhaften Bäume verstreut lagen und die Arbeiten teilweise in sehr schwierigem Gelände verrichtet mussten. Eine besondere Herausforderung sei nun die Borkenkäferproblematik. Das Problem lasse sich nicht genau lokalisieren, weiters seien keine abgeschlossene Bereiche betroffen, sondern das Problem trete mittlerweile flächendeckend auf und sei zudem von der Wettersituation abhängig. „Mit der Borkenkäferplage werden wir wohl auch in den kommenden Jahren zu kämpfen haben“, so Schuler, der betonte: „Ich bin sehr besorgt, nicht nur über die wirtschaftlichen Folgen, mit denen vor allem die Waldbesitzer zu kämpfen haben, sondern auch wegen des Landschaftsbildes und letztendlich aus Gründen des Zivilschutzes. Der Wald hat bei uns eine sehr wichtige Funktion, nämlich die Schutzfunktion, die durch solche Ereignisse natürlich in Mitleidenschaft gezogen wird“, so Landesrat Schuler. 60 Prozent des Waldes sind als Schutzwald eingetragen, 24 Prozent als Objektschutzwald. Unmittelbar unter Waldgebieten verlaufen Straßen oder befinden sich Häuser und Dörfer. Wenn der Schutz durch den Wald verloren geht, muss mit technischen Bauten nachgeholfen werden, die aufwändig sind, landschaftlich alles andere als schön und zudem mit hohen Kosten verbunden. „Es gilt hier, die richtigen Strategien zu finden“, betonte der Landwirtschaftslandesrat.
 
 
 
Wie Günther Unterthiner, Direktor der Landesabteilung Forstwirtschaft, erklärte, wurden vor 2018 zwischen 700.000 und 800.000 Kubikmeter Holz aus den Wäldern entnommen. „Mittlerweile sind über vier Millionen Kubikmeter an Schadholz angefallen“, so Unterhiner, der betonte, dass die Aufarbeitung eine immense Herausforderungen darstelle. Zum einen handle es sich dabei um eine sehr gefährliche Arbeit, wofür es ausgebildete Spezialarbeiter und Unternehmen brauche. In Südtirol gebe es jedoch zuwenig Unternehmen, welche die Aufarbeitung dieser Masse an Holz bewältigen könnten. Zum anderen stehe man aufgrund des fluktuierenden Holzpreises vor einer schwierigen ökonomische Situation, was für die Waldbesitzer mit einer Reihe von Schwierigkeiten verbunden sei. „Wir haben einen Überfluss an Energie-Holz“, erklärte der Forst-Direktor und betonte, dass es schwierig sei, Abnehmer dafür zu finden. Unterhiner sprach in weiterer Folge auch das Problem der fehlenden Bindung mit dem Grund und Boden an. Bei manchen Waldbesitzern sei der Wille nicht sehr groß, das Schadholz schnell aus dem Wald zu entnehmen.
 

Maßnahmen

 

Nach Vaia wurden 2.629 Gesuche bearbeitet und 21,4 Millionen Euro an Beiträgen an die betroffenen Waldbesitzer ausgezahlt, über 14 Millionen Euro wurde in Form von Eigenregie geleistet, erklärte Unterthiner. Bis September 2022 wurden knapp 3.400 Gesuche für die Schadholzverbringung bearbeitet, was zusätzlich rund 9,8 Millionen Euro entspricht. Rund drei Millionen Kubikmeter Holz wurden seit 2018 aufgearbeitet. In den Datenbanken scheinen mittlerweile fünf Millionen Kubikmeter Schadholz auf, wobei zu dieser Menge noch einmal eine Million Kubikmeter Holz hinzukommen, die der normalen Nutzung entsprechen. „All diese Maßnahmen widersprechen jeglicher Kritik, dass in den Wäldern nichts unternommen und nicht gearbeitet worden ist. Den Waldeigentümern müssen wir daher ein großes Kompliment aussprechen“, betonte Unterthiner. Auch bzgl. der Förderungen habe man versucht, Anpassungen vorzunehmen. Im Frühjahr seien beispielsweise Fangbäume bezuschusst worden, diese Maßnahme wurde vor Kurzem mit einem Entrindungsbeitrag ergänzt. Weiters habe man eine flächenbezogene Schutzwaldförderung eingeführt. Wenn in Absprache zwischen Waldbesitzer und Forstbehörde Maßnahmen in einem Schutzwald umgesetzt werden, so werden dafür 3.000 Euro pro Hektar bei einer Hangneigung von über 70 Prozent und 2.000 Euro pro Hektar bei einer Hangneigung von unter 70 Prozent zur Verfügung gestellt. Damit werde der Fokus auf die Schutzfunktion des Waldes gerichtet. Weiters wurden umfangreiche Aufforstungsarbeiten auf rund 1.000 Hektar durchgeführt und rund eine Million Bäumchen gepflanzt. Unmittelbar nach dem Sturmtief Vaia sei ein Monitoring eingeführt worden, mit Unterstützung von Professor Andrea Battisti von der Universität Padua, der mittlerweile zu den wissenschaftlichen Beratern des Forstamtes zählt. Derzeit seien 100 Pheromonfallen im Einsatz, mit welchen man das Aufkommen des Borkenkäfers beobachtet. Während man 2019 noch durchschnittlich 600 Exemplare in diesen Fallen aufgefunden hatte, waren es im Jahr 2022 bereits beinahe 3.500 Borkenkäfer.
 
 
 
Seit heuer nehme man an am Projekt „Phenips“ teil, mit welchem eine Risikoanalyse zum Auftreten des Borkenkäfers erstellt wird  ein Modell, das von der Universität für Bodenkultur in Wien, für Österreich ausgearbeitet worden ist. Nun wurde es auch auf die Provinzen Bozen und Trient ausgeweitet. Mittlerweile wurde auch eine Borkenkäfer-Task-Force eingerichtet, die Forst internen Richtlinien mussten inzwischen zum dritten Mal angepasst werden. Diese zielen auf das übergeordnete und gesellschaftliche Interesse des Schutzwaldes ab.
Wie der Forstdirektor weiters erklärte, sei aus den Statistiken ein Temperaturanstieg ablesbar. So lagen die Temperturen bei den Messstationen in Brixen, Bruneck und Corvara um 1,6 bis 2,5 Grad höher als im Vergleich zu den Jahren 1991-2020. Dieser Temperaturanstieg wirkt sich ungünstig auf den Wald aus und fördert die massenhafte Entwicklung des Borkenkäfers, die um zwei bis drei Wochen beschleunigt wird. Hinzu kam heuer eine Trockenheit, welche den Wald in eine Stresssituation versetzt hat.
Zukünftig wolle man verstärkt mit der Wissenschaft zusammenarbeiten, die betroffenen Gebiete kartographieren sowie die Prioritäten überdenken. Weiters sind in den kommenden Wochen Informationsveranstaltungen geplant, in denen die Bevölkerung über die Situation informiert werden soll. „Wir möchten das Zeitfenster nutzen, das sich dadurch ergibt, dass der Borkenkäfer bis Mitte April unter der Rinde oder im Boden überwintert, um gut gerüstet für das nächste Jahr zu sein“, so Unterhiner.
 

„Fordern unbürokratische Hilfe“

 
Wie der Wald- und Sägewerks-Besitzer Peter Prader aus Villnöss erklärte, sei die gesamte Situation während der vergangenen vier Jahre auf den Kopf gestellt worden. Bisher habe man große Sturmereignisse nur von der Nordseite der Alpen gekannt. Immer wieder habe es in Deutschland und Österreich große Windwurfereignisse gegeben mit anschließendem massiven Borkenkäferbefall.
 
 
Bis vor Kurzem sei Südtirol jedoch davon verschont gewesen. Vom Sturmtief und dem Schadensausmaß sei man deshalb überrascht worden. Wie Prader erklärte, seien die Aufarbeitungsarbeiten zügig vorangegangen. Allerdings haben die Schneedruckereignisse der Folgejahre die Waldbesitzer erneut vor große Herausforderungen gestellt. Die Mehrheit der Betroffenen habe sich zwar bemüht, das Schadholz aus dem Wald zu entfernen, rein technisch sei es jedoch nicht möglich gewesen, diese ungeheure Menge aufzuarbeiten. In der Folge nistete sich darin der Borkenkäfer ein.
 
Wir sind dem Borkenkäfer immer hinterhergerannt.
 
„Wir sind dem Borkenkäfer immer hinterhergerannt“, schilderte Prader die Situation und erklärte, dass man einen derart starken Befall trotz aller Bemühungen nicht verhindern konnte. Weder an die Forstbehörde noch an die Politik dürfe man deshalb Schuldzuweisungen richten, „ich erwarte mir aber klare Richtlinien, und zwar für jedes Gebiet dieselben“, betonte der Villnösser Sägewerksbesitzer, der erklärte: „Wenn die Wirtschaftlichkeit nicht gegeben ist, wird im Wald nichts mehr gearbeitet.“ Unbürokratisch und schnell müsse daher die Hilfe sein, so Prader.
 
 
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Herta Abram Mar, 10/11/2022 - 11:49

"Rechtzeitiges Gegensteuern im Klimaschutz", scheint unaussprechbar für Arnold Schuler zu sein, bzw. kein Thema zu sein, - um Hand in Hand mit Forstschutz und an die veränderten Bedingungen angepasste Waldbaumaßnahmen.

Mar, 10/11/2022 - 11:49 Collegamento permanente
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Walter Kircher Mar, 10/11/2022 - 14:42

... das klingt nach Ratlosigkeit ...!
SCHUTZ-wald! - Sind sich die Verantwortlichen wirklich im Klaren, was auf dem Spiel steht?!
Könnte irgend ein MEHL vom Hubschrauber aus, die Schädlinge vergraulen?

Mar, 10/11/2022 - 14:42 Collegamento permanente