Wirtschaft | Obstwirtschaft

Ein Preis mit vielen Fragezeichen

Von welchen Faktoren hängt der Preis ab, der für Äpfel erzielt wird? Welche kurz- und langfristigen Trends sind zu erwarten?

Seit Mitte August läuft die Apfelernte in Südtirol auf Hochtouren. Sorte für Sorte wird von den Bäumen auf den über 18.000 Hektar Apfelwiesen gepflückt. Eine Frage steht jedes Jahr im Raum: Wie viel erhalten die Bauern für ihre Ernte?

Auf knapp eine Million Tonnen belief sich die Apfelproduktion in Südtirol im vergangenen Jahr insgesamt. Fast die Hälfte davon machten die Sorten Golden Delicious (319.641 Tonnen), Gala (146.968 Tonnen) und Red Delicious (100.599 Tonnen) aus.

Mitte jedes Monat veröffentlicht das Wirtschaftsforschungsinstitut der Handelskammer WIFO die Großhandelspreise für Äpfel. Ein Blick auf die letzte Preisliste zeigt: Im Vergleich zum August 2018 sind die Großhandelspreise der “Zugpferde” Golden Delicious und Gala im August 2019 stark zurück gegangen – um bis zu 71 Prozent:

 

Es ist eine Momentaufnahme. Und doch hat man bei der größten Obstgenossenschaft des Landes bereits reagiert. Der VOG will etwa Golden-Delicious-Anbauflächen deutlich reduzieren und durch andere Sorten ersetzen. Denn es habe sich gezeigt, dass aufgrund der großen Produktionsmengen traditionelle Märkte wie Italien und Spanien gesättigt seien und neue Absatzmärkte andere Apfelsorten bevorzugten, heißt es aus dem VOG. Dort stellt man sich insgesamt auf einen “harten Preiskampf bei den klassischen Sorten” ein.

Wie aber kommt der Apfel-Preis zustande? salto.bz hat beim WIFO der Handelskammer nachgefragt, wo Nicola Riz den Bereich Wirtschaftsinformationen und Wirtschaftsanalysen betreut.

salto.bz: Herr Riz, wie entsteht den Großhandelspreis für – Südtiroler – Äpfel? Welche Ursachen gibt es für Preisschwankungen?

Nicola Riz: Der Preis für Äpfel wird weitgehend durch die Angebotsschwankungen bestimmt. Witterungsbedingungen wie Spätfrost, Hagel, Dürre oder übermäßige Hitze verursachen Schäden und beeinflussen somit in erheblichem Maße die Obstproduktion. Infolgedessen hängt der Marktpreis von der Erntemenge in den wichtigsten Erzeugerländern wie Polen, Italien, Frankreich und Deutschland ab. So kann zum Beispiel ein starker Produktionsrückgang in Polen einen Anstieg der Verkaufspreise für Südtiroler Äpfel verursachen. Darüber hinaus kann ein vorzeitiger Abbau der Lagerbestände zu Preissteigerungen in den letzten Monaten der Vermarktungssaison führen, vor allem bei besonders niedrigen Ernten. Das geschah beispielsweise letztes Jahr.

Gibt es weitere Faktoren, die den Preis beeinflussen?

Auch politische Ereignisse in wichtigen Absatzmärkten können sich direkt auf die Nachfrage auswirken, wie z.B. das russische Importverbot oder die Krisen in Nordafrika. Und schließlich kann ein Wandel der Verbraucherpräferenzen zu Preisänderungen führen. Diese Wirkung ist jedoch eher langfristig spürbar: Beispiele dafür sind der positive Trend bei Bio-Äpfeln und die Änderungen bei den Vorlieben der Konsumenten für bestimmte Sorten.

Wie hat sich der Großhandelspreis für Äpfel und die wichtigsten in Südtirol angebauten Sorten in den vergangenen Jahren verändert?

Im Allgemeinen war der europäische Apfelmarkt in den letzten Jahren durch ein Überangebot gekennzeichnet. Dieser Überschuss hat ein eher niedriges Preisniveau verursacht – was gut für den Verbraucher ist, nicht aber für die Produzenten. Das WIFO verfolgt ständig die Entwicklung der Großhandelspreise der wichtigsten Südtiroler Apfelsorten: Die Preise für Golden Delicious, Gala und Red Delicious liegen derzeit in etwa auf dem Niveau von 2010. Allerdings gab es in diesem Zeitraum wesentliche Schwankungen: Beispielsweise waren die Preise in den Landwirtschaftsjahren 2013/2014 und 2017/2018 besonders hoch.

Welche Tendenz ist für die Zukunft zu erwarten?

Laut den Schätzungen, die Anfang August im Rahmen der jährlichen Versammlung “Prognosfruit” vorgestellt wurden, liegt die Apfelernte in Europa heuer bei rund 10,57 Millionen Tonnen. Das entspricht einem Minus von 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. In Polen wird sogar ein Rückgang um 44 Prozent erwartet, aufgrund von starkem Spätfrost im Frühjahr. Auch in den für unsere Exporte relevanten Nachbarländern ‒ Österreich und Deutschland ‒ wird mit einem deutlichen Produktionsrückgang gerechnet. Unter den europäischen Hauptproduzenten erwartet nur Frankreich wachsende Ernteerträge.

Mit welchen Folgen?

Der Rückgang der europäischen Apfelproduktion wird voraussichtlich zu einem deutlichen Anstieg der Preise führen. Das wird auch den Südtiroler Produzenten zugutekommen, nicht zuletzt, weil in unserem Land kaum Ernteausfälle zu verzeichnen sind. Für Südtirol dürfte die Produktion nämlich mit rund 990.000 Tonnen auf dem Vorjahresniveau bleiben. Nach Angaben der Produzenten haben sich jedoch das kühle Frühjahr und die große Sommerhitze negativ auf die durchschnittliche Größe der Früchte ausgewirkt.

Mit welchen Entwicklungen ist auf lange Sicht zu rechnen?

Langfristig werden außergewöhnliche klimatische Bedingungen die Apfelproduktion immer stärker beeinflussen. Extreme Wetterereignisse, zusammen mit dem Auftreten neuer Schädlinge wie die marmorierte Baumwanze, könnten die Erträge gefährden. Darüber hinaus stellt die zunehmende internationale Konkurrenz eine große Herausforderung für den Südtiroler Obstsektor dar. Weitere Unsicherheiten kommen aus einigen wichtigen Importländern wie zum Beispiel Großbritannien: Ein negativer Schock durch einen ungeregelten Brexit könnte direkte Auswirkungen auf die Apfelpreise haben.

Wie unterscheidet sich der Großhandelspreis vom Auszahlungspreis für die Apfelproduzenten?

Der Großhandelspreis betrifft die Transaktionen zwischen Wirtschaftsteilnehmern. Es ist der Preis, zu dem die Genossenschaft das Obst an Verteiler, Großhändler und Verarbeiter verkauft. Der erwirtschaftete Ertrag wird von der Genossenschaft nach Abzug der Betriebskosten an die Bauern verteilt, in Form von Auszahlungen für das angelieferte Obst. Der Auszahlungspreis ist somit mit dem Großhandelspreis eng verbunden.

Bild
Profil für Benutzer Sepp.Bacher
Sepp.Bacher Do., 03.10.2019 - 15:03

"Dieser Überschuss hat ein eher niedriges Preisniveau verursacht – was gut für den Verbraucher ist, nicht aber für die Produzenten". Meine Frage: Wo zeigt sich das in der Realität. In Südtirols Supermärkten kostet 1 kg Äpfel mindestens 2 €. Und das unabhängig, ob der Apfel schon im Herbst verkauft wird oder erst im nächsten August nach langer Lagerzeit mit vielen zusätzlichen Spesen. Ebenso kann man beobachten, dass in München Südtiroler Äpfel billiger angeboten werden, als bei uns. Wohl wegen der einheimischen Konkurrenz. Diese liefert aber mehr Vielfalt und Auswahl an Apfelsorten; den guten und schmackhafte Elstar z. B. und noch andere Sorten, die bei uns gar nicht mehr wachsen. Am Münchner Viktualienmarkt gibt es auch einen Stand, der in der Regel an die 15 verschiedene Apfelsorten anbietet- eben von Bodensee!
Solange wir die sind, welche die höchsten Preise zahlen, kaufen viele ihr Obst lieber von auswärts und vom Übersee, trotz aller Transportspesen!

Do., 03.10.2019 - 15:03 Permalink