Umwelt | Waldsterben

„Hoffen und beten“

Südtirols Wälder sind in Gefahr. Der Mensch hat nur eingeschränkte Waffen gegen den Borkenkäfer zur Hand. Es bleibt nur „hoffen und beten“, sagt Landesrat Schuler.
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Foto: LPA

Vergangene Woche fand der SVP-Bauernvertreter Franz Locher in der Landtagssitzung deutliche Worte: Das Sturmtief Vaia, der hohe Schneedruck während der vergangenen beiden Jahre, die Witterungsverhältnisse der letzten Wochen und die Klimaerwärmung haben die Vermehrung der Borkenkäfer ungemein begünstigt. Das gesamte Schadholz aufzuräumen und damit die explosionsartige Vermehrung einzudämmen war offenbar nicht möglich. „Kaum jemand interessiert sich für Südtirols Wälder“, mahnte Locher vor allem in Richtung Landwirtschaft bzw. Waldbesitzer an. Rechts und links neben den Forststraßen und den Wanderwegen sei zwar aufgeräumt worden, aufgrund der niederen Preise habe man sich aber ansonsten kaum um den Zustand der Wälder gekümmert. Die Holzfäller-Firmen haben alle Hände voll zu tun, weshalb ein weiterer Preisverfall beim Schadholz droht, während Schnittholz der ersten Wahl kaum noch erhältlich sein wird, prognostizierte der Landtagsabgeordnete. Es ist deshalb davon auszugehen, dass das Interesse, tote oder kranke Bäume aus dem Wald zu entnehmen, noch weiter sinken wird. „Ich bin der Meinung, dass wir einen Arbeitstisch einrichten sollten, um auszuloten, was gegen diese Plage unternommen werden kann“, so Locher an Landwirtschaftslandesrat Arnold Schuler gerichtet.

 

 

Verheerende Ausmaße

 

Auf Nachfrage von Salto.bz bestätigte Landesrat Schuler, dass die Schäden durch den Borkenkäfer inzwischen verheerend sind. Das Phänomen habe sich im vergangenen Jahr vor allem auf den Osten des Landes konzentriert. Besonders betroffen sind das Gadertal und das Oberpustertal, wo Flächen von über 500 Hektar befallen sind. Inzwischen breitet sich der Borkenkäfer, genauer gesagt der Buchdrucker (Ips typographus), eine Unterfamilie der Borkenkäfer (Scolytinae), sich auf das gesamte Land aus. Diese Käferart legt ihre Brutkammern in der Rinde der Wirtsbäume an. Durch den Fraß der Käfer, vor allem aber der Larven, wird der Pflanzensaftfluss des Baumes unterbrochen, was zum Absterben der Bäume führen kann. Der Buchdrucker befällt vor allem die Fichte. Diese kann normalerweise durch die Absonderung von Harz Insekten abwehren. Ist der Baum allerdings geschwächt, kann er durch relativ wenige Borkenkäfer überwältigt werden. Bei geeigneter Witterung, sprich trocken, heiß und windstill, können derartige Brutherde zum Ausgangspunkt von Massenvermehrungen werden. Unabhängig von der Vitalität der Bäume können den Käfern ganze Bestände zum Opfer fallen. Mittlerweile sind zudem nicht mehr nur die Fichten betroffen, sondern auch andere Baumarten wie Lärchen, Zirben, Douglasien, Weymouthskiefer, Schwarzkiefer und Weißtannen.

 

 

Wie sich die Lage im Sommer entwickelt, wird man erst in einigen Wochen sagen können, erklärt Schuler, „aber wir befürchten Schlimmes“. Wie in Deutschland, wo nach dem Krieg die Wälder mit schnell wachsenden und nicht unbedingt an den Standort angepassten Bäumen, aufgeforstet wurde, zeigte sich auch im Vinschgau ein ähnliches Problem. Im Westen des Landes wurden viele Schwarzföhren gepflanzt. Der Klimawandel hat bei diesen Bäumen einen sogenannten Trockenstress bewirkt. Auch Fichten, die unterhalb von 1000 Metern wachsen, leiden besonders. So geschwächte Bäume werden in aller Regel als erste befallen. Sind es mehr als 350 Käfer, ist der Widerstand des stärksten Baumes gebrochen. Selbst die gesunden Bäume haben der schieren Masse an Schädlingen nichts mehr entgegen zu setzen. Laut Landesrat Schuler sei die Situation stark wetterabhängig. Durch ungünstige Witterungsbedingungen und anderer natürlicher Faktoren können Käfer-Populationen zusammenbrechen. Die Frage sei, ob oder wann das passieren wird.

Fehlen die großen und starken Bäume, welche für die Stabilität des Hanges sorgen, drohen Muren, Hangrutschungen und Lawinen.

Zwar erhole sich die Natur wieder, es vergehen jedoch Jahrzehnte bis ein Jungwald wieder nachgewachsen ist. Anders als beispielsweise in Deutschland hat der Wald in Südtirol jedoch eine Mehrfachfunktion. Er ist nicht nur Natur- und Wirtschaftsraum, sondern 60 Prozent des Waldes sind Schutzwald, 24 Prozent sind Objektschutzwald. „Unterhalb der Schutzwälder liegen Infrastrukturen, Wohngebiete, Straßen, Stromleitungen. Fehlen die großen und starken Bäume, welche für die Stabilität des Hanges sorgen, drohen Muren, Hangrutschungen und Lawinen. Ohne den Schutzwald müsste ein riesiger technischer Aufwand betrieben werden bzw. massive Schutzbauten errichtet werden, um die darunter liegenden Gebiete zu schützen“, so Schuler. Die unästhetischen Bollwerke kosten dabei nicht nur jede Menge Geld, sondern sind auch nur in einem bestimmten Ausmaß realisierbar. Sind hunderte Hektar betroffen, sind solche Schutzbauten nicht mehr umsetzbar.

 

 

Doch was gegen die Käferplage tun? Die Antwort von Landesrat Schuler stimmt nicht sehr zuversichtlich: hoffen und beten. Denn auch die Möglichkeiten, dieser Käferplage Herr zu werden, sind begrenzt. Selbst bei Ausschöpfen aller zur Verfügung stehenden Möglichkeiten wie beispielsweise dem Einsatz von Käferfallen, kann der Schaden nur auf ein Drittel reduziert werden. „Alles andere muss die Natur regeln und ist vom Wetter abhängig“, so der Landesrat, der die Waldbesitzer dazu aufruft, in Zusammenarbeit mit den Forstbehörden die Situation zu beobachten, Schadholz zu entrinden und zu entfernen, um den Borkenkäfern keine Brutplätze zu bieten.