Kultur | Salto Afternoon

K20 - Kunstgipfel

Über PolitikerInnen als Flüchtlinge, wandelnde Zombies, einem Gipfelkabarett und dem Aufruf zum Tyrannenmord.
Kollektiv 1000 Gestalten
Foto: Andrea Ruester

Kim Jong-un ist ein verängstigtes Kind, Baschar al-Assad schützt sich mit einem Papierboot vor den Fluten, Donald Trump sucht nach seiner im Krieg verschwundenen Familie und Angela Merkel sitzt mit Kopftuch und traurigem Blick inmitten eines Hahnenkampfes. Dass der deutsch-syrische Künstler Abdalla Al-Omari noch bis morgen in Hamburg ausstellt, dürfte wohl kaum Zufall sein. Seine Bilder drängen die Mächtigen der Welt in die Rollen von Marginalisierten und Flüchtenden und halten die sonst so strammstehende Elite in Momenten der Verzweiflung und Verwundbarkeit fest.

 

 

Die Protestaktionen gegen den heutigen G20 Gipfel in Hamburg sind in aller Medien und Munde. Auch die Kunstwelt mischt mit und bezieht Position(en). Das Alma Hoppes Lustspielhaus eröffnet kurzerhand einen Kabarettgipfel nach dem Motto "Macht endlich Euren verdammten Job!", bei dem 20 KünstlerInnen aus 20 Ländern den Weltfrieden ausdiskutieren.

Andere Kunstaktionen wiederum treten aus den Theatern und Museen heraus und mischen sich unter die Massen. So auch das Kollektiv 1000 Gestalten. Die Performer, die ähnlich wie die „Grauen Männer“ in Michael Endes Momo aussehen, ziehen wie Zombies durch die Straßen der Stadt. Sie sind von Kopf bis Fuß mit Lehm überschüttet und brechen erst während der Demo aus ihren Lehmpanzern aus um ihr buntes Dasein zu enthüllen. Die Aktion ist ein Aufruf das eigene Zombiedasein abzulegen und selbst politisch aktiv zu werden.

Ein Aufruf aufzuwachen kommt auch vom Street-Art-Duo Sutosuto: Ein riesengroßes Portrait des eingenickten Donald Trumps schmückt seit kurzem die Reeperbahn. "Mensch, wach auf" steht kleingedruckt in der Ecke. Interessanterweise ist das Portrait Teil der Werbeaktion einer Kola-Marke ist, die sich offen gegen den G20 positioniert.

 

 

Die radikalste Aktion gegen das Gipfeltreffen ist jene des umstrittenen Zentrums für politische Schönheit: gehisste Fahnen, Banner und T-Shirts mit der Aufschrift „Tötet Erdogan“. Stark an die Schlingensief`sche Kunst angelehnt, wird die Aktion von der Allgemeinheit jedoch kaum als „Kunst“ wahrgenommen. Seit zwei Tagen ergänzt ein Sternchenverweis den Slogan mit „Nehmen Sie das auf keinen Fall ernst!“ und trotzdem bröckelt die Fassade der „Kunstaktion“. Wie ernst ist der Aufruf zum Diktatorenmord wirklich gemeint?

Wo liegt die Grenze zwischen politischen und künstlerischem Aktivismus? Muss es überhaupt eine geben?

Die Aktionen bieten ein Spielfeld um Artivismus zu diskutieren und sein Ziel in Frage zu stellen. Es geht um das gemeinsame Sichtbarmachen von Unzufriedenheit und den Wunsch nach Veränderung: den Mächtigen die Stirn bieten und die eigene Stimme hörbar machen. Provokation ist ein großartiges Mittel um dies zu erreichen, doch auch hier kann differenziert werden: Die Spanne vom Politiker-Bashing bis hin zu Aufrufen zum Tyrannenmord im Rahmen einer Kunstaktion ist breit genug, um Platz für konstruktiven Kunstaktivismus zu bieten.

Auch Südtirols Kunstszene ist reich an gesellschaftlichem Aktivismus. Jener der sich explizit gegen die Politik richtet findet sich jedoch selten. Ob dies an der allgemeinen Zufriedenheit mit unserer Politik oder an der mangelnden Sichtbarmachung von politikkritischer Kunst liegt, sei dahingestellt. Fakt ist: das Stichwort „Gipfel“ lässt genug Inspirationsraum für zukünftige Projekte.

 

 

 

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gorgias Sa., 08.07.2017 - 11:48

Südtiroler Künstler sind nicht gegen die Politik kritisch, weil sie Beiträge erhalten oder zumindest erhoffen es in Zukunft zu tun. Die Fressen sich an den Töpfen satt und sind dann unfähig noch eine kritische sozialpolitische Haltung einzunehmen.

Wer sich ansieht wie man es geschafft hat Künstler indirekt für die Kommerzialisierung des Hofburggartens einzuspannen, dann kann man sich nicht erwarten, dass von dort noch eine kritische Stimme kommen kann.

Mit der Förderung des Projektes 50x50x50 und dem Organisator Hartwig Thaler hat man sich wohl einen treuen Hofkünstler herangezogen.

Sa., 08.07.2017 - 11:48 Permalink