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Krisensitzung am Vormittag

Die Lega startet einen Frontalangriff auf das Athesia-Monopol. Die Journalistengewerkschaft tritt als Ebners Amtsverteidiger auf. Hintergründe einer fragwürdigen Aktion.
Dass sich Journalisten um 9 Uhr früh zu einer Sitzung treffen, hat eher Seltenheitswert. Vor allem in der regionalen Journalisten-Gewerkschaft (FNSI). Heute früh war es soweit. Der Vorstand traf sich zu einer Krisensitzung.
Regionalsekretär Rocco Cerone, seine beiden Stellvertreter Peter Malfertheiner und Lorenzo Basso, sowie die Vorstandsmitglieder Marco Angelucci, Monica Casata, Angelo Conte, Ubaldo Cordellini, Silvia Fabbi, Heinrich Pernter, Stefan Wallisch, Brigitta Willeit und Roberto Rinaldi kamen zu einer am Montag einberufenen Dringlichkeitssitzung zusammen.
Es war eine kontroverse Aussprache, in der es um die Klärung einer Grundsatzfrage ging: Kann sich eine seriöse Gewerkschaft einen Bückling vor einer Medienmacht erlauben? Und diesen dann auch noch als Einsatz für die Pressefreiheit verkaufen?
Denn genau das ist am vergangenen Wochenende geschehen.
 

Angriff der Lega


Seit langem diskutiert man in der Landespolitik und auch im römischen Parlament – meistens hinter vorgehaltener Hand – über einen gesetzlichen Eingriff, der das Medienmonopol des Verlagshauses „Athesia“ in der Region einschränken soll. Vor Jahren war es die 5-Sterne-Bewegung und der Trentiner Unterstaatssekretär Riccardo Fraccaro, die eine Gesetzesinitiative genau in diese Richtung angekündigt haben. Danach wurde es aber ruhig. „Wir haben dieses Vorhaben nicht vergessen“, erklärte Fraccaro vor vier Wochen gegenüber Salto.bz, „aber derzeit gibt es andere Prioritäten“.
 
 
Jetzt aber kommt der Angriff auf das Athesia-Monopol aus einer Ecke, aus der man ihn nicht erwartet hätte. Athesia-Patron Michl Ebner hat seit langem in der Lega einen neuen politischen Ansprechpartner gefunden. Es ist kein Zufall, dass die Lega den langjährigen SVP-Parlamentarier und Handelskammerpräsidenten in die Sechser- und Zwölferkommission entsandt hat. Jetzt aber scheint es in dieser Liaison zu einem ernsthaften Zerwürfnis gekommen zu sein.
Der Grund dafür dürften die Gemeinderatswahlen im Trentino sein. Die Trentiner Lega wirft den Athesia-Tageszeitungen „Il trentino“ und „L´Adige“ vor, die politische Konkurrenz publizistisch gefördert und die Mitte-Rechts-Kandidaten zu wenig unterstützt zu haben. Als Retourkutsche startet die Lega jetzt einen Frontalangriff auf das Athesia-Medienmonopol.
 

Keine Hinterbänkler

 
Denn die Lega hat am Wochenende eine Anfrage im Parlament öffentlich gemacht. Dabei kommt die Initiative nicht von Hinterbänkler, sondern von den Abgeordneten Alessandro Morelli, der innerhalb der Lega für das Verlagswesen zuständig ist und Massimiliano Capitanio, Sekretär der parlamentarischen Überwachungskommission der RAI­­. Zudem stehen auch die Trentiner Lega-Abgeordneten Vanessa Cattoi, Diego Binelli, Martina Loss und Mauro Sutto hinter der Initiative.
 
 
In der Pressemitteilung der Lega-Parlamentarier heißt es:
 
Oltre a Dolomiten, Trentino e Alto Adige ad Athesia appartengono anche L’Adige e Radio Dolomiti. Di fatto, il gruppo ha il monopolio editoriale assoluto nel campo della carta stampata controllando l’informazione sia italiana che tedesca dell’intera regione.
Presenteremo nelle prossime ore alla Camera un’interrogazione al presidente del Consiglio, Giuseppe Conte, per sapere quali iniziative il governo intende avviare per garantire il pluralismo dell’informazione in Trentino-Alto Adige Südtirol e scongiurare il pericolo di una concentrazione dei media in capo ad un unico editore. A suo tempo il sottosegretario Fraccaro si era positivamente impegnato a predisporre una legge che impedisse la concentrazione esagerata di media nelle mani di un solo soggetto anche su base locale. Ci auguriamo che prosegua in questa direzione. E’ un tema non più rinviabile, a maggior ragione nei territori con particolari contingenze storico-politiche”
 
Der Kampf scheint damit eröffnet.
 

Der Bückling

 
Diese Pressemitteilung der Lega war kaum veröffentlicht, da folgte bereits eine offizielle Erklärung der Journalistengewerkschaft. Unterzeichnet vom nationalen FNSI-Chef Raffaele Lorusso und vom regionalen Gewerkschaftssekretär Rocco Cerone, der die Lega-Initiative als Angriff auf die Pressefreiheit stigmatisiert.  
 
„Più che un’iniziativa a tutela del pluralismo dell’informazione, quella annunciata da alcuni esponenti della Lega sembra un’azione punitiva contro il gruppo Athesia, e in particolare contro i giornalisti che lavorano nelle testate del Trentino-Alto Adige, assicurando ogni giorno un’informazione libera e professionale. A loro va la solidarietà della FNSI.
È indubbio che la legge 416 del 1981, che pone limiti alle concentrazioni proprietarie a livello nazionale, vada profondamente rivista e aggiornata, anche alla luce dello sviluppo e della diffusione dell’informazione digitale. Nessuno può però usare un tema così delicato come una clava per colpire decine di professionisti, con il risultato di metterne a rischio i posti di lavoro.
A nessuno può sfuggire, infatti, che sono sempre meno coloro che sono disposti a investire nell’editoria. La fase di profonda crisi del settore a livello planetario, anche in Italia rischia di far scomparire testate storiche, facendo venire meno il diritto dei cittadini ad essere informati in molte aree del Paese.
 

In questo scenario occorre da una parte incoraggiare gli investimenti nell’informazione di qualità e dall’altra ragionare su uno statuto dell’impresa editoriale che salvaguardi l’autonomia delle testate dai possibili interessi delle proprietà e dalle pressioni della politica.“
 
Der Hintergrund dieser Amtsverteidigung für den Koloss Athesia: Nach Informationen von Salto.bz hat Alto Adige-Direktor Alberto Faustini nach der Lega-Erklärung direkt bei FNSI-Chef Raffaele Lorusso interveniert. Und dieser hat zusammen mit Rocco Cerone umgehend geliefert.
 

Die Aussprache

 
Wir wurden weder verständigt noch angehört“, ärgern sich gleich mehrere Mitglieder des regionalen Gewerkschaftsvorstandes. Auch innerhalb der Journalistengewerkschaft gibt es unterschiedliche Meinung und Positionen zum Thema. Weil nach dem Alleingang aber Feuer am Dach ist, wurde im Nachhinein die außerordentliche Krisensitzung einberufen. „Es war eine gute Diskussion“, sagt ein Teilnehmer, „konkret herausgekommen ist aber wenig“.
Seit längerem lässt sich innerhalb der regionalen Journalistenkammer eine besondere Nachsicht und Kompromissbereitschaft gegenüber dem Medienhaus Athesia erkennen. Das mag daran liegen, dass der Medienkoloss der weitaus größte Arbeitgeber für Journalistinnen und Journalisten in der Region ist. Zudem beginnt man derzeit die Verhandlung über die Zusammenlegung der beiden Trentiner Tageszeitungen „Trentino“ und „L’Adige“. Die regionale Gewerkschaft ist deshalb besonders vorsichtig, um den mächtigen Südtiroler Verleger ja nicht in Verlegenheit zu bringen.
Kann sich eine seriöse Journalistengewerkschaft einen solchen Bückling vor einer Medienmacht erlauben?
Dabei weiß man auch in der Journalistengewerkschaft nur zu gut, dass die Position des Medienkolosses Athesia mehr als nur problematisch ist. Denn niemand kann bestreiten, dass die Athesia in der Region Trentino-Südtirol eine absolut marktbeherrschende Position einnimmt. Der Ebnerverlag kontrolliert in Südtirol und im Trentino nicht nur 80 Prozent des Medienmarktes, sondern auch 80 Prozent des Werbemarktes.
Dabei gibt es ein Staatsgesetz, das eine solche Medienkonzentration eigentlich untersagt. Nach dem geltenden Gesetz darf kein Verleger mehr als 20 Prozent der Tageszeitungen (gemessen an der Auflage) oder 50 Prozent der Zeitung im interregionalen Raum besitzen. Gemeint ist hier das Gebiet Trentino-Südtirol, Veneto, Friaul Julisch Venetien und Emilia-Romagna.
In dem 1987 erlassen Gesetz gab es aber auch einen Passus, der besagte, dass ein Verleger nicht mehr als 50 Prozent der Tageszeitungen in einer Region besitzen darf. Dieser Passus wurde 2004 abgeschafft. Es wäre die Bestimmung, die die Medienmacht der Athesia deutlich einschränken würde. Und es ist die Bestimmung, die die Lega in Rom jetzt wiedereinführen will.
Daraus jetzt ernsthaft einen Angriff auf die Medienvielfalt zu konstruieren, ist ein kaum glaubwürdiges Unterfangen.
 
*  Der Autor ist Mitglied der nationalen und regionalen Journalistengewerkschaft.
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Gerhard Mumelter Di., 06.10.2020 - 15:35

Eine Gewerkschaft, die sich auf die Seite des Monopols schlägt - ein in Europa wohl einmaliger Fall.

Un sindacato che sta dalla parte del monopolio - caso unico in Europa

Di., 06.10.2020 - 15:35 Permalink
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Daniel Kofler Mi., 07.10.2020 - 00:41

Antwort auf von Gerhard Mumelter

Es ist schon seltsam, dass die Gewerkschaft argumentiert, man dürfe diese Regeln nicht durchsetzen, weil ja Arbeitsplätze auf dem Spiel stünden. Wer sich als juristisch versierter Mensch für solche Schriftstücke hergibt, ja der hat schon längst sämtliche Würde verloren. Aber ist ja eh ein generelles Problem im juristischen Bereich (keine Hetze - ich bin selbst Jurist).

Mi., 07.10.2020 - 00:41 Permalink
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Michl T. Di., 06.10.2020 - 18:23

das Verhalten der Gewerkschaft lässt darauf schließen, dass nicht nur der Meinungsmarkt (sic!) und der Werbemarkt Monopolerscheinungen aufweisen, sondern auch der Arbeitsmarkt in dem Sektor.
also Problematik^3

Di., 06.10.2020 - 18:23 Permalink
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Manfred Klotz Do., 08.10.2020 - 07:24

Die Medienkonzentration ist tatsächlich ein Problem, allerdings ist diese Alessandro Morelli in Wirklichkeit vollkommen egal. Sonst müsste er schon seit Jahren gegen das Berlusconi-Imperium Sturm laufen. Morelli geht es bei all seinen Aktionen um wenig ehrenhafte Ziele.

Do., 08.10.2020 - 07:24 Permalink