Politik | Tourismus

„Bauern schießen ständig quer!“

In der SVP heißt es zurzeit Tourismusvertreter gegen Bauern. Für letztere haben die übrigen SVP-Mandatare offenbar nur mehr wenig Verständnis, wie Helmuth Renzler erklärt
Helmuth Renzler
Foto: Helmuth Renzler
Wie berichtet hat am vergangenen Freitag (1. Juli) der II. Gesetzgebungsausschuss unter Vorsitz des Landtagsabgeordneten Franz Locher einen Passus des Art. 8 im Omnibus-Gesetzes gekippt, mit welchem Anbieter von Urlaub am Bauernhof (UaB), Airbnb und Privatzimmervermieter vom Bettenstopp gänzlich ausgenommen werden bzw. der Bettenstopp nur mehr für gewerbliche Betriebe gelten soll. Das Brisante dabei: Die SVP-Bauernvertreter Franz Locher und Manfred Vallazza haben für einen Ersetzungsantrag, eingebracht von Freiheitlichen-Obmann Andreas Leiter Reber und Peter Faistnauer (Perspektiven für Südtirol), gestimmt, wonach zuerst eine Erhebung des Bettenbestandes durchgeführt werden soll und anschließend neben einer Bettenobergrenze auch die Dimensionierung des Flächenverbrauchs für die einzelnen Betriebe vorgesehen wird.
 
 
 
„Not amused“ war Gert Lanz von dieser fraktionsübergreifenden Bauernverbrüderung und kündigte wie die Abgeordneten Riccardo Dello Sbarba und Sandro Repetto einen Minderheitenbereicht an. Auch der Tourismus-Vertreter Helmut Tauber dürfte nicht sonderlich begeistert gewesen sein und die Retourkutsche folgte auf dem Fuße. Am darauf folgenden Dienstag (5. Juli) wurde nämlich im III. Gesetzgebungsausschuss der Art. 14-bis eingefügt, mit welchem die Einschränkungen für UaB wieder eingeführt wurden. Voraussetzung für UaB ist demzufolge eine Fläche zwischen 1,5 und sechs Hektar im Obst- und Weinbau bzw. die effektive Haltung von mindestens fünf Großvieheinheiten. Zudem muss bei Tätigkeitsmeldung die Zahl der auf Antrag von der Gemeinde zugewiesenen Betten angegeben werden.
 

„Mehrheitsentscheidungen müssen anerkannt werden“

 

Wie der Vorsitzende des III. Gesetzgebungsausschusses, Helmuth Renzler, Salto.bz gegenüber erklärte, sei der Änderungsantrag vom Landtagsabgeordneten Helmut Tauber eingereicht worden. Zu diesem Zeitpunkt habe er auch keine Kenntnis über die Entscheidungen des II. Gesetzgebungsausschuss, die wenige Tage zuvor getroffen worden sind, gehabt. „Wir haben in unserem Auschuss den Gesetzestext bearbeitet, so wie wir ihn erhalten haben“, betonte Renzler. Anschließend wurde neben einigen anderen Abänderungsvorschlägen auch jener des Landtagsabgeordneten Tauber behandelt, welcher mehrheitlich mit 6 Ja Stimmen sowie bei 2 Enthaltungen angenommen worden ist. Nach den internen Abläufen gefragt, erklärte der Ausschuss-Vorsitzende, dass er davon ausgehe, dass der Einbringer den betreffenden Änderungsantrag mit der SVP-Fraktion vorab abgesprochen habe.
 
Franz Locher sollte sich daran gewöhnen, dass man sich an Mehrheitsbeschlüsse halten muss.
 
Auf die Kritik seitens des Landtagsabgeordneten und Vorsitzenden des II. Gesetzgebungsausschusses, Franz Locher, erklärt Renzler: „Franz Locher sollte sich daran gewöhnen, dass man sich an Mehrheitsbeschlüsse halten muss.“ Unabhängig von den Entscheidungen in den Gesetzgebunsgausschüssen sei nämlich für den 18. Juli eine Sitzung des Parteiausschusses einberufen worden, in welchem ausführlich über den Inhalt einiger Passagen des Tourismuskonzeptes sowie die Ausnahmeregelungen gesprochen bzw. auch die bindenden und richtungsweisenden Entscheidungen getroffen werden sollten. „Anschließend gibt es immer noch die Möglichkeit, einen Änderungsantrag in den Landtag einzubringen. Die Sitzung wurde eigens zu diesem Zeitpunkt einberufen, um den Abgeordneten diese Möglichkeit einzuräumen“, so Renzler, der betont, dass, wenn der Parteiausschuss – nach der Landesversammlung das höchste Gremium in der Partei – eine Entscheidung trifft, sich alle daran zu halten haben.
 
 
 
„Wenn die Mehrheit der Meinung ist, dass dieser Passus bleiben muss, dann bleibt er“, erklärt Renzler und betont, dass bestimmte Gruppen wohl verstehen müssten, dass Mehrheitsentscheidungen zu respektieren seien. Neben der Bauernfraktion gebe es nämlich auch noch andere Gruppierungen, deren Interessen ebenfalls berücksichtigt werden müssten. Das Verhalten der „Bauernfraktion“ rund um Franz Locher und Manfred Vallazza quittierte der Arbeitnehmervertreter mit der Aussage: „Die Bauernvertreter schießen ständig quer und jetzt haben sie es auf die Spitze getrieben.“ Vor allem die Art und Weise, wie Locher und Co. dabei vorgegangen seien, könne von den anderen Partei-Mitgliedern sicherlich nicht akzeptiert werden. Einen bitteren Beigeschmack habe die ganze Geschichte zudem, weil genau Locher im II. Gesetzgebungsausschuss den Vorsitz inne hat und für einen Änderungsantrag der Oppositionellen Andreas Leiter Reber und Peter Faistnauer stimmte. „Mir persönlich ist es egal, aber aus Sicht der Partei stellt das ein Problem dar“, erklärte der Landtagsabgeordnete. 
 
Wenn die Mehrheit der Meinung ist, dass dieser Passus bleiben muss, dann bleibt er.
 
Was den Änderungsantrag des Landtagsabgeordneten Tauber betrifft, habe dieser nur das gleiche getan wie die Bauern, nämlich die Interessen seiner Gruppe vertreten. Problematisch für die Partei sei dabei, dass sich eine Gruppe nicht an getroffene Vereinbarungen hält bzw. nicht die Absprachen respektiert, dass sich der Parteiausschuss mit dieser Thematik befassen wird. „Irgendwann tut jeder, was er will und am Ende kommt überhaupt nichts mehr Gscheides heraus“, so Renzler, der erklärt, dass das nicht der Sinn der Politik sein könne. Ansonsten besteht die Gefahr, dass irgendwann auch die Stimmung in der Bevölkerung kippen könnte. „Politik heißt, dass man so lange miteinander diskutiert, bis man einen Konsens findet.“ 
 
Politik heißt, dass man so lange miteinander diskutiert, bis man einen Konsens findet.
 
Was das Tourismuskonzept selbst betrifft, müssten seiner Ansicht nach alle, welche über touristische Beherbergungsmöglichkeiten verfügen, dieselben Bedingungen haben. Große Ausnahmen könne man keine machen, ansonsten wäre es den anderen gegenüber nicht gerecht und fair. Weder dürfe der Urlaub auf dem Bauernhof noch die gewerblichen Tourismusbetriebe diskriminiert werden. „Im Tourismuskonzept geht es darum, den Tourismus insgesamt einzugrenzen. Das ist das eigentliche Ziel des Gesetzes“, so Renzler. Auf Dauer sei der Massen-Tourismus nicht mehr erträglich. Auch seien die Einwände der Touristiker durchaus berechtigt: Die Möglichkeit für die Landwirte, Urlaub am Bauernhof anbieten zu können, wurde nämlich mit der Begründung geschaffen, die Existenz des Hofes durch diesen Zuerwerb abzusichern. Als Haupterwerb sei UaB nie geplant gewesen. Sollte UaB jedoch irgendwann einmal zum Haupterwerb werden, dann müssten für die Anbieter dieses touristischen Angebots auch die gleichen Spielregeln wie für die gewerblichen Zimmervermieter gelten, sprich dieselben Sozialabgaben und dieselben Gehälter für die Mitarbeiter. „Wir werden am 18. schon eine Lösung finden“, zeigt sich Renzler überzeugt. „Wir haben noch immer eine Lösung gefunden und schließlich wird die Suppe nie so heiß gegessen wie sie gekocht wird.“
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M A Fr., 08.07.2022 - 07:39

Gibt es überhaupt eine Statistik mittels einer "Nach-Kontrolle", ob der UaB Neben- oder Haupterwerb geworden ist?
Ich bin überzeugt davon, dass es so manchen UaB-Haupterwerbsbetrieb gibt!
Wobei es allerdings nicht einfach sein dürfte, eine Lösung zu finden, wenn er denn Haupterwerb wäre... (Abbruchverfügung? Strafzahlung?)

Fr., 08.07.2022 - 07:39 Permalink
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Sebastian Felderer Fr., 08.07.2022 - 09:17

Es geht schon lange nicht mehr um Gesetzgebungskommissionen, um Parteiausschuss, um Ortsobleute, um die SVP und noch viel weniger um Probleme, Argumente und Wahrheiten. Es geht nur mehr um Personen, Persönlichkeiten, Interessenvertreter. Wenn ein Landesrat dann von "Eiern in allen Farben" spricht und dies nicht um Ostern, sondern mitten im Sommer, dann darf ich annehmen, dass das Maß an Bildung, Niveau und Anstand schon längst abhanden gekommen ist. Locher und Vallazza zeigen deutlich, worum es diesen Leuten geht. Der einzige Trost für Otto Normalverbraucher ist das Jahr 2023, mit zweimal Wahlen. Ich würde dazu einen ganz simplen Denkzettel liefern: Das Alphabet, das die Anfangsbuchstaben für die Skandale der SVP liefert. Wem die Buchstaben nicht ausreichen, kann auch noch die Zahlen verwenden, weil diese eine nach oben offene Möglichkeit zulassen. Es gibt dann eine ganz einfache Methode, um den Schlussstrich zu ziehen unter einem System und einer Partei und die entsprechende Bewertung zu notieren, für die Wahlkabine. Man reserviere sich dafür nur eine Zahl, die alles ausdrückt an Wert und Wertschätzung, nämlich die NULL.

Fr., 08.07.2022 - 09:17 Permalink
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alfred frei Fr., 08.07.2022 - 10:57

Frage zu "mindestens fünf Großvieheinheiten": 4 Kühe im Stall davon eine 7 Monate trächtig; bestehen die Voraussetzungen für den Anbieter von Urlaub am Bauernhof (UaB) oder abgelehnt mit der Begründung „Not amused“ ?

Fr., 08.07.2022 - 10:57 Permalink
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Herta Abram So., 10.07.2022 - 11:45

Es ist höchste Zeit für touristische Ressourcenwahrheit!
Die Bettenzahl ist da nur eine Baustelle.....
Die eklatante Belastung und Übernutzung von Natur, öffentlichem Raum und Ressourcen, die gerade durch den Massen- und Qualitätstourismus entstehen, können mit Geld allein nicht ausgeglichen werden.
Diese schlimmen, gegenwärtigen Zustände verlangen nach einer GEMEINSAMEN Anstrengung, die nicht sabotiert werden darf, - von inhaltslosem Populismus!
Soziale Gerechtigkeit und Gemeinwohl, faire Ressourcenverteilung und eine Umweltpolitik, die diesen Namen verdient, dafür müssen klare Rahmenbedingungen geschaffen werden!! Dies geht weit über "eigenen Interessensvertretung" hinaus! Um das gehts!

So., 10.07.2022 - 11:45 Permalink