Politik | Immobiliensteuer

Zwist um GIS

Manche Gemeinden wollen nicht auf die GIS-Einnahmen durch die Tourismusbetriebe verzichten. “Die Steuer gehört nicht dem Land”, sagt Roland Demetz. Der HGV läuft Sturm.
Schenna
Foto: Othmar Seehauser

Vor zwei Wochen schien kein Blatt Papier zwischen die Betroffenen zu passen. Doch nun stellt sich heraus, dass Land und HGV die Rechnung ohne den Wirt gemacht haben. Genauer gesagt ohne einige der Wirte. Manche Gemeinden wollen nämlich nicht auf die Einnahmen aus der Gemeindeimmobiliensteuer GIS verzichten, von denen die Landesregierung – auf ausdrücklichen Wunsch des HGV – Tourismusbetriebe aufgrund der Corona-Krise für 2020 befreien will. “Hier wird einfach über das Geld von jemand anderem entschieden”, sagt ein Bürgermeister frei heraus.


Alle in einen Topf?


Es sind vor allem touristisch starke Kommunen, denen durch den Komplett-Erlass der GIS beachtliche Summen entgehen. Zwar will das Land 80 Prozent der Mindereinnahmen rückerstatten. Doch auch die restlichen 20 Prozent Minus, auf denen die Gemeinden sitzen bleiben würden, sind für einige nicht so einfach tragbar. “Circa 250.000 Euro” sind es in Dorf Tirol, berichtet Bürgermeister Erich Ratschiller. Er findet es “nicht ganz gerecht” oder “eine kleine Ungleichbehandlung”, dass das Land andererseits 100 Prozent der Ausfälle übernimmt, die Gemeinden aufgrund der GIS-Halbierung für andere Wirtschaftszweige entstehen, ersetzen will. “Da hat das Gewicht der großen Städte wohl mehr gewogen als jenes der kleinen Tourismus-Gemeinden”, meint Ratschiller. Für die seien die entgangenen Summen “ziemlich einschneidend”, bestätigt sein Amtskollege in Hafling, Andreas Peer. “Ich habe von 600.000 Euro gehört, die in einer Gemeindekasse fehlen würden.”

 

In Meran würden durch das Wegbrechen von 20 Prozent der GIS-Einnahmen für Gastgewerbe und Beherbergungssektor “zwischen 300 und 400.000 Euro” weniger in die Kassen fließen, sagt Bürgermeister Paul Rösch. Allerdings ist der Haushalt der zweitgrößten Stadt Südtirols entsprechend größer und die Summe schlägt daher weniger zu Buche. “Wir werden den Betrieben, die ja zudem keinen Wintertourismus haben, sicherlich helfen”, sagt Rösch ohne Umschweife. Völlig andere Töne kommen aus Wolkenstein in Gröden. Dort ist die Wintersaison trotz vorzeitigem Ende laut Bürgermeister Roland Demetz “ganz gut gelaufen”. Die Betriebe hätten keine größeren Einbußen gemacht. Und auch die Sommersaison sei zwar zaghaft, aber immerhin angelaufen. “Unsere Ausgangslage ist nicht so schlecht wie anderswo”, sagt Demetz. Er plädiert dafür, mit einer völligen GIS-Befreiung gegebenenfalls bis nächstes Jahr zuzuwarten. “Ansonsten muss mir jemand sagen, wo wir die 430.000 Euro holen, die uns heuer entgehen würden.”

 

Je mehr Beherbergungsbetriebe und je kleiner die Gemeinde, desto größer die GIS-Ausfälle (N.B.: Bars und Restaurants sind in der Darstellung nicht berücksichtigt).

 

Demetz klingt ernsthaft verärgert – und besorgt. “Wir haben die Gelder ja bereits verpflichtet und nun heißt es plötzlich Mitte des Jahres, dass nicht gezahlt wird. Wir können nicht einfach Aufträge abblasen oder Arbeiten absagen.” Die Gemeinden müssten ohnehin bereits andere Ausfälle bei Einkünften hinnehmen, die in anderen Jahren fix eingeplant waren, geben Ratschiller und Demetz zu bedenken. Letzterer führt ein Beispiel an: “In Wolkenstein werden Einnahmen aus Trink- und Abwasser sinken, da weniger Touristen kommen und somit der Wasserverbrauch sinkt.”


Vorschlag zum Einlenken

 

Ratschiller, Peer, Rösch und Demetz sind vier der 17 Bürgermeister, die im Rat der Gemeinden sitzen. Dessen Präsident Andreas Schatzer hat der Landesregierung nun den Vorschlag übermittelt, dass die Gemeinden bzw. die Gemeinderäte selbst entscheiden sollten, ob sie die 20 Prozent bzw. einen Teil davon trotzdem von den Tourismusbetrieben einheben oder nicht – gerade weil sich die Lage nicht überall gleich darstellt. “Es ist dasselbe Problem wie immer in Südtirol: 116 Gemeinden und 116 Situationen”, bringt es Wolkensteins Bürgermeister auf den Punkt.

 

Der Vorschlag aus dem Rat der Gemeinden könnte in einen Änderungsantrag zum Nachtragshaushalt einfließen, der Ende Juli im Landtag zur Abstimmung kommt. Dieser muss die GIS-Befreiung bzw. -Reduzierung nämlich erst genehmigen bevor sie gültig wird. Im zuständigen III. Gesetzgebungsausschuss wurde die Angelegenheit am Mittwoch Nachmittag kurz diskutiert. Einen entsprechenden Antrag formuliert hat bisher keine der Parteien im Landtag. Hingegen wurden Campingplätze und Diskotheken in die Liste der GIS-befreiten Betriebe aufgenommen.


Achselzucken und Ablehnung


Landeshauptmann Arno Kompatscher zeigt sich grundsätzlich offen dafür, dass aus der Muss- eine Kann-Bestimmung werden soll. Doch er zieht sich aus der Verantwortung: “Das ist nicht unser Vorschlag, wir stehen zu unserem Vorschlag Befreiung, weil wir auch glauben, dass das durchaus eine gerechtfertigte Maßnahme ist, die Betriebe und somit Arbeitsplätze schützt.”

 

Offene Ablehnung kommt dagegen vom Hoteliers- und Gastwirteverband. “Als HGV werden wir eine solche Kann-Bestimmung nicht akzeptieren. Fakt ist, dass die Gastbetriebe nach wie vor von den Auswirkungen der Corona-Pandemie am stärksten betroffen sind und, dass sich die Auslastung der Betriebe weit unter dem Wert des Vorjahres befindet – in allen Gemeinden”, poltert HGV-Präsident Manfred Pinzger. Er sieht “auch die Gemeinden gefordert, einen wirkungsvollen Beitrag zu leisten, die Unternehmen zu stützen. Wenn alle den Gürtel enger schnallen müssen, dann muss das auch für die Gemeinden gelten”.


Wessen Gelder?


Ob und wie viele Gemeinenden von diesem möglichen Zugeständnis, die GIS-Einbußen oder einen Teil davon dennoch einzuheben, Gebrauch machen würden, steht nicht fest. “Wir müssten das erst buchhalterisch bewerten”, sagt Haflings Bürgermeister Erwin Ratschiller. “Wenn wir die Gelder nicht unbedingt brauchen, denke ich, werden wir nicht darauf zurückgreifen. Wenn es aber tatsächlich zu Liquiditätsengpässen kommen würde, würden wir uns wahrscheinlich überlegen müssen, zu kassieren.” In Meran werde man den Betrieben “sicherlich helfen”, wiederholt Bürgermeister Paul Rösch. “Ich denke schon, dass es so weit kommt”, sagt Wolkensteins Erster Bürger.

Auf die Forderung des HGV angesprochen, die Gemeinden sollten eben den Gürtel enger schnallen, ist Roland Demetz eines wichtig festzuhalten: “Die 20 Prozent, auf die wir verzichten müssten, sind Steuern, die der Gemeinde gehören und nicht dem Land. Und das sind Gelder, die zum Wohl aller ausgegeben werden und die die Gemeinde nicht einfach verschlingt. Hier wird einfach über das Geld von jemand anderem entschieden”