Gesellschaft | deutsche Schule

Die Schwerpunkte zum Start

Fachkräftemangel entgegenwirken, die Zweit- vermehrt als Fremdsprache unterrichten, politische und digitale Bildung: Darum will sich die deutsche Schule kümmern.
Pressegespräch Schulbeginn
Foto: LPA/Edith Benischek

Das Geräusch haben die drei seltenen Gäste seit vielen Jahren nicht mehr gehört: Um Punkt 10.35 Uhr klingelt an diesem Montag Vormittag die Schulglocke im Außensitz der Bozner Wirtschaftsfachoberschule Heinrich Kunter. Pünktlich mit dem Läuten der Schulglocke eröffnet Philipp Achammer das Pressegespräch, zu dem er als deutscher Bildungslandesrat gemeinsam mit Landesschuldirektorin Sigrun Falkensteiner und Bildungsdirektor Gustav Tschenett geladen hat. Medienvertretern, Direktoren, Lehrpersonen und Schülern will Achammer von den Neuerungen im soeben begonnen Schuljahr berichten.
Zu berichten aber gibt es weniger von Neuem als vielmehr von altbekannten Herausforderungen.

 

Mangelerscheinungen

 

Gleich zu Beginn geht der Landesrat auf den Personalmangel in Schule und Kindergarten ein. “Leider müssen wir zunehmend feststellen, dass mehr und mehr qualifizierte Pädagogen und Lehrkräfte fehlen, vor allem im Kindergarten steuern wir auf einen dramatischen Personalmangel zu.” Das Loch, das die hohe Anzahl an bereits erfolgten und noch bevorstehenden Pensionierungen in den Stellenpool von Kindergarten und Schulen reißt, kann von den nachkommenden Fachkräften bei weitem nicht aufgefüllt werden. “200 bis 250 jährlichen Pensionierungen, die es zuletzt in der Grundschule gegeben hat, stehen 100 bis 150 Studienabgänger der Universität Bozen im Bildungsbereich für Grundschule und Kindergarten gegenüber”, veranschaulicht Achammer. Was tun? Mit drei Maßnahmen, die ab dem Schuljahr 2020/21 greifen sollen, sollen Lehrer und Pädagoginnen entlastet und damit Kapazitäten für ihren eigentlichen Auftrag, das Erziehen und Unterrichten von Kindern, frei gemacht werden.

 

1. Sicherheit und Planbarkeit für die Ausbildung: seit 2018 ist nicht mehr der Staat, sondern das Land Südtirol für die Lehrerausbildung zuständig. “Nun gilt es, auch für die Mittelschul- und Oberschullehrer ein vom staatlichen System unabhängiges Ausbildungsmodell zu schaffen”, sagt Achammer. Auch die bisher fehlende Ausbildung für pädagogische Mitarbeiter, die den Kindergärtnerinnen zur Seite stehen, soll “neu aufgestellt” werden.

2. Das Kindergartenalter soll von heute zweieinhalb schrittweise wieder auf drei Jahre angehoben werden. “Ab 2020/21 werden nur mehr Kinder zugelassen, die innerhalb Dezember des jeweiligen Schuljahres drei Jahre alt werden, und nicht mehr innerhalb Februar”, erklärt Achammer. “Damit haben wir im deutschsprachigen Kindergarten rund 300 Kinder weniger.” Bereits diese Woche soll der Landtag die Weichen für die Anhebung des Mindestalters stellen.

3. “Insgesamt fast 200 Stellen werden derzeit für Angebote außerhalb des Kernunterrichts verwendet”, informiert Sigrun Falkensteiner, davon etwa 100 Stellen für Wahlpflicht- und Wahlangebote in Grund- und Mittelschule und allein 35 für Beaufsichtigung der Kinder außerhalb der Schule, etwa in der Mensa. “Das können wir uns nicht mehr leisten”, ist der Landesrat überzeugt. Um das pädagogische Personal gezielt dafür einzusetzen, wofür es ausgebildet wurde – den Unterricht –, arbeite man an Kooperationen mit den Gemeinden und außerschulischen Partnern, die gewisse Dienste, die auch den Bedürfnissen der Familien entgegenkommen – Betreuung in der Mensa oder beim Warten auf den Bus – künftig übernehmen sollen.

 

Fremd- statt Zweitsprache

 

Der zweite Schwerpunkt für das heurige Schuljahr soll die Mehrsprachigkeit sein. Weil sich die Kenntnisse der Zweitsprache über die Jahre nicht verbessert, sondern – “leider”, wie Achammer bemerkt – verschlechtert haben, soll sich bei der Vermittlung im Unterricht etwas ändern. “Die italienische Sprache ist in vielen Kontexten, wo es außerhalb der Schule kaum Begegnungsmöglichkeiten damit gibt, de facto eine Fremdsprache” – deshalb soll sie auch vermehrt als solche und nicht als Zweitsprache unterrichtet werden. Auch hier setzt man bei der Aus- bzw. Weiterbildung der Lehrer an, um diese in “Fremdsprachendidaktik für die zweite Sprache” zu schulen.

“Unsere Aufgabe ist es, die bestmöglichen Rahmenbedingungen für Lernen und Lehren zu schaffen.” (Landesrat Achammer)

 

Politisch und digital

 

Ein weiterer Fokus legen der Landesrat und seine Funktionäre im Schulamt auf die Einführung der politischen Bildung als Schulfach. Im Landtag war bereits im Frühjahr und Sommer darüber diskutiert – und ein Antrag von Team Köllensperger abgelehnt worden. Nachdem inzwischen ein entsprechendes staatliches Gesetz vorliegt, soll nun doch innerhalb eines halben Jahres ein Landesgesetz auf den Weg gebracht werden, “um das Ein-Stunden-Fach, das übrigens über die politische Bildung hinaus geht und auch Bereiche wie Gesundheits- und Verkehrserziehung umfasst und unter dem Titel ‘Bürgerkunde’ zusammengefasst werden kann, anders zu regeln”, meint Tschenett.

Der letzte Schwerpunkt für das heurige Schuljahr soll die digitale Bildung sein. Über verschiedene Kanäle – europäische, staatliche und jene des Landes – sollen den Schulen finanzielle Mittel für Hard- und Software-Ausstattung sowie Projekte in diesem Bereich zufließen.

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Karl Egger Di., 10.09.2019 - 12:51

Das beste Mittel um den Lehrermangel entgegenzuwirken wäre es den Quereinstieg von Fachkräften (z.B. aus der Privatwirtschaft) zu erleichtern und zu fördern. Einige Fächer wie BWL, Musikunterricht, sowie technische Fächer wären geradezu prädestiniert dafür und würden wahrscheinlich einen deutlichen Qualitätsschub erleben, wenn nicht ausschließlich Lehrkräfte deren Karriereweg Schule-Uni-Schule lautet, unterrichten würden

Di., 10.09.2019 - 12:51 Permalink
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Stereo Typ Di., 10.09.2019 - 13:02

Bin auch der Meinung, dass Quereinsteiger zum Zuge kommen sollten. Die Schule ist immer noch ein hermetisch abgeriegelter Block, was den Zugang zu den Lehrerstellen angeht. Wenn da ein Fuzzelchen nicht passt, bist du draußen. Die Folge: alles Mainstream-Pädagog(inn)en, die zweifellos sehr kompetent sind, aber außer den Schulmauern beruflich noch nicht viel gesehen haben (Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel). Es gäbe so viele talentierte und motivierte Leute, die gerne unterrichten würden, die aber diese Prüfung und jene Prüfung nicht haben und damit nie die Chance auf ein unbefristetes Arbeitsverhältnis an der Schule bekommen.

Di., 10.09.2019 - 13:02 Permalink
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Marion W Di., 10.09.2019 - 15:29

Es ist sicher ein guter Ansatz, wenn Italienisch als Fremdsprache unterrichtet wird! Was nützt es mir, dass ich Dantes Inferno auswendig herunterplappern kann, wenn ich aber nicht im Stande bin eine Pizza auf italienisch zu bestellen...

Di., 10.09.2019 - 15:29 Permalink