Gesellschaft | Jugendarbeit

Aus für Allesclub

Mit 1. Jänner 2019 hört der Jugend- und Kulturverein im Schlerngebiet auf. Weil man sich von der Lokalpolitik ignoriert sieht. Eine zermürbende Odyssee geht zu Ende.
Glühbirne
Foto: Pixabay

Wie sie es ihren Schützlingen beibringen werden, wissen sie noch nicht so recht. Doch mit 1. Jänner 2019 stellt der Jugend- und Kulturverein Allesclub seine Tätigkeit in der Offenen Jugendarbeit im Schlerngebiet ein. “Wir sehen keine andere Möglichkeit mehr”, heißt es aus dem Verein. Den drei Mitarbeitern hat man bereits gekündigt, die Pläne für das neue Jahr auf Eis gelegt.
Der folgenschwere Schritt kommt am Ende eines turbulenten Jahres, von dem viel Ratlosigkeit und vier geschlossene Jugendtreffs bleiben werden. Aber vor allem eines: “Riesige Enttäuschung”, wie Allesclub-Präsidentin Dagmar Mayrl gesteht. Darüber, dass man von den Vertretern gleich zweier Gemeinden “einfach ignoriert” worden sei.

 

Unter keinem guten Stern

 

Ende April stehen die Kinder und Jugendlichen, die die vier Jugendtreffs in Kastelruth, Völs, Seis und Völser Aicha aufsuchen wollen, mehrere Wochen lang vor verschlossenen Türen. Weil die Gemeinden Kastelruth und Völs die Konzession für die Führung der Räumlichkeiten nicht verlängert haben, verlegt der langjährige Trägerverein Allesclub seine Offene Jugendarbeit auf die Straße.

Vor allem im Gemeindeausschuss von Kastelruth herrschen nach eigenen Angaben “große Zweifel” an der Arbeit des Vereins. Bei einer Bürgerversammlung Ende Mai wirft die zuständige Jugendreferentin dem Allesclub “mangelhafte Führung” vor, spricht von “Kommunikationsproblemen” und “schwerwiegendem Vertrauensverlust”, von “buchhalterischen Problemen” bei den Abrechnungen. Zugleich bestätigt die Referentin die Absicht, die Führung der Jugendtreffs an den Jugenddienst Bozen Land übergeben zu wollen. Das würde das Aus für die Offene Jugendarbeit bedeuten, so wie sie der Allesclub seit 2008 im gesamten Schlerngebiet betreibt.

Nach großem und lautstarken Protest lenken die Gemeinden ein. Die Konzession wird bis 31. Dezember 2018 verlängert, die Jugendtreffs sperren wieder auf. Auch nach Drängen von Landesrat Philipp Achammer und seinem Amtsdirektor im Amt für Jugendarbeit, Klaus Nothrdurfter. Die stellen sich hinter den Allesclub, legen nahe, ein Vereinbarungsprotokoll zu erstellen, in dem Verein, Gemeinden und Land gemeinsam ein Konzept für die Zukunft der Offenen Jugendarbeit im Schlerngebiet definieren.

 

Einseitiges Engagement

 

Ein Entwurf für das Vereinbarungsprotokoll entsteht in Zusammenarbeit zwischen Allesclub, dem Dachverband der Offenen Jugendarbeit n.e.t.z. sowie dem Amt für Jugendarbeit.

“Die Gemeinderäte der beiden Gemeinden Kastelruth und Völs werden sich in den Sommermonaten mit dem Entwurf für ein Vereinbarungsprotokoll zwischen dem Jugend- und Kulturverein Allesclub und den Gemeinden (vom Allesclub vorgeschlagen) auseinandersetzen, diesen besprechen und ev. mit Ergänzungen vervollständigen.” Das sichern Bürgermeister und Jugendreferenten der beiden Gemeinden Mitte Juni schriftlich zu.

 

Beim Allesclub nimmt man die Verpflichtung ernst. Abseits der medialen Scheinwerfer werden in den Sommermonaten wichtige Schritte gesetzt, um die Jugendarbeit auf eine neue Basis zu stellen – und sich das Vertrauen der Gemeinden neu zu erarbeiten. Man lässt die Buchhaltung in Ordnung bringen, ernennt drei externe Rechnungsrevisoren und einen neuen Elternbeirat. Ein neues Leitbild wird erarbeitet, ebenso ein neues Vereinsstatut und eine neue Mitgliederregelung.

In mehreren moderierten Gesprächsrunden samt Workshops werden Jugendliche, Eltern und Vertreter der beiden Gemeinden zu ihren Vorstellungen und Wünschen befragt, wie die Jugendarbeit im Schlerngebiet künftig aussehen sollte. Auch konkrete Maßnahmen für das kommende Jahr werden ausgearbeitet. Doch die Freude über das “offene Gespräch zwischen Allesclub und Gemeinden” – so zieht das Vorstandsmitglied Simon Profanter im August über die Treffen Bilanz – sollte nicht lange andauern.

 

Stille als Alibi

 

Ende Oktober ist man beim Allesclub so weit, den Gemeinden einen Kosten- und Programmplan für 2019 zu präsentieren. Wegen des Zeitdrucks – Ende Dezember läuft die im Juli verlängerte Konzession wie erwähnt aus – und um Planungssicherheit zu haben, fragt der Verein bei den Jugendreferenten um ein Treffen an, um das Vereinbarungsprotokoll und die weitere Zusammenarbeit zu besprechen. Trotz mehrmaligem Nachfragen habe man keine Antwort bekommen, berichten die Jugendarbeiter. Inzwischen kommt ihnen zu Ohren, dass die Gemeinde Kastelruth beabsichtigt, die Konzession für die Führung der Jugendtreffs mit dem Allesclub bis April 2019 zu verlängern und den Dienst inzwischen öffentlich ausschreiben zu wollen.

Die Bitte um eine schriftliche Bestätigung dieser Nachricht bleibt vorerst unbeantwortet. Nun sucht die Vereinspräsidentin mit den drei Jugendarbeitern die beiden Bürgermeister bei deren Sprechstunden auf. Dabei stellt der Allesclub klar, dass man eine Verlängerung der bestehenden Konzession nicht in Kauf nehmen wird. Man pocht auf eine neue Konzession, angelegt auf mindestens zwei Jahre und mit drei Vollzeitstellen für die Jugendarbeiter. “Nur mit einer neuen, langfristigen Konzession kann der Allesclub seine Tätigkeit fortsetzen”, erklärt der Verein.

 

Das Ergebnis der Gespräche ist ein Schreiben, das am 28. November die Kastelruther Gemeindestuben verlässt. Bürgermeister Andreas Colli und Jugendreferentin Christina Pallanch bestätigen darin, dass sich der Gemeindeausschuss von Kastelruth bereits Ende Oktober dafür ausgesprochen hat, die bestehende Konzession höchstens bis 30. April 2019 zu verlängern.

Der nächste Satz muss wie Hohn in den Ohren jener klingen, die die Monate zuvor daran gearbeitet haben, eine neue Basis für die Zukunft der Offenen Jugendarbeit im Schlerngebiet zu schaffen, samt Vereinbarungsprotokoll, für das die Gemeinden noch im Juni ihre Mitarbeit zugesichert hatten. “Bei der vorgeschlagenen Verlängerung (der Konzession, Anm.d.Red.) handelt es sich (…) lediglich um eine technische Verlängerung”, schreiben Colli und Pallanch, “die notwendig ist, um die Führungs- und Finanzierungskonditionen zu überprüfen und überarbeiten sowie einen Leistungskatalog zu erarbeiten, der die Grundlage für die neue Konzession darstellt. Eine Verlängerung über diesen Zeitraum hinaus kann deshalb leider nicht zugestimmt werden”.

Weiter heißt es in dem Schreiben: “Da der Allesclub für die vorgeschlagene Verlängerung vom 01.01. – 30.04. 2019 nicht mehr zur Verfügung steht, bedankt sich die Gemeinde Kastelruth für die geleistete Arbeit der vergangenen Jahre.”

Nach monatelangem Warten und einer Reihe von ignorierten Anfragen ist beim Allesclub jetzt das Fass voll. Wenn das offen zur Schau gestellte Desinteresse und die Unwilligkeit in den Gemeindestuben, gemeinsam an einem Vereinbarungsprotokoll zu arbeiten, eine Hinhaltetaktik war, um den Verein und seine Mitarbeiter mürbe zu machen, so ist die Rechnung aufgegangen. Auch, weil eine starke Lobby für die Jugendarbeit in den Rathäusern zu fehlen scheint.

 

Reißleine zu Jahresende

 

“Sehr geehrte Damen und Herren, aufgrund der jüngsten Ereignisse möchten wir Ihnen hiermit mitteilen, dass der Jugend- und Kulturverein Allesclub seine Tätigkeit als Träger der Offenen Jugendarbeit im Schlerngebiet vorerst einstellt.” Mit diesen Zeilen beginnt ein offener Brief, den der Verein am Montag Vormittag an die Gemeinden Kastelruth und Völs und zur Kenntnis auch an Landeshauptmann Arno Kompatscher, Philipp Achammer und Klaus Nothdurfter verschickt.  

 

Bereits am 30. November hat der Allesclub die drei Jugendarbeiter gekündigt, sie sind somit mit dem Auslaufen der Konzession am 31. Dezember entlassen. Und die jungen Besucher der vier Jugendtreffs werden das neue Jahr vor – erneut – verschlossenen Türen beginnen. Noch ist völlig unklar, wie es mit dem Verein weitergeht, der nicht nur Jugendarbeit leistet, sondern unter anderem auch die jährliche Miniplayback-Show an Fasching und die gemeindeübergreifende Jungbürgerfeier organisiert.
“Wir haben alle Forderungen und noch mehr erfüllt, während sich aufseiten der Gemeinden nichts getan hat”, sagt Allesclub-Präsidentin Dagmar Mayrl zu salto.bz. Für sie bleibt nach diesem Jahr vor allem eines: “Riesige Enttäuschung.”

Es ist das Ende eines Kapitels, auf das die Gemeindepolitik im Schlerngebiet nicht stolz sein kann.
Ein Hickhack, ausgetragen auf dem Rücken der Kinder und Jugendlichen, die in den vier Jugendtreffs jahrelang eine Anlaufstelle, ein zweites Zuhause, ein offenes Ohr fanden.
Ein Hickhack, der ein erfolgreiches Zusammenschauen erfolgreich verhindert hat. Dass sich im Schlerngebiet – erneut – Protest regen wird, davon darf ausgegangen werden. Doch vorerst zieht der Allesclub einen Schlussstrich unter ein Jahr, das als Lehrstück dafür dienen kann, wie respektvoller Umgang mit jungen Menschen und ihren Bedürfnissen nicht ausschaut.