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Angebliches Nahverhältnis

Die Bozner Staatsanwaltschaft geht schweren Vorwürfen gegen Konrad Bergmeister nach. Was aber steht wirklich hinter den Ermittlungen? Der Versuch einer Spurensuche.
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Foto: BBT SE
Die Troubles beginnen mit einer journalistischen Indiskretion. Arno Kompatscher will Konrad Bergmeister zum Chef einer neuer Brennerkorridor-Holding machen, steht in mehreren Medienberichten im Februar dieses Jahres zu lesen. Gleichzeitig spitzt sich die Schlammschlacht an der Spitze des BBT SE zu. Das Ende: Die Abberufung von Konrad Bergmeister und Raffaele Zurlo als Vorstände. Salto.bz berichtet am Montag exklusiv darüber.
Mit der angeblichen Rückkehr Bergmeisters zur Autobahn beginnen auch die staatsanwaltschaftlichen Vorermittlungen Fahrt aufzunehmen. In mehreren detaillierten Eingaben an die Staatsanwaltschaft Bozen werden schwere Vorwürfe gegen Konrad Bergmeister erhoben. Dabei gehen manche Vorwürfe auf Bergmeisters Zeit als technischer Direktor und Chefingenieur der Brennerautobahn AG zurück. Weil diese Episoden über zehn Jahre zurückliegen, dürften sie strafrechtlich kaum mehr relevant sein.
Andere Vorwürfe in den Eingaben sind aktuell und stammen aus dem Innenleben der BBT SE. Aber nicht nur. Die Ermittler halten die Angaben für glaubhaft. So nimmt der stellvertretende Staatsanwalt Igor Secco Vorermittlungen auf. Es werden mehrere Personen angehört. Unter anderem Bergmeisters Vorstandskollege Raffaele Zurlo, der im Mai der Staatsanwaltschaft auch Dokumente aushändigt.
Im Zentrum der Erhebungen stehen dabei zwei Schwerpunkte. Die Aufträge an das Südtiroler Bauunternehmen Emaprice und eine angebliche Kostenexplosion im BBT-Baulos Tulfes-Pfons.
 

Das Bauunternehmen

 
Die „E.MA.PRI.CE. Spa“ ist ein gut 40 Jahre altes Familienunternehmen aus Treviso, das in ganz Norditalien tätig ist. Eine der bekanntesten Baustellen der Firma war zum Beispiel der Flughafen Marco Polo in Venedig.
Vor einigen Jahren verlegte die Emaprice ihren Rechtssitz nach Südtirol und stieg auch hier sehr schnell zum Big Player auf. Weil Emaprice dabei auch bei den öffentlichen Aufträgen ordentlich mitmischt, führt das in der Branche schon bald zu Gerüchten und Vermutungen.
So hat das Bauunternehmen auch einen Sitz in Innsbruck und ist dabei auch beim Bau des Brennerbasistunnels tätig. 2012 gewann die Emaprice eine Ausschreibung für den Bau eines Portalbereiches für den Entwässerungsstollen Padastertal bei Steinach am Brenner. Die Arbeiten dazu wurden im Mai 2013 beendet. Ebenso baut das Unternehmen derzeit dort beim Erkundungsstollen„Wolf 2“ mit. Hier ist nicht die BBT SE der Auftraggeber, sondern das österreichische Bauunternehmen „Swieteisky Tunnelbau“, das einen Unterauftrag an die Emaprice vergeben hat. 
 
 
Ebenso hat die Emaprice derzeit einen Unterauftrag für die Südtiroler Firma Erdbau an der Nordtiroler BBT-Baustelle zur Deponiesicherung übernommen.
2018 hat die Emaprice zudem eine 7,5-Millionen Ausschreibung der BBT SE zur Errichtungen einer „Neuen Zufahrtsstrasse Riol“ in Franzenfeste gewonnen.
Um diese Auftragsvergaben geht es jetzt auch in den Vorermittlungen.
 

Trentiner Umfahrung

 
Ausgangspunkt ist dabei ein Auftrag im Trentino. Das Land Trient und die Brennerautobahn AG bauen eine völlig neue Anbindung zur Autobahn in Trient Nord. Dort wir ein riesiges Straßenkreuz gebaut mit dem der Interporto Nord und die neue Umfahrung Trient mit der Autobahn verbunden werden.
Der Plan geht auf das Jahr 2007 zurück. 2011 erfolgt eine öffentliche Ausschreibung des 30-Millionen-Projekts. 2012 als die Angebote bereits vorgelegt wurden, beschließt das Land die Ausschreibung auszusetzen. Drei Jahre lang passiert nichts. Dann wird der Auftrag vergeben. Es gewinnt eine italienische Bietergemeinschaft um das Bauunternehmen Collini. Die Bietergemeinschaft verzichtet aber im allerletzten Moment auf den Auftrag. Damit geht der Auftrag an den Zweiplatzierten. Das ist die Emaprice SPA. Sie beginnt in diesen Wochen mit den Arbeiten.
Das Ausführungsprojekt von Emaprice kommt aus dem Ingenieursbüro von Konrad Bergmeister. Offiziell hält der BBT-Vorstand zu diesem Zeitpunkt noch 15 Prozent an dem von ihm gegründeten Ingenieursbüro.
Es ist vor allem die Trentiner 5-Sterne-Bewegung und der Abgeordnete Filippo Degasperi, der mehrmals in Artikeln und Stellungnahmen auf einen eklatanten Interessenkonflikt Bergmeisters hinweisen. Die offen geäußerte Unterstellung: Bergmeister arbeite privat mit und für Emaprice und unterzeichne dann als BBT-Vorstand Millionenaufträge beim BBT an dasselbe Unternehmen.
Zur Untermauerung seine These führt Degasperi dabei ein weiteres Detail an.
 
 
Das Unternehmen Emaprice hat seit drei Jahren seine Büros und seinen Rechtssitz in Bozen an einer nobeln Adresse: Waltherplatz 22. Es ist das Sparkassen-Haus. Besitzer: Die Stiftung Sparkasse. Und der Präsident der Stiftung heißt Konrad Bergmeister.
Damit schließe sich der angebliche Kreis der Küngelei und Vorteilsnahme.  Es ist auch eine der Hypothesen, der die Bozner Staatsanwaltschaft in ihren Vorermittlungen nachgeht.
 

Die Verteidigung


Doch was in den Eingaben so schlüssig dargestellt wird, dürfte in Wirklichkeit doch etwas anders sein.
Zum Jahrswechsel 2015/2016 kauft die Stiftung Sparkasse von der Bank das Haus am Waltherplatz. Alle Verhandlungen und Beschlüsse fallen unter dem damaligen Stiftungspräsidenten Karl Pichler. Dabei beschließ man auch, dass die „Sparim AG“, die Immobiliengesellschaft der Sparkasse, weiterhin für die Verwaltung und die Vermietung des Hauses zuständig sein soll.
Konrad Bergemeister sitzt zu diesem Zeitpunkt in keinem Leitungsgremium der Stiftung. Als Bergmeister im Frühjahr 2016 zum neuen Stiftungspräsidenten gewählt wird, muss er nicht nur den notariellen Vertrag für den Hauskauf unterzeichnen, sondern auch die neuen Mietverträge. Bergmeister hat dabei – nachweislich - keinerlei Einfluss auf die Auswahl der Mieter oder die Gestaltung der Mietverträge. Diese waren von der Sparim AG abgewickelt und vorbereitet worden.
 

 

Auch bei den Aufträgen der BBT SE dürfte es nicht so einfach sein. Für die Weitergabe von Aufträgen an Subunternehmen braucht es – völlig anderes als in Italien – in Österreich keiner Genehmigung des Auftraggebers. Die Unternehmen müssen die Weitergabe nur mitteilen und eine Erklärung abliefern, dass das Subunternehmen die arbeitsrechtlichen Standards erfüllt.
Nach Informationen von salto.bz hat Konrad Bergmeister zudem vorgesorgt. Obwohl seit dem Auftrag im Trentino sein Ingenieursbüro nachweislich keinerlei geschäftliche Verbindung zum Unternehmen Emaprice hat, stieg er wenige Tage vor der Unterzeichnung des Vertrages für die Neuen Zufahrtsstrasse Riol im März 2019 endgültig aus dem Büro aus, indem er seine Quoten abgegeben hat.
Vor allem aber wurden alle Ausschreibungen der BBT SE, die Emaprice gewonnen hat, von technischen Vergabekommissionen vergeben, denen Konrad Bergmeister nie angehört hat.
Formal dürfte damit im Fall Emaprice kaum ein Interessenkonflikt bestehen. Doch die Staatsanwaltschaft überprüft anscheinend auch Auftragsvergaben an andere große Baufirmen.
 

Die Kostensteigerung

 
Ein zweiter Hauptpunkt in den Vorermittlungen der Staatsanwaltschaft ist eine angebliche Kostenexplosion im Baulos Tulfes-Pfons. Es ist der Tunnel, der von Hall rund um die Stadt Innsbruck führt. Weil das Gestein dort besondere brüchig ist, ist gerade dieses Baulos bautechnisch eine besondere Herausforderung. Was auch dazu führt, dass es Umplanungen gab und Mehrkosten.
Gerade in diesem Punkt prallten die beiden Vorstände Raffele Zurlo und Konrad Bergmeister in der Vergangenheit aber mehrmals hart aufeinander. Es ist auch ein Streit der Kulturen.
Zurlo erkennt allein das italienische Modell an, das man beim Bau der BBT durchaus erfolgreich umgesetzt hat. Es gründet darauf, dass das Ausführungsprojekt vom Unternehmen gemacht werden muss, das den Auftrag bekommt. Die Baukosten werden vorab festgelegt. Damit ist der Rahmen genau vorgegeben. Die Verantwortung liegt dann bei den ausführenden Baufirmen. Vereinfacht gesagt: Übersteigen sie die veranschlagten Kosten, ist das ihr Bier.
 
 
In Österreich hingegen wird ein völlig anderes Modell praktiziert. Dort findet eine laufende und akribische Baubegleitung durch den Auftraggeber statt. Beim sogenannten „dynamischen Baumodell“ treffen sich die ausführenden Ingenieure mit den BBT-Vertretern fast täglich zu Sitzungen und entscheiden wie weitergebaut wird. Auch über mögliche, kleinere Abweichungen vom ursprünglichen Ausführungsprojekt. Diese Entscheidungen werden von einem Aufsichtsorgan kontrolliert und begleitet. Ausdrücklich vorgesehen sind dabei auch „Projektvalorisierungen“, das heißt mögliche Mehrkosten.
 

Der Prüfbericht

 
Diese Bauleitung und Ausführung und eine mögliche Kostenexplosion im Baulos Tulfes-Pfons sind dann auch einer der Punkte, die von der Staatsanwaltschaft Bozen untersucht wird. Der Verdacht: Konrad Bergmeister sei als Vorstand dafür verantwortlich zu machen.
Aber auch hier hat der Südtiroler BBT-Vorstand einen Trumpf im Ärmel. Denn Bergmeister hat nicht nur den Aufsichtsrat über jeden Schritt vorab informiert, er hat auch nachdem diese Vorwürfe innerhalb der BBT SE auftauchten einen unabhängigen Prüfbericht angeregt.
Der Aufsichtsrat der BBT SE hat daraufhin die „SCHIG mbH“ mit einer Sonderprüfung der Ausgaben und der Bauabwicklung im beanstandeten Abschnitt beauftragt.
Die  SCHIG mbH ist ein 1996 gegründetes Unternehmen im Eigentum der Republik Österreich, deren Eigentümerrechte von der Bundesministerin oder dem Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie ausgeübt werden. Sie ist auch als anerkannte Kontrollorganisation für die Regierung aber auch für die ÖBB tätig.

 
 
Mehrere Ingenieure, darunter auch ein italienischer Vertreter, haben die beanstandete Bauausführung geprüft. Im Abschlussbericht vom 11. Juli 2019 werden insgesamt Mehrkosten bis zur Fertigstellung des Projekts von 18,5 Prozent prognostiziert. Die Schlussfolgerung: „Damit bewege man sich durchaus in dem vom Aufsichtsrat festgelegten finanziellen Rahmen“.
In den nächsten Monaten wird sich zeigen, ob die Ermittlungen der Bozner Staatsanwaltschaft weiter gehen und auch noch andere Bereiche berühren.
Sicher ist: Nachdem salto.bz die Nachricht der Abberufung von Konrad Bergmeister und Raffaele Zurlo publik gemacht hat, beginnt das große, politische Schattenboxen. So erklärte der Nordtiroler Landeshauptmann, Günther Platter am Montag gegenüber der Tiroler Tageszeitung, von einer Abberufung nichts zu wissen. Er wolle an Bergmeister auf jeden Fall festhalten.
Besonders interessant dabei: Im Aufsichtsrat des BBT SE sitzt als Vertreter des  Land Tirol der hohe Beamte und Landesbaudirektor Robert Müller. Müller hat sich bei der entscheidenden Sitzung am 28. Juni in Wien keineswegs gegen die Abberufung der beiden Vorstände ausgesprochen.
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Profil für Benutzer Christian Mair
Christian Mair Di., 13.08.2019 - 08:49

"Die Staatsanwaltschaft Bozen nimmt Vorermittlungen auf. Dabei geht es nicht nur um Interessenkonflikte, sondern auch um eine angebliche Kostenexplosion der Bauarbeiten im Baulos Tulfes-Pfons. Das ist der Tunnel ab Hall und die Umfahrung von Innsbruck." C. Franceschini

Beachtenswert:
Die Staatsanwaltschaft Bozen kann grenzüberschreitend ermitteln, während die BBT Gesellschaft zumindest bis vor kurzem ein duales System hatte.
Ist die Staatsanwaltschaft hier tatsächlich ein Vorreiter öffentlicher Systeme?

Die Beispiele zeigen wie dringend notwendig eine transnationale Organisation ist. Die Euregio Tirol lässt grüßen.
Tatsächlich sind überregionale Dachorganisationen unerlässlich, um Demokratie, Gesundheit, öffentlichen Verkehr, Bildung, soziale Absicherung etczu ermöglichen.

Di., 13.08.2019 - 08:49 Permalink