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Wenn die Kräfte schwinden

Der FC Südtirol verteidigt aufopferungsvoll und holt einen Punkt in Bari (2:2). Die körperlich aufwändige Spielweise des FCS fordert beinahe ihren Tribut.
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Foto: (c) FC Südtirol

Nach dem großen Drama um die mögliche Rückkehr von Andrea Masiello nach Bari, wo er einst mit einem Eigentor den Abstieg der Mannschaft aus der Serie A besiegelte (er wurde später des Wettbetrugs überführt und zu einer Sperre verurteilt), wurde im Stadio San Nicola auch noch Fußball gespielt.

Der FC Südtirol startete in einer 4-3-3-Grundformation, Rover rückte neben Odogwu und Mazzocchi in die vorderste Angriffslinie. Die Heimmannschaft setzte auf eine Mischung aus 4-2-3-1 und 4-3-3 und war vor allem mit Ball sehr variabel.

Der FCS agierte wie immer im (tiefen) Mittelfeldpressing, überließ also der Heimmannschaft den Spielaufbau komplett, um sie dann erst ab der Mittellinie unter Druck zu setzen. Das Sturmtrio Odogwu-Mazzocchi-Rover beschränkte sich in der defensiven Phase vor allem auf das Zustellen von vertikalen Passwegen. Wurden sie überspielt, oblag es vor allem der restlichen Mannschaft, im Verbund zu verteidigen.

 

Bari im Tiefschlaf

 

Bari hatte zwar viel mehr Ballbesitz als die Gäste aus Bozen, konnte sich zu Beginn auch 1-2 Halbchancen herausspielen (vorwiegend über die linke Seite des FCS), wurde aber mehrmals durch das schnelle (und oft schlampige) Umschaltspiel der Südtiroler überrascht. Meist war es nicht der unmittelbare Gegenangriff, der die Hausherren vor Probleme stellte, sondern die daran anschließenden Szenen. Wie erwähnt, spielte der FC Südtirol sehr häufig sehr schnell - und oft entsprechend unsauber - nach Balleroberungen in die Spitze: Der Angriff schien dann oft schon vorüber zu sein, Baris Hintermannschaft ging nicht mir Konsequenz auf den so genannten "zweiten Ball" und wurde so gleich mehrmals vom FC Südtirol überrumpelt (bei beiden Toren und bei einem Lattenschuss von Rover). Ins Besondere bei den beiden Toren des FCS (21. Minute Fabian Tait, 37. Minute Raphael Odogwu) in der ersten Halbzeit, schien Bari das Weiterspielen eingestellt zu haben und reklamierte stattdessen, dass der Ball im Aus gewesen sei (beim ersten Tor) bzw. ein Foulspiel vorgelegen habe. Bari kam kurz vor der Pause zum Anschlusstreffer durch Di Cesare, der eine Freistoß-Hereingabe von Bellomo per Kopf verwandelte.

 

 

Alte deutsche Schule

 

In den 2010er Jahren wurde die deutsche Bundesliga die Pressingliga in Europa genannt. Jede deutsche Mannschaft war im Grunde in der Lage, den Gegner planmäßig und im Kollektiv unter Druck zu setzen, meistens aus einem (tiefen) Mittelfeldpressing heraus, stark an den gegnerischen Spielern ausgerichtet ("Mannorientierung"). Das zweite Element einer solchen Pressingmannschaft war das viel zitierte "schnelle Umschalten". Sehr stark vom "System Red Bull" (und Vordenkern, wie Jürgen Klopp und Ralf Ragnick) geprägt, erhoben einige Trainerteams die Sekunden, die zwischen Ballerorberung und Abschluss verstreichen, zum Gütekriterium. Trainer Pierpaolo Bisoli hat dieses Stilmittel wiederentdeckt und dem FC Südtirol übergestülpt. Diese Strategie funktioniert bisher sehr gut, hat aber auch ihre Schwächen: Der physische Aufwand, den es braucht, über 60-70 Minuten den Gegner im Ballbesitz hinterherzujagen, ist enorm. Zudem wird dieser Heransgehenweise alles andere untergeordnet - auch das Spielerische. Dieser Mangel an Ideen wenn in Ballbesitz trat bereits mehrmals zutage, ins Besondere dann, wenn der FC Südtirol in Rückstand geranten war und selbst das Spiel gestalten musste. Die Konsequenzen der physisch so aufwändigen Spielweise zeigte sich wiederum in der zweiten Halbzeit im Stadio San Nicola: Bari drängte mit Beginn der zweiten 45 Minuten auf den Ausgleich, schnürte den FC Südtirol förmlich wenige Meter vor dem eigenen Strafraum ein, und die Südtiroler verschoben passiv von einer Seite zur anderen. Die Kräfte ließen sichtlich nach, Angriffe die für Entlastung hätten sorgen können, wurden nicht mehr unternommen. Südtirol stellte zudem auf eine 4-4-2-Formation um: So sollte das Mittelfeld mit einem zusätzlichen Mann wieder Überhand in den gefährlichen Zonen vor der Abwehr gewinnen. Ein Effekt dieser Umstellung war allerdings auch, dass vorne eine Anspielstation weniger zur Verfügung stand.

 

Gerechtes Unentschieden

 

Der Ausgleichstreffer in der 65. Minute durch Salcedo war so gesehen folgerichtig. Bari erhöhte den Druck, riskierte mehr und wurde schließlich dafür belohnt. Südtirol hatte durch den eingewechselten Carretta (84. Minute) noch eine Großchance, welche den Spielverlauf in der  zweiten Halbzeit auf den Kopf gestellt hätte. So blieb es nach 90 Minuten bei einem gerechten 2:2. Bari bleibt weiterhin Fünfter, der FC Südtirol belegt - unter Trainer Bisoli weiterhin ungeschlagen - Platz 7.

 

 

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Hartmuth Staffler Sa., 12.11.2022 - 18:12

""Diese Strategie funktioniert bisher sehr gut, hat aber auch seine Schwächen." So steht es im Bericht. Ich frage mich nun, wessen Schwächen sich da in die gute Strategie des FCS mischen. Wer ist dieser geheimnisvolle Mann, der da seine Schwächen einbringt?

Sa., 12.11.2022 - 18:12 Permalink
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Hartmuth Staffler So., 13.11.2022 - 08:37

Antwort auf von Fabian Hofer

Danke dafür, dass konstruktive Kritik, auch wenn sie ironisch formuliert ist, bei SALTO veröffentlicht wird. Auf anderen, sich für wichtiger haltenden Internetseiten in Südtirol ist das nicht der Fall, wohl auch weil man keinen Platz für die dort notwendige Menge an Sprachkritik hätte.

So., 13.11.2022 - 08:37 Permalink