Gesellschaft | Interview

“Kommst du schon noch nach Südtirol?”

Sabina Kasslatter Mur war am Sonntag in Berlin – als ihr guter Freund Frank-Walter Steinmeier zum Bundespräsidenten gewählt wurde: “Uns kann nichts Besseres passieren.”
Frank-Walter Steinmeier & Sabina Kasslatter Mur
Foto: LPA

Zwanzig Jahre, mehr oder weniger. So lange kennen sich Frank-Walter Steinmeier und die Eheleute Sabina Kasslatter und Erich Mur inzwischen. Dennoch war es eine große Überraschung, als die ehemalige Landesrätin und ihr Mann vom designierten Bundespräsidenten der Bundesrepublik höchstpersönlich nach Berlin eingeladen wurden, als ihn die Bundesversammlung am Sonntag (12. Februar) in sein neues Amt wählte.

salto.bz: Frau Kasslatter Mur, haben Sie sich über die Einladung gefreut?
Sabina Kasslatter Mur:
Klar, wir haben uns sehr gefreut, als wir vor einer Woche die SMS bekommen haben. Die Gelegenheit haben wir natürlich sofort wahrgenommen, denn so etwas erleben wir in unserem Leben vermutlich nicht noch einmal. Wir haben zwei Tage in Berlin verbracht. Am Abend vorher waren wir auf einem Empfang der SPD und den Sonntag haben wir im Reichstag verbracht.

Erinnern Sie sich, wie Sie Frank-Walter Steinmeier kennen gelernt haben?
Die Bekanntschaft besteht seit inzwischen fast 20 Jahren. Damals saß ich für die SVP-ArbeitnehmerInnen im Landtag und war Landtagspräsidentin. Als solche kümmerte ich mich darum, die Kontakte mit der SPÖ in Österreich und der SPD in Deutschland und den jeweiligen Arbeitnehmerflügeln der Volksparteien zu pflegen. Über diese Schiene und drei Ecken kam der Kontakt zu Frank-Walter Steinmeier zustande.

Uns kann uns ja nichts Besseres passieren als ein deutscher Bundespräsident, der die Situation in Südtirol so gut kennt wie Frank-Walter Steinmeier.

Dieser führte auch über Südtirol?
Damals wurde, auf Anregung der ArbeitnehmerInnen, der Freundeskreis der SPD mit der SVP gegründet. Zu diesem Freundeskreis gehörte ein damaliger Staatssekretär, Gerd Andres, der in Dreikirchen urlaubte. Aus diesem Grund sind die Kontakte mit Andres etwas intensiver geworden und auch auf die private Ebene übergegangen. Über Gerd Andres habe ich den ZDF-Verwaltungsrat Reinhard Scheibe kennen gelernt – ein guter Freund von Frank-Walter Steinmeier. Kurzum, es war dann so, dass ich den Frank-Walter Steinmeier an einem Silvesterabend bei einer privaten Künstlerfeier in Berlin kennen gelernt habe. Steinmeier war damals schon Kanzleramtsminister unter Gerhard Schröder und kannte Südtirol. Bei genannten Künstlertreff hat er uns ins Bundeskanzleramt eingeladen. Am nächsten Tag sind wir dann in die so genannte “Waschmaschine”, wie die Deutschen das Gebäude, wo das Bundeskanzleramt untergebracht ist, umgangssprachlich nennen. Es war total aufregend, Frank-Walter Steinmeier hat uns, meinem Mann, den beiden kleinen Töchtern und mir vieles erklärt und gezeigt. Und wir sind dann schließlich so verblieben, dass er sich das nächste Mal, wenn er in Südtirol, melden würde.

Er hat sein Versprechen gehalten?
Ja, er hat sich prompt gemeldet als er wieder in Südtirol war. Das war um das Jahr 2000. Seither sehen wir uns mindestens drei Mal im Jahr. Manchmal besuchen wir ihn, aber meist ist er – im Schnitt drei Mal jährlich – in Südtirol. Und dann immer gleich für mehrere Tage.

Aus Ihren Worten klingt durch, dass es sich bei Frank-Walter Steinmeier um einen umgänglichen und unkomplizierten Menschen zu handeln scheint. Stimmt das?
Bescheiden, umgänglich, unkompliziert, bedächtig, überlegend, gewissenhaft, auch gesellig. Und wenn er hier in Südtirol ist, ist er froh, wenn er einmal seine Ruhe hat und entspannen kann. Er liebt die Berge, geht gerne wandern, kehrt gerne in den Hütten ein. Wobei er lieber Erdäpfel und Speck und Käse dazu isst als ein mehrgängiges Menü, was es vermutlich sonst oft gibt. Seine Frau, die Verwaltungsrichterin Elke Büdenbender, ist immer dabei, ebenso wir meistens seine Tochter Merit, die wir noch aus ihren Kindertagen kennen. Mittlerweile studiert sie.

Donald Trump ist ein ganz anderer Typ als Frank-Walter Steinmeier,  der sein Amt sehr wohl über persönliche Befindlichkeiten stellen wird.

Haben Sie neben den privaten Momenten auch Steinmeiers politischen Werdegang miterlebt?
Ja, das lief alles parallel. Nach dem Rücktritt von Schröder als Bundeskanzler wurde er zum ersten Mal Außenminister. 2009 trat er als Kandidat für die Kanzlerwahl an, die er leider verlor und in die Opposition ging. Für ein paar Jahre war er dann SPD-Fraktionssprecher bis er 2013 wieder Außenminister wurde.

Steinmeier war kein überparteilicher Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten. Trauen Sie ihm zu, dass er das, was er auch in seiner Antrittsrede angesprochen hat, nämlich auch jenen zuhören zu wollen, die ihn nicht unterstützt haben, auch schaffen wird?
Er hat es ja selbst gesagt: Er will ein Präsident für alle sein. Er will das Auseinanderdriften unserer Gesellschaft abbauen und demokratische Grundwerte verteidigen. Steinmeier ist kein Demagoge, kein Populist, kein Marktschreier. Viele werfen ihm das ja auch vor, indem sie sagen, er sei “wie ein Beamter” oder gar zögerlich. Ich sehe es positiv: Gerade in Zeiten wie diesen braucht es Menschen wie ihn. Er ist sehr umsichtig, setzt auf Dialog und gegenseitiges Verständnis, überlegt lieber zwei Mal bevor er vorschnell handelt. Solche Leute, so glaube ich, braucht es heute mehr denn je. Daher kann ich mir gut vorstellen, dass er als Präsident sicher keine Schnellschüsse abgeben wird.

Im Gegensatz zu einem anderen frisch ins Amt gewählten Präsidenten auf der anderen Seite des Atlantiks. Viele Medien bezeichnen Steinmeier als “Anti-Trump”.
Weil er während  des  US-Wahlkampfs Trump als “Hassprediger” bezeichnet hat...

… und auch in einem der ersten Interviews nach der Wahl zählte Steinmeier den US-Präsidenten zu den “schwierigen Partnern”. Wie wird Ihrer Meinung nach das Verhältnis zwischen einem Frank-Walter Steinmeier und einem Donald Trump aussehen?
Ich habe gestern (Sonntag, Anm. d. Red.) aus den Medien entnommen, dass Steinmeier bereits vom russischen Präsidenten Putin eingeladen wurde. Diese Gelegenheit wird er sicher wahrnehmen. Joachim Gauck war nie bei Putin, während Frank-Walter Steinmeier mehrmals darauf hingewiesen hat, dass die deutsch-russischen Beziehungen verbessert gehören.

Gerade in Zeiten wie diesen braucht es Menschen wie ihn.

Um auf Trump zurückzukommen…
Donald Trump ist ein ganz anderer Typ als Frank-Walter Steinmeier, der sein Amt sehr wohl über persönliche Befindlichkeiten stellen wird. Frank-Walter Steinmeier ist ab Mitte März der oberste Repräsentant der Bundesrepublik Deutschland und hat deren Interessen zu wahren. Und zwar unabhängig davon, ob die persönliche Wellenlänge mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten stimmt oder nicht.

Hierzulande beziehungsweise in der SVP gilt Steinmeier als – Zitat Philipp Achammer – “besonderer Freund Südtirols, der unser Land so gut kennt wie kaum ein anderer bundesdeutscher Politiker”. Stimmen Sie dem zu?
Ich würde sogar das “kaum” streichen, denn mir fällt kein Politiker in einer ähnlichen Position wie Frank-Walter Steinmeier ein, der seit Langem drei Mal im Jahr nach Südtirol kommt. Wenn er hier ist, liest er die hiesigen Zeitungen und informiert sich. Regelmäßig hat er sich mit Luis Durnwalder getroffen, voriges Jahr auch mit Arno Kompatscher. Wobei er sich nie einmischt, aber er interessiert sich dafür, was hier passiert. Und das Interesse für das Land ist echt.

Der neue Bundespräsident, ein Glücksfall für Südtirol?
Ich bin überzeugt, dass wir mit Frank-Walter Steinmeier einen Fürsprecher und Botschafter für unser Land haben, und das auch politisch, falls es nötig ist. Das ist nicht hoch genug wertzuschätzen. Abgesehen davon ist die Tourismuswerbung, die er mit seinen Urlauben in Südtirol für das Land macht, unbezahlbar. Wenn er hier ist, macht er Fotos, postet sie auf Facebook und schreibt dazu “Liebe Grüße aus Südtirol, es ist herrlich hier” – und dazu zum Beispiel der Rosengarten, den man von seinem Balkon am Ritten aus sieht. Das alle findet dann zehntausende Follower.

Er soll ja bereits mit kurzen Hosen in der Bozner Altstadt gesichtet worden sein.
Mit kurzen Hosen in der Stadt glaub ich zwar nicht, aber wenn er hier ist, mischt er sich gerne unter die Leute und verhält sich völlig unauffällig. Er fährt mit dem Rittner Bahnl, geht mit seinen zwei Frauen in der Altstadt shoppen, sucht regelmäßig bestimmte Geschäfte auf und wandert auch mal zu Fuß wieder auf den Ritten. Er betreibt sonst nicht sehr viel Fitness und nutzt den Urlaub dafür.

Er interessiert sich dafür, was in Südtirol passiert. Und das Interesse für das Land ist echt.

Erkennen ihn die Menschen in Südtirol?
Wenn ich mit ihm unterwegs bin, bemerke ich schon oft, dass ihn die Leute erkennen, und dann anfangen zu tuscheln. Manche sprechen ihn auch an. Oder bitten um ein Foto.

Eine Frage, die sich jetzt viele stellen werden: Wird auch der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier noch Urlaub in Südtirol machen?
Das war natürlich meine drängende Frage an ihn: Kommst du schon noch nach Südtirol und werden wir auch künftig miteinander wandern?

Seine Antwort?
Er hat es fest vor. Und es kann uns ja nichts Besseres passieren als ein deutscher Bundespräsident, der die Situation in Südtirol so gut kennt wie er. Wir sind zwar nicht der Nabel der Welt, aber unsere besondere Situation erfordert immer wieder Kontakte mit dem deutschsprachigen Ausland, mit Österreich und mit Deutschland. Frank-Walter Steinmeier mag unser Land und die Leute. Er sagt mir immer wieder, wie gut er hier entspannen kann – dafür nimmt er die lange Reise und manchmal auch Staus in Kauf.

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Johann Samonig Di., 14.02.2017 - 11:41

Niemand außer Steinmeier wollte Bundespräsident werden. Jetzt ist er es, obwohl er noch vor 4 Monaten sich gestäubt- und alle Spekulationen dementiert hat.
Lambrecht, der Bundestagspräsident, hat sogar noch zum Schluss betont, wie froh er sei, nicht BP zu sein.
Wenn Steinmeier sich nicht bereit erklärt hätte, regelmäßig das Büßerhemd für alle Deutschen überzuziehen, und schöne Reden zu reden, dann hätte Lambrecht wohl einen bestimmen müssen.

Nur keine Angst, ihr lieben Südtiroler Touristiker, BP Steinmeier kommt sicher wieder nach Südtirol.
Vielleicht nicht dieses Jahr, denn ein Parteigenosse möchte unbedingt die Merkel beerben ... so urlaubt Steinmeier wohl eher in deutschen Landen ... wie wahrscheinlich auch die Frau Merkel heuer nicht nach Sulden kommen wird ...

Di., 14.02.2017 - 11:41 Permalink
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Karl Trojer Di., 14.02.2017 - 17:39

Dass Sabine Kasslatter-Mur einen so guten Kontakt zu Frank-Walter Steinmeier aufbauen und über so viele Jahre halten konnte freut mich ! Meine Bitte an den neuen Bndespräsidenten Steinmeier wäre, sich energisch für eine ehestmögliche Europäische Union einzusetzen .

Di., 14.02.2017 - 17:39 Permalink
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Johann Samonig Mi., 15.02.2017 - 16:16

Antwort auf von Karl Trojer

Herr Karl Trojer,
wissen Sie nicht, dass bereits der neue österr. Bundespräsident VdB, sowie der österr. Genosse vom Steinmeier, Bundeskanzler Kern, seit einigen Tagen angetreten sind, die EU zu retten? Ich gehe davon aus, Sie wissen das nicht. Oder zweifeln Sie etwas, die Beiden schaffen das nicht alleine??? ....
http://www.oe24.at/oesterreich/politik/Kern-und-VdB-wollen-EU-retten/26…

Mi., 15.02.2017 - 16:16 Permalink