Gesellschaft | Sanität

Hochpustertaler Revolution

Am Wochenende wird es am Krankenhaus Innichen keinen Notarzt mehr geben. Zudem soll der Rettungshubschrauber Pelikan 2 ab April in Toblach stationiert werden.
Pelikan 2
Foto: Tom Kika
Ganz am Ende des Schreibens steht ein wichtiger Satz.
Wir sind davon überzeugt, dass die neue Planung des Landesnotfalldienstes im Hochpustertal gute Erste-Hilfe-Leistungen in dringenden Fällen und Notfällen garantiert und die Bevölkerung keine Abstriche in Kauf nehmen muss“, heißt es in dem Brief des Gesundheitsbezirks Bruneck.
Darunter zwei Unterschriften: Jene des Bezirksdirektors Gerhard Griessmair und jene des Sanitätsdirektors Marco Pizzinini.
Ob diese Überzeugung der Führungsspitze des Sanitätsbezirks zutrifft, wird sich zeigen. Sicher ist: Man weiß, warum man die Nachricht noch diskret im kleinen Kreis hält. Was in diesem Schreiben vorgestellt wird, kommt einer kleinen Revolution in der Südtiroler Sanität gleich. Es ein Schritt, der noch für einige Diskussionen in der Öffentlichkeit sorgen wird.
Denn man plant nicht nur die Einführung einer für Südtirol absolut neuen Figur im Bereich der Ersten Hilfe, sondern man schränkt auch den Notarztdienst am Krankenhaus Innichen noch einmal deutlich ein.
Zudem taucht in der Depesche der Brunecker Bezirksspitze eine Entscheidung auf, die bisher kaum jemand auf den Schirm gehabt hat. Der Landesrettungshubschrauber Pelikan 2 soll ab April in Toblach seine neuen fixe Bleibe finden.
 

Die Klausurtagung

 
Ausgangspunkt dieser Entwicklung ist die Großklausur des Südtiroler Sanitätsbetriebes im vergangenen November. Vom 23. bis zum 25. November 2022 treffen sich in Toblach weit über 100 Führungskräfte der Südtiroler Sanität, um im Kulturzentrum Grand Hotel zwei Tage lang über die Gegenwart und Zukunft des Südtiroler Gesundheitsbetriebes zu debattieren.
Gerhard Griessmair und Marco Pizzinini leiten ihr Schreiben deshalb mit einem Rückblick auf diese Tagung ein:
In der Klausurtagung Ende September 2022 haben wir gemeinsam über unsere Arbeit, die zukünftigen Anforderungen und Schwachstellen am Krankenhaus Innichen beraten und erste Lösungsansätze ausgearbeitet. Nach weiteren Besprechungen zu den Themen OP-Tätigkeit, Erste-Hilfe-Leistungen, Notarzt, Bettenmanagement und Personaleinsatz und auch nach kürzlich erfolgten Rücksprachen mit politischen Entscheidungsträgern vor Ort und dem Verantwortlichen für den Notarztdienst Dr. Kaufmann teilen wir hier nun die Rahmenbedingungen für die geplanten Optimierungsschritte mit“.
 
 
 
Das Schreiben ging bereits vor drei Wochen an die Führungskräfte des Krankenhaus Innichen, an die sechs in Innichen tätigen Primare und Primariae und die Pflegedienstleiterin Helene Burgmann hinaus. Zur Kenntnis wurde es auch an den Generaldirektor des Südtiroler Sanitätsbetriebes Florian Zerzer und dem Sanitätsdirektor Josef Widmann übermittelt.
 

Eine neue Figur

 
Der zentrale Punkt der Depesche ist eine völlige Neuorganisation des Notarztdienstes am Krankenhaus Innichen. Dabei wird nicht nur der Erste-Hilfe-Dienst umgestaltet, sondern es kommt auch zu deutlichen Einschnitten in der Arbeit des östlichen Südtiroler Kleinkrankenhauses.
So soll es an Wochenenden in Innichen keinen eigenen Notarzt mehr geben, sondern der Dienst wird von den Notärzten aus dem Krankenhaus Bruneck abgedeckt werden. Zudem wird am Innichner Krankenhaus eine neue Figur eingeführt, die es bisher noch an keinem Südtiroler Krankenhaus gibt: Der Notfall-Case-Manager.
Was das genau ist, wird im Schreiben nicht erklärt. Aus dem angehängten Dienstplan geht allerdings hervor, dass dieser Notfall-Case-Manager an Wochentagen von 8 bis 20 Uhr am Krankenhaus Innichen tätig sein soll. Als Berufsbild wird „Anästhesist und Notarzt“ angegeben, der auch in der Anästhesie-Ambulanz und in der Ersten Hilfe mithelfen soll. „Außerhalb der Hochsaison wird der Notarztdienst am Wochenende tagsüber seitens des Teams aus Bruneck abgedeckt“, schrieben Griessmair/Pizzinini.
 
 
 
Diese Neuorganisation soll in einer Probephase getestet werden. Der Probelauf beginnt am Ostermontag, den 10. April 2023 (Ostermontag) und wird bis 30. Juni 2023 gehen. Im Schreiben heißt es weiter:
 
„Die definitive Entscheidung über die zukünftige Organisationsform wird nach eingehender Analyse im Sommer 2023 gefällt. Die Verantwortlichen der betroffenen Dienste werden gebeten, so bald als möglich die Dienste des Personals anzupassen, sodass die Änderungen Anfang April reibungslos funktionieren.“
 
Dabei wird vor allem die geplante Notarztversorgung am Wochenende durch das Krankenhaus Bruneck von Kritikern als völlig unzureichend angesehen. Laut nationalen und internationalen Standards dürfen vom Anruf bis zum Eintreffen des Notarztes nicht mehr als 20 Minuten vergehen. „An einem Samstag oder Sonntag schafft es ein Notarzt niemals in dieser Zeit von Bruneck nach Sexten oder Winnebach zu kommen“, sagt ein Fachmann.
 

Pelikan 2 in Toblach


Dass die Pusterer Sanitätsspitze dennoch vom neuen Modell überzeugt ist, liegt an einer weiteren Neuerung
Ergänzend kommt hier hinzu, dass der Stützpunkt des Rettungshubschraubers in Brixen demnächst umgebaut wird, weshalb Pelikan 2 ab April d.J. seine Basis in Toblach haben wird. Zusammen mit dem Notarztdienst am KH Innichen garantiert dies eine optimale Abdeckung im Bereich der Notfallmedizin.“, steht in dem Brief zu lesen.
Seit fast zwei Jahren diskutiert man über eine Verlegung des am Brixner Krankenhauses stationierten Rettungshubschrauber Pelikan 2. Doch die Standortsuche hat bisher kaum gefruchtet.
 
 
 
Es war Gesundheitslandesrat Arno Kompatscher, der Ende Februar in der Tageszeitung mit einer Meldung aufhorchen ließ. Am Krankenhaus in Brixen, wo der Rettungshubschrauber stationiert ist, hat es einen Wasserschaden in der Garage unterhalb des Landesplatzes gegeben. Die Arbeiten können nicht auf die lange Bank geschoben werden, deshalb müsse man nach alternativen Möglichkeiten der Unterbringung suchen. Der Landeshauptmann: „In Toblach wären sämtliche Strukturen vorhanden, das sei wohl die kostengünstigste Alternative.
Bisher ging man im Hochpustertal davon aus, dass der Rettungshubschrauber nur für eine Übergangszeit in Toblach stationiert sein soll. Rund drei Monate.
Im Brief der Brunecker Sanitätsspitze klingt das aber völlig anders. Dort geht man davon aus, dass der Pelikan 2 am Toblacher Feld seine neue fixe Bleibe haben wird.
 

Landeplatz in Brixen

 
Dabei sind in Wirklichkeit zur Stationierung des Pelikan 2 in Toblach noch einige Fragen offen.
Arno Kompatscher hatte angekündigt, dass das Land zur Nutzung des Flugplatzes Verhandlungen mit dem Militär aufnehmen wird. Das scheint man auch versucht zu haben, ist dabei aber draufgekommen, dass das Toblacher Flugfeld der „Aeronautica Militare“ untersteht. Demnach muss man mit der Luftwaffe verhandelt. Nach Informationen von Salto.bz gibt es bisher aber keinen unterschriftsreifen Vertrag.
 
 
 
Außerdem gibt es inzwischen eine mehr als appetitliche Alternative. Die Brennerautobahn AG baut derzeit einen Hubschrauberlandesplatz bei der Autobahn in Brixen. Der Lande- und Startplatz liegt unmittelbar in der Nähe des bisherigen Standortes des Pelikan 2. Zudem wurde bereits eine Konvention zwischen der Autobahngesellschaft und dem Südtiroler Sanitätsbetrieb ausgearbeitet.
Demnach könnte der Pelikan in Toblach nur ein Lockvogel sein, mit dem man den Abbau des Notarzt-Dienstes am Krankenhaus Innichen schmackhafter machen will.

 

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Josef Fulterer Di., 14.03.2023 - 10:59

Antwort auf von Günther Alois …

Den Pelikan II in das äußerste Eck verlegen, soll wohl die Effizenz der Sanitäts-VERwaltung beweisen?
Die Ausrüstung des neuen Standorts fernab von Sanitätsstrukturen, ist die neueste Masche mit der Zerzer & Co. mit dem Umgang der öffentlichen Mittel, die dem Sanitätspersonal abgeknausert werden.

Di., 14.03.2023 - 10:59 Permalink
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G. P. Di., 14.03.2023 - 11:20

"Laut nationalen und internationalen Standards dürfen vom Anruf bis zum Eintreffen des Notarztes nicht mehr als 20 Minuten vergehen. „An einem Samstag oder Sonntag schafft es ein Notarzt niemals in dieser Zeit von Bruneck nach Sexten oder Winnebach zu kommen.“"
Auch bei komplett freier Straße schafft es niemand in 20 Minuten von Bruneck nach Innichen, geschweige denn nach Sexten oder Winnebach, und nicht mal der Notarzt mit Blaulicht und Sirene.

Di., 14.03.2023 - 11:20 Permalink
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Hanno Zerhol Di., 14.03.2023 - 11:53

nehme mit Tränen in den Augen zur Kenntnis, dass man sich in einem Teil des begehrenwertesten Lebensraums der Alpen, nämlich dem Hochpustertal in Südtirol, am Wochenende nicht mehr weh tun darf. So funktioniert öffentlich - effizient, unkündbar und wir sind die Besten

Di., 14.03.2023 - 11:53 Permalink