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Südtiroler Verfassungsrichter

Die SVP will einen Platz für einen Minderheitenvertreter im höchsten italienischen Gericht. Die Kammerabgeordneten haben einen entsprechenden Gesetzesentwurf eingereicht.

Wichtige politische Dinge spielt man in der hohen Politik zumeist in aller Stille. Was man an die große mediale Glocke hängt, sind politisch zweitrangige Projekte. Dieses Spiel hat die SVP in Rom perfekt gelernt. Auch deshalb versucht man diese Initiative in aller Stille umzusetzen.
Dabei ist das Thema mehr als aktuell. Seit über einer Woche versucht man im Parlament die Mitglieder des höchsten Richterrates (CSM) und die neuen Verfassungsrichter zu ernennen. Weil sich Mehrheit und Opposition nicht einigen können, kommt man aber nicht vom Fleck.
Derweilen engagierten sich die SVP-Abgeordneten an derselben Front.

Der Gesetzesvorschlag

Am 25. Juni 2014 haben der SVP-Kammerabgeordnete Manfred Schullian als Erstunterzeichner und die SVP-Kammerabgeordneten Renate Gebhard, Daniel Alfreider und Albrecht Plangger, sowie der Trentiner Abgeordneten Mauro Ottobre und der kalabresische PD-Abgeordnete Nicodemo Nazzareno Oliviero einen Vorschlag für ein Verfassungsgesetz eingebracht.
Es geht dabei um die Änderung von Artikel 135 der Verfassung und damit zusammenhängend um die Änderung der Zusammensetzung des italienischen Verfassungsgerichtes.
Das höchste italienische Gericht besteht aus 15 Richtern und Richterinnen. Fünf davon werden direkt vom Staatspräsidenten ernannt. Fünf wählen Kammer und Senat in gemeinsamer Sitzung und die restlichen fünf werden von den höchsten Richterorganen ernannt. Drei von einem Kollegium aus dem Kassationsgericht und je einer von einem Kollegium aus dem Staatsrat und dem Rechnungshof. Die Amtszeit eines Verfassungsrichters beträgt neun Jahre. Danach kann das Mandat nicht mehr erneuert werden.
Der SVP-Gesetzesvorschlag zielt jetzt darauf ab, dass einer dieser 15 Verfassungsrichter ein Vertreter der sprachlichen Minderheiten sein muss. Er soll als einer, jener fünf Richter gewählt werden, die das Parlament ernennen kann.

Die Begründung

Begründet wird der Gesetzesvorschlag N. 2490 von Einbringer Manfred Schullian mit der Verfassung selbst. Die italienische Verfassung sieht ausdrücklich den Schutz der Kultur und Sprache der albanischen, katalanischen, griechischen, kroatischen und slowenischen, sowie der okzitanischen, sardischen, friaulischen, ladinischen und deutschen Minderheiten vor. In 14 Regionen Italiens leben so rund 2,5 Millionen Menschen, die einer ethnischen und sprachlichen Minderheit angehören.


 

Die Einbringer erklären, dass es vor allem zwischen den Sonderautonomien und dem Staat immer wieder zur verfassungsmäßigen Streitigkeiten über Zuständigkeiten und Gesetzesauslegungen kommt. Deshalb braucht es einen Verfassungsrichter, der als Vertreter dieser Minderheiten angesehen werden kann.
Ein Verfassungsrichter der Ausdruck dieser Minderheiten ist, kann einen Mehrwert für das Verfassungsgericht darstellen, weil er mehr Einfühlungsvermögen in die berechtigten Anliegen der Minderheit hat und zudem ein aufmerksamer Kenner dieser besonderen Realitäten ist, die für jemand, der in diesen Realitäten nicht drinnen ist, schwer verständlich sind“, heißt es im Begleitbericht zum Gesetzesvorschlag.

Der SVP-Richter?

Im Gesetzesvorschlag steht nicht, dass der Verfassungsrichter der Minderheit aus Südtirol kommen muss. Auch die Einbringer wissen, dass ein solcher Vorschlag kaum Chancen haben dürfte in zweifacher Lesung durch die Kammern zu gehen. Kennt man aber die Machtverhältnissen zwischen den italienischen Minderheiten und das politische Gewicht der SVP in Rom, so dürfte eine Südtiroler Vertreter die besten Chancen haben in das Verfassungsgericht einzuziehen.
Am 7. August wurde der Gesetzesvorschlag der Verfassungskommission der Kammer zugewiesen. Zudem wird ein Gutachten der parlamentarischen Kommission für regionale Angelegenheiten eingeholt.
Es ist auf jeden Fall noch ein langer Weg bis es zu einem Südtiroler Verfassungsrichter kommen dürfte. Sicher aber ist: Anwärter gibt es schon jetzt zu genüge.
Denn neben Prestige winkt auch ein ordentliches Gehalt. Ein Verfassungsrichter verdient mehr als ein Parlamentarier.

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Sylvia Rier Mo., 15.09.2014 - 15:45

Ist doch eine sehr gute Idee, oder? Schade ist vielleicht allenfalls, dass wir uns scheinbar schon wieder an unserem eigenen Brett vor dem Kopf festnageln... wie wichtig ist es, dass diese Verfassungsrichterin Südtirolerin ist, wenn doch alle Minderheiten (wie viele es doch sind, und wie spannend sie sich liest, die Auflistung von den Minderheiten, die in Italien mehr oder minder beheimatet sind!) vermutlich dieselben Sorgen, Probleme und Schwierigkeiten haben, und dieselben Rechte beanspruchen? Da sollte doch, möchte man meinen, die jeweilige "Nationalität" keine Rolle spielen, oder?

Mo., 15.09.2014 - 15:45 Permalink