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Gesellschaft | Fritto Misto

Die Pandemie ist vorbei!

Jauchzet, jubelt, frohlocket: Wir haben’s überstanden! Jedenfalls hätten wir es in der Hand.

England hat sie für beendet erklärt, Dänemark auch: Wie gemein ist das denn?! Damit wollte ich mich nicht abfinden, und habe deshalb, with a little help from verschwörungstheoretischer Praxis, fünf untrügliche Anzeichen dafür gefunden, dass auch bei uns die Pandemie Geschichte ist. Et voilà:

1. Kurz hat‘s gesagt. Im ORF-Sommergespräch letzthin. Zumindest für Geimpfte sei die Pandemie vorbei. Circa zehn Minuten später erklärte er zwar, niemand könne wissen, wie sich die Situation entwickle, aber bei dieser Passage habe ich mir dann einfach die Ohren zugehalten (siehe verschwörungstheoretische Praxis). Wenn der Kanzler sagt, it’s over, dann it’s auch bei uns over. Schließlich betont er ja immer wieder, dass Südtirol eine „Herzensangelegeneheit“ ist, was auch immer das bedeuten mag, und wird uns daher nicht in der Seuche darben lassen, während felix Austria wieder ein feines Leben hat. An seiner Glaubwürdigkeit und Integrität hege ich zudem keine Zweifel, trotz Korruptionsvorwürfen, schmierigen Chatverläufen und einer bevorstehenden Anklage wegen Falschaussagen vor dem Ibiza-Ausschuss: Schließlich hat ihn die SVP für Herbst wieder ">freudestrahlend nach Südtirol eingeladen. Da vertraue ich euch.

Die Impfung vor Ort geht also weiter, statt Moderna, Astra Zeneca, Pfizer und Johnson gibt’s dann Deeg, Achammer, Amhof und Locher

2. Gänsis Blutdruck. Nach seiner langen und wohlverdienten Sommerpause hätte ich mir ja erwartet, dass unser aller Professor Durchlaucht Hochwürden angesichts der munter steigenden Inzidenz bei einem ersten RAI-Interview Zeter und Mordio auf Herrn und Frau Südtiroler niedergehen lässt. Nichts da. Ein beinahe suspekt anmutend ausgechillter Gänsi (Tranquilizer? Doppelgänger? Kontemplative Malerei?) erklärte einzig, Südtirol sei besser auf Corona vorbereitet als noch vor einem Jahr. Entweder hat er aus Selbstschutz beschlossen, dass wir ihm alle wurscht sind, was angesichts der Unbelehrbarkeit vieler irgendwo verständlich wäre, ich ihm aber nicht unterstellen möchte, oder aber eben: Die Pandemie ist vorbei. Vielleicht klappert er aber auch schon in einem Monat mit dem Gänsmobil (Harley sähe ich gut) unsere Dorfplätze ab, um die Coronaleugner*innen vor Ort augenrollend Mores zu lehren. Ich wäre fast beruhigt.

3. SVP-Bus statt Impfbus. Der Impfbus dreht demnächst seine letzten Runden, er ist sozusagen auf Abschiedstournee. Ob dabei „The Final Countdown“ beim Einzug in die Dorfzentren aus den Lautsprechern plärren wird, ich weiß es nicht, es wäre jedenfalls passend. Offenbar braucht es ihn nicht mehr: Alles, was sich lieber die Füße in den Bauch stand, als einen Termin zu vereinbaren, wurde erwischt. Sorgen brauchen wir uns trotzdem nicht, denn ein würdiger Ersatz wurde bereits gefunden: Ab Mitte September wird der „SVP-Bus“ auf Tour gehen, „alle Landtagsabgeordneten, Parlamentarier und Leitungsmitglieder werden innerhalb von zwei Wochen in einem Bus zwischen 40 und 50 Gemeinden im Land abklopfen“, so die Drohung in der Pressemitteilung. Die Impfung vor Ort geht also weiter, statt Moderna, Astra Zeneca, Pfizer und Johnson gibt’s dann Deeg, Achammer, Amhof und Locher. Ob's als Köder Bratwurst gibt, ist nicht bekannt. Chapeau an den PR-Schlaufuchs, der die Idee dazu hatte.

 

4. Die Klauber sind’s. Zwei Klauber und eine Person aus Osteuropa liegen derzeit auf der Intensivstation, das durften wir jüngst aus den Medien erfahren. Wenn es darum geht, Maßnahmen einzuführen, wird mit der Privacy plötzlich recht flexibel hantiert. Ob irgendwann auch ein*e Tourist*in im Krankenhaus gelandet war und eventuell das Virus mitgebracht hatte, wurde uns nicht mitgeteilt, ist aber auch wirklich egal. Wobei sich letztere halt doch ein bissl mehr unters Volk mischen als der gemeine Klauber, der, Gott sei’s gedankt, gar nicht über die materiellen Voraussetzungen verfügt, um es sich hier auch nur ein bisschen gutgehen zu lassen, wie Bauernbund-Obmann Leo Tiefenthaler aufzeigte. Jedenfalls folgte prompt die Entrüstung in den asozialen Medien: „Und wer darf den Krankenhausaufenthalt der Klauber bezahlen???“ Ja, genau: Zuerst planlos herholen, dann aber weg mit ihnen beim kleinsten Anzeichen einer Malaise, zurück in den Osten, am besten mit einem Katapult, der kostengünstigsten Variante. Was erlauben sie sich auch. Wenn wir in punkto Ausländerhass wieder zu Hochform auflaufen, kann’s nicht mehr so schlimm sein mit der Pandemie, sonst hätten wir vermutlich andere Sorgen.

5. Die Spaltung der Gesellschaft. Ähnlich verhält es sich mit der vielbeschworenen „Spaltung der Gesellschaft“, die vor allem von linker Seite sorgenvoll vorgetragen wird. Vor einem Jahr dachten wir, wir müssten alle sterben. Heute wird der Tod der Gesellschaft an die Wand gemalt, wenn Impfbefürworter*innen sich weigern, Coronaleugner*innen verständnisvoll das Händchen zu halten. Bei allem Respekt, aber bevor Solidarität mit „Andersdenkenden“ angemahnt wird, sollten wir uns zuerst vor Augen halten, welche Solidarität wir denjenigen schuldig sind, die sich gern vor einer Infektion schützen würden, es aber aus unterschiedlichen Gründen nicht KÖNNEN. Die Konsequenzen, die sie zu befürchten haben, sind weitaus gravierender als die Belustigung und zugegebenermaßen harten Worte, die Anhänger*innen von Selbstmedikation mit Abführmitteln und Talferwiesen-Freiheitskasper erdulden müssen. „Jede Meinung ist richtig!“ behauptete letzthin ein Flyer der ANIEF, der für einen Streik gegen die Corona-Maßnahmen warb. Nein, ist sie eben nicht. Jede Meinung ist eine Meinung, aber deshalb nicht automatisch eine Tatsache. Und Fake News zu verbreiten ist für die Gesellschaft mit Sicherheit schädlicher als ebendiese, auch harsch, anzukreiden.

Wenn wir in punkto Ausländerhass wieder zu Hochform auflaufen, kann’s nicht mehr so schlimm sein mit der Pandemie

Nicht überzeugt? Nun gut, die Pandemie ist wahrscheinlich doch nicht vorbei solange unsere Kinder ihre Schuljause im Ein-Meter-Abstand an die Wand gereiht verzehren müssen, solange es wieder Besuchsverbote in den Altersheimen gibt und solange das Krankenhauspersonal nicht zur Ruhe kommt und kaum verschnaufen konnte, weil sich die Betten schon wieder füllen. In zwei Monaten wäre die Pandemie in Österreich vorbei, erklärte die Virologin Dorothee von Laer, wenn bis dahin 80 bis 90% der Bevölkerung geimpft wären. Dann könnte man, gleich wie in England und Dänemark, alle Schutzmaßnahmen fallenlassen. Österreich hat derzeit mit einer Impfrate von 59,31% (vollen Impfschutz) ähnliche Voraussetzungen wie Südtirol, das übrigens das Impf-Schlusslicht in Italien bildet. Wir hätten es also in der Hand. Wir selbst.

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Sebastian Felderer Mi., 15.09.2021 - 20:29

Das lässt sich gut lesen, bravo Alexandra Kienzl. Auch die Ironie gefällt mir. Ich habe nur so meine Probleme mit dem Schlusslicht "Südtirol" in Italien beim Impfen. Abgesehen davon, dass 60% eine bereits taugliche Impfrate ist, wenn wir die Anzahl der biologisch Geschützten dazunehmen. 20% sind das sicher in Südtirol, die durch gesunden Lebensstil, regelmäßigen Sport und mit Intelligenz ihr Immunsystem auf Vordermann halten. Dann sind es ja schon 80% und wir sind wieder Spitze in Italien, so wie wir es eigentlich gewohnt sind. Eine Bemerkung zu Italien: Ich würde keine Hand ins Feuer legen für die amtliche Durchimpfungsrate. Wer weiß, ob da nicht nur eine Taktik dahintersteckte, um aus der roten Zone zu kommen ..... Ich freue mich auf den SVP-Bus, mit Gänsbacher als Kartenzwicker und Durnwalder als Chauffeur. Ob die Ersatzreifen dabei haben?

Mi., 15.09.2021 - 20:29 Permalink
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Elisabeth Hammer Mi., 15.09.2021 - 21:40

Antwort auf von Sebastian Felderer

"... wenn wir die Anzahl der biologisch Geschützten dazunehmen. 20% sind das sicher in Südtirol, die durch gesunden Lebensstil, regelmäßigen Sport und mit Intelligenz ihr Immunsystem auf Vordermann halten." Schade, dass sich dieses Gerücht so hartnäckig hält. Wahrscheinlich ist gerade diese Selbstüberschätzung des ach so fitten und gesunden Bergvolkes ein Teil des Problems der niedrigen Impfrate in Südtirol. Intelligenz würde ich in diesem Fall eher mit der Bereitschaft zur Impfung im Sinne des Allgemeinwohles verbinden.

Mi., 15.09.2021 - 21:40 Permalink
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M Ma Mi., 15.09.2021 - 22:49

Antwort auf von Sebastian Felderer

Dann nehmen wir zu den 60% geimpften und den 20% biologisch Geschützten noch die rund 30% Genesenen und wir sind bei 110%. Das schafft sicher kein Land der Welt.
Aber vielleicht hilft auch einen Teil der 40% Ungeimpften nochmals in die Schule zu schicken für die mathematik Grundlagen.

Mi., 15.09.2021 - 22:49 Permalink
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Stereo Typ Mi., 15.09.2021 - 22:18

Und wieder alles wild durcheinander: "verschwörungstheoretische Praxis", "Coronaleugner*innen", "Talferwiesen-Freiheitskasper", "Fake News" auf der einen Seite, "Professor Durchlaucht Hochwürden Gänsi", "Impfbefürworter*innen" und "Tatsachen" auf der anderen Seite. Und dann von einer Spaltung der Gesellschaft nichts wissen wollen (die dann auch noch "von linker Seite" kommen soll). Recht uninspiriert und wenig ironisch.

Mi., 15.09.2021 - 22:18 Permalink
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S. Bernhard Do., 16.09.2021 - 10:06

Frau Kienzl, auch Sie tragen nicht unbedingt zur Entschärfung der "Spaltung der Gesellschaft" bei. Mit Klassifizierungen wie Kaper, Verschwörer oder Leugner outen Sie sich nun auch als geimpfte Oberlehrerin. Ich leugne nichts, halte nichts von komischen Theorien und will auch nicht auf die Talferwiesen. Ebenso wenig müssen Sie mir das Händchen halten. Als kritischer und halbwegs gebildeter Mensch macht man sich nun mal Gedanken, ich denke nicht, dass dies verboten ist. Und warum darf ein Klauber mit einem kostenlosen Nasenflügeltest arbeiten und ich sollte jeden zweiten Tag einen Antigentest um 15€ machen um in Zukunft arbeiten zu dürfen? Natürlich bin ich jetzt auch noch Rassist, da ich mir erlaube diese Frage zu stellen, aber damit kann ich leben. Wahrscheinlich fragt deshalb kein "Journalist" beim Oberdoktor Franzoni nach, der nicht verstehen kann warum sich die Leute aufregen, denn der Nasenflügeltest ist ja für alle gratis. Nur kann ich damit nichts anfangen, da er nicht akzeptiert wird. Die geimpften Übermenschen können sich nun wie es aussieht allerdings beruhigen, da wohl auch in der Privatwirtschaft der grüne Pass (besser gesagt Impfung) Pflicht wird. Denn wer wird sich denn jeden zweiten Tag testen lassen? Ist wirtschaftlich und auch logistisch nicht möglich. Herzlichen Glückwunsch, Ihr habt gewonnen!

Do., 16.09.2021 - 10:06 Permalink
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Martin Sitzmann Do., 16.09.2021 - 10:30

Lustig wie immer - Kienzl at her best!
Unvergessen die gefährlich drohenden Worte von Gänsbacher bei unsäglich deppaten Radiozuhörer-Beiträgen: "Horchen Sie...!" Habe ich mir abgeschaut, wenn mir jemand ganz blöd kommt.
Und übrigens: Nicht alle Schüler*innen müssen aufgereiht in 1 m Abstand durch die Maske ihr Pausenbrot essen... es gibt auch Direktoren, die heuer und bis auf weiteres in Wahrnehmung der eigenen Verantwortung das Sicherheitsprotokoll abändern und für Sportunterricht und Pausenhof generell die Maskenpflicht abgeschafft haben.

Do., 16.09.2021 - 10:30 Permalink
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Alois Spath Do., 16.09.2021 - 20:07

Antwort auf von Martin Sitzmann

Darf ich höflich nachfragen, in welchen heldenhaft geführten Schulen die Kinder nicht mehr durch die Maske ihr Pausenbrot essen müssen?
Und wo wurde das Sicherheitsprotokoll derart abgeändert, dass jetzt Kinder in der Pause im Freien gar nicht mehr Maske tragen müssen? Nur so um eine Idee zu haben; könnte ja auch Nachahmer finden. Außer natürlich, das fällt unter den Geheimhaltungskodex wegen subversiver Tätigkeit....

Do., 16.09.2021 - 20:07 Permalink
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Martin Sitzmann Fr., 17.09.2021 - 11:16

Antwort auf von Alois Spath

Da empfehle ich einen Lokalaugenschein im Heimattal...
sooo subversiv finde ich das nun auch wieder nicht.
Die einschlägigen Gesetzestexte und Verordnungen benennen, wer von der Maskenpflicht befreit ist - da ist u.a. die Rede von "Menschen bei der Ausübung von sportlichen Aktivitäten". In bester italienischer Rechtstradition bietet das einigen Raum für Interpretation. Für mich sind Kinder und Jugendliche, die im Pausenhof herumtollen, Fangen spielen und Seil hüpfen, "Menschen bei der Ausübung von sportlichen Aktivitäten".
Ich habe den Eindruck, dass die Pandemie den Blickwinkel immer mehr verengt. Gesunde Kinderseelen sind mir mindestens ebenso wichtig wie gesunde Kinderlungen. Beides sehe ich durch die Befreiung von der Maskenpflicht im Freien gefördert.

Fr., 17.09.2021 - 11:16 Permalink
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Stereo Typ Do., 16.09.2021 - 14:38

"Lustig wie immer" - aber längst nicht für alle. Für viele kommen neue Probleme auf sie zu, mit der ganzen Testerei und schließlich der Impfung. Viele werden sich impfen lassen, ja, aber widerwillig und mit großem Unbehagen.

Do., 16.09.2021 - 14:38 Permalink
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Peter Gasser Do., 16.09.2021 - 17:34

Antwort auf von Stereo Typ

Ja, “lustig” ist es für niemanden, auch für die Geimpften nicht, wenn die Ungeimpften die Rückkehr zum normalen Leben doch, wie es scheint, etwas zu gefährden scheinen: europaweit sind etwa 80-90% der Hospitalisierungen und der Intensivpatienten jeweils ungeimpfte Patienten.
Im Gegensatz dazu konnten in Dänemark die Maßnahmen wegen einer hohem Impfrate und hoher Maßnahmendiziplin der Bevölkerung von über 90% aufgehoben werden.
Um die Fakten kommt man halt nicht herum.

Do., 16.09.2021 - 17:34 Permalink
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Profil für Benutzer Stereo Typ
Stereo Typ Do., 16.09.2021 - 17:46

Antwort auf von Peter Gasser

Ja, der Zweck heiligt die Mittel, ist mir schon klar. Trotzdem kann man der Impfung skeptisch gegenüberstehen, es geht ja um nichts weniger als die Gesundheit. Wäre halt schön, einen vollends ausgetesteten Impfstoff zu haben. Keinen Bock auf Russisches Roulette.

Do., 16.09.2021 - 17:46 Permalink