Wirtschaft | Screening

Kein Neustart ohne Abstriche

Wirtschafts- und Arbeitnehmerverbände rufen geschlossen zur Teilnahme an dem Corona-Massentests auf. Für den Handel gibt es eine Erleichterung.
Covid-19-Studie Vinschgau
Foto: Eurac Research/Annelie Bortolotti

Der Countdown läuft: Am Wochenende finden südtirolweit die Corona-Massentests statt. Am 20., 21. und 22. November sollen rund 350.000 Bürger einem Antigen-Schnelltest unterzogen werden. Dafür wird ein Nasen-Abstrich durchgeführt, für den nach maximal 30 Minuten das Ergebnis feststeht. Das Ziel: In kürzester Zeit so viele Infizierte wie möglich feststellen, für 10 Tage isolieren, dadurch die Infektionsketten unterbrechen und eine schrittweise Rückkehr in das Leben mit dem Virus und aus dem 15-tägigen Bildungs- und Wirtschaftslockdown ermöglichen. Sabes-Generaldirektor Florian Zerzer rechnet mit 10 Prozent, also 35.000 Infizierten, die mithilfe des Corona-Screenings ausfindig gemacht werden könnten. 35.000 Personen – falls alle 350.000 Bürger mitmachen. Sollten sich nicht genügend Personen beteiligen, um einen Überblick über die epidemiologische Situation zu erhalten, können Schul- und Betriebsschließungen über den 29. November hinaus verlängert werden.

Am Sonntag hat Bundeskanzler Sebastian Kurz angekündigt, dass es auch in Österreich Massentests vor Weihnachten geben soll. Im Nachbarland tritt ab dem morgigen Dienstag (17. November) ein zweiter Lockdown in Kraft.

Die Situation in Südtirol bleibt weiter äußerst angespannt. Am Wochenende wurden insgesamt 1.318 Neuinfektionen gemeldet – rund zwei Drittel der neu getesteten Personen waren positiv. Erstmals ist die Zahl der aktiven Fälle auf über 10.000 angestiegen – 10.290 Personen sind derzeit infiziert. Zum ersten Mal sind auch alle 116 Gemeinden betroffen. Proveis war bis zuletzt die einzige Gemeinde, aus der (seit Beginn der Pandemie) kein einziger Corona-Fall gemeldet wurde. Nun gibt es auch dort einen Fall. 398 Personen sind bisher mit Covid-19 verstorben. Übers Wochenende sind 24 neue Todesfälle dazugekommen, 19 allein am Sonntag. 43 Covid-19-Patienten werden auf der Intensivstation betreut, auf den Normalstationen der Krankenhäuser, in den Privatkliniken und in den Quarantänestrukturen in Gossensass und Sarns befinden sich insgesamt 573 Patienten. Mehr als 400 Mitarbeiter des Sanitätsbetriebs – Ärzte, Pfleger, Verwaltungspersonal – sind ebenso positiv wie 312 Bewohner und 330 Angestellte der 76 Seniorenwohnheime.

 

Appelle und 100 Euro

 

Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Handwerker rufen – in seltener Einigkeit – auf, sich an der Testreihe am Wochenende zu beteiligen. Insbesondere, weil Mitarbeiter, die sich nicht testen lassen, die Woche darauf, also bis 29. November, nicht in den Betrieben eingesetzt werden können. Das sieht die Verordnung des Landeshauptmannes Nr. 69 vom 12. November vor. Die Produktionstätigkeiten bleiben weitestgehend aufrecht, allerdings mit verschärften Sicherheitsauflagen. Und wer dem Arbeitgeber nicht nachweisen kann, am Corona-Screening teilgenommen zu haben, muss er die Abwesenheit mit Urlaub oder unbezahlter Freistellung beantragen.

“Verantwortung gegenüber dem Gesundheitssystem, Respekt gegenüber den Arbeitskolleg*innen sowie deren Familien und die Möglichkeit, einen persönlichen Beitrag für einen sicheren Neustart des wirtschaftlichen und sozialen Lebens in Südtirol zu leisten: Dies sind die Hauptgründe, die alle Südtiroler*innen überzeugen sollten, am Corona-Screening teilzunehmen”, heißt es in einem gemeinsamen Appell des Unternehmerverbands und der Gewerkschaften CGIL/AGB, SGBCisl, UIL-SGK und ASGB. “Die Teilnahme am Corona-Screening sollte nicht als Zwang gesehen werden, sondern als einmalige Chance, in dieser Ausnahmesituation einen konkreten Beitrag für unser Land leisten zu können.” Auch der Präsident des Handwerkerverbands lvh, Martin Haller, meint: “Nutzen wir die Chance und lassen uns testen! Diese Aufforderung soll nicht als Erpressung interpretiert werden, sondern als Chance, so schnell wie möglich Betriebe und Schulen wieder komplett zu öffnen. Wir tragen auch eine große soziale Verantwortung, der wir professionell nachkommen sollten. Die Landesregierung war sehr entgegenkommend in der letzten Verordnung. Wir haben einen Vertrauensvorschuss erhalten, den wir nun zurückgeben sollten.”

Bereits einen Schritt weiter gehen einige große Arbeitgeber des Landes und lassen auf die Worte Taten folgen. Die Südtiroler Sparkasse und das Rittner Unternehmen Finstral zahlen jedem Mitarbeiter, der an den Testungen teilnimmt, eine Sonderprämie von 100 Euro. Aus Verantwortungsbewusstsein, heißt es von Sparkassen-Präsident und -Generaldirektor Gerhard Brandstätter und Nicola Calabrò, die rund 1.000 Angestellte beschäftigen. “Lasst uns gemeinsam diese Welle brechen”, rufen der Präsident des Finstral-Verwaltungsrates Joachim Oberrauch und seine beiden Vize, Luis und Florian Oberrauch auf.

 

Zuhause bestellen, vor Ort abholen

 

Indes gibt es für den Handel eine Erleichterung. Der Handels- und Dienstleisterverband hds hatte in den vergangenen Wochen mehrmals lauthals gegen die weitreichenden Betriebsschließungen protestiert. In einem Rundschreiben teilte Wirtschaftslandesrat Philipp Achammer am Samstag mit, dass es ab Montag (16. November) erlaubt ist, dass Kunden Ware, die sie telefonisch oder online bestellt haben, vor dem Geschäft abholen.

Bei der Warenübergabe müssen sämtliche Sicherheitsvorschriften eingehalten werden, in das Geschäftslokal selbst dürfen die Kunden nicht, auch die eigene Gemeinde darf für den Einkauf nicht verlassen werden. “Die Shoppingtour ist weiterhin nicht möglich. Man kann ausschließlich im eigenen Ort bestellte Ware vor dem Geschäft abholen. Nichts anderes. Bisher war es auf Hauszustellung beschränkt”, präzisiert Achammer.