Politik | SVP

Eine Partei sucht sich selbst

Die SVP will sich für die Zukunft rüsten – wie stellt sich Obmann Philipp Achammer seine Partei künftig vor? “Jünger, sozialer, weiblicher. Offener und flexibler.”
Philipp Achammer & Stefan Premstaller
Foto: SVP Mediendienst

Stimmenverluste, Mitgliederschwund, interne Streitigkeiten, unzufriedene Funktionäre im ganzen Land: Die SVP schwächelt. Und mit ihr der gesamte Parteiapparat. Wenig verwunderlich, dass sich der Parteiobmann besorgt zeigt. “Ich sage es ganz offen und ehrlich: Die Partei wird sich erneuern und verändern MÜSSEN.” Mit dieser Ansage tritt Philipp Achammer am Montag Vormittag vor die Medienvertreter. Gemeinsam mit dem Parteisekretär präsentiert er die “SVP Zukunftswerkstatt” – eine Initiative, mit der ein parteiinterner Reflexions- und Reformprozess in Gang gesetzt werden soll. Denn: Die Volkspartei will ihrem Namen und dem Anspruch einer Sammelpartei auch 74 Jahre nach ihrer Gründung noch gerecht werden.

 

Neue alte SVP

Für Stefan Premstaller ist es der erste öffentliche Auftritt als neuer SVP-Landessekretär. Der 28-jährige Sarner, der von seinen internen Unterstützern heute schon als “politischer Parteisekretär” gepusht wird, gibt sich entschlossen. Antworten auf die bröckelnde Parteistruktur gelte es zu finden, auf die zunehmende Personifizierung in der Politik, die schwindende Bindung der Mitglieder und Funktionäre.

“In Zeiten, in denen populistische Kräfte die Volksparteien europaweit in Bedrängnis bringen, in denen neue Bewegungen mit neuen Farben und neuen Namen wie Pilze aus dem Boden schießen, in denen Parteien gar nichts kosten dürfen und daher im Hintergrund nicht mehr arbeiten können – sind da Volksparteien überhaupt noch aktuell?” Als Parteiobmann kann Philipp Achammer diese Fragen nicht mit Nein beantworten. Aber er weiß, dass sich die alte SVP, will sie weiterhin bestehen können, ein neues Profil geben muss. “Jünger, weiblicher und sozialer”, soll sie werden, sagt Achammer, “offener und flexibler”. Kurzum: moderner.

 

Dreierlei Baustellen

Dass dazu “die x-te Statutenreform” nicht reicht, ist auch dem Parteiobmann bewusst. Vielmehr soll ein tiefgreifender Veränderungsprozess in Gang gesetzt werden – und das im Eiltempo. Einen Monat haben die 280 SVP-Ortsgruppen Zeit, Vorschläge zu sammeln und Maßnahmen vorzuschlagen, wie die SVP sich für die Zukunft rüsten soll. Geschehen soll das anhand von drei Kernfragen:

Wie kann die Mitglieds- und Funktionärsstruktur gestärkt werden?

Die Entfernung zwischen den mittlerweile auf rund 37.000 zusammengeschrumpften Parteimitgliedern und den gewählten Mandataren bzw. der Parteiführung wird immer größer. Grund dafür sind auch die Ortsgruppen, die sich laut Achammer “zunehmend schwer tun, politische Arbeit zu leisten und Sprachrohr zu sein”. Daher soll die Rolle der Ortsgruppen künftig aufgewertet werden. Unter anderem sollen sie enger als bisher in die Entscheidung über “die großen Programme” der Partei eingebunden werden. Außerdem sollen auch die Mitglieder verstärkt in der SVP mitbestimmen können, etwa über Online-Votings. Und nicht zuletzt will man die SVP-Bürgermeister nicht nur als institutionelle Funktionäre, sondern als wahre Parteifunktionäre “stärker an die Partei binden”, so Achammer.

Wie kann sich die SVP für jene öffnen, die sich nicht dauerhaft binden wollen?

“Jeder muss zu jedem Zeitpunkt bei uns willkommen sein – und nicht nur wenn Wahlen oder die Erneuerung der Parteigremien ansteht.” So lautet die Devise des Parteiobmannes. Insbesondere bei den Arbeitnehmern verortet Achammer Handlungsbedarf – “und der kann nicht auf ein Büro mehr oder zusätzliche hauptamtliche Mitarbeiter reduziert werden”, gräbt der Parteiobmann Arbeitnehmerchef Helmuth Renzler das Wasser ab. Der hatte immer wieder bemängelt, dass die Schwäche des Sozialflügels vor allem auf einen Ressourcenmangel zurückzuführen sei. “Schneller, flexibler und offener” müsse die Partei werden – “vor allem von den Arbeitnehmern erwarte ich mir das”, wiederholt Achammer. Es brauche “eine wirkliche Sozialpartnerschaft” innerhalb der SVP – auch um den Überhang an Landwirtschaft und Wirtschaft in der Partei auszugleichen. Dass Unternehmer und Bauern stark vertreten seien, sei zwar “gut”, meint Achammer. Aber ein stark gestutzter Sozialflügel auf der anderen Seite sei “überhaupt nicht gut”. Unabhängig von der Parteizugehörigkeit sollen Interessierte zur Beteiligung bei themen- und projektbezogenen Anliegen eingeladen werden.

“Alle Alters- und Interessengruppen müssen gleichermaßen und in derselben Stärke vertreten sein.” (Philipp Achammer)

Wie kann die SVP die Themenführerschaft, die sie für sich beansprucht, beibehalten?

Weil sich die SVP als “DIE Ideenschmiede” (Zitat Achammer), versteht, sollen Diskussionen über die Parteistruktur hinaus angeregt werden – gemeinsam mit Verbänden, Vereinen und Organisationen. Man will “die Meinungsmacher im Land zur Teilnahme an der Entscheidungsfindung einladen” und dadurch das Know-How sowie die politische Bildung in der Partei stärken. Den idealen Ort für derartige Prozesse sieht der Parteiobmann in der parteieigenen Silvius-Magnago-Akademie, in der seit Kurzem der Europarechtler Walter Obwexer den Vorsitz übernommen hat.

 

Am 15. April sollen die Vorschläge aus den Ortsgruppen zu diesen drei Baustellen in einer Klausur mit Parteiausschuss, Ortsobleuten und Bürgermeistern besprochen werden. Am Samstag, 4. Mai, sollen die Ergebnisse der “Zukunftswerkstatt” schließlich auf der SVP-Landesversammlung besiegelt werden. Dann wird sich zeigen, welche Taten den vielen Worten vom heutigen Vormitttag folgen werden. “Ich hoffe, dass nicht nur die guten Absichten bleiben”, kommentiert ein Parteimitglied unmittelbar nach der Pressekonferenz am Montag Vormittag.