Gesellschaft | Laborfleisch

Es geht um die Wurst

Die Regierung hat einen Gesetzesentwurf zum Verbot von synthetisierten Lebensmitteln geplant. Ein Überblick der wissenschaftlichen Diskussion.
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Foto: Provinz Trient
Die italienische Regierung hat einen Gesetzesentwurf geplant, der die Herstellung und den Verkauf künstlicher Lebens- und Futtermittel verbieten soll. Dieses Vorhaben wurde am vergangenen Donnerstag mit Mitgliedern des Senats, Parlaments und der Politik diskutiert, da es Bedenken gibt. Wie Salto.bz berichtet, äußern sich gestern auch Senator Luigi Spagnolli und Abgeordneter Alessandro Urzì zum Thema synthetisiertes Fleisch.
Im Zuge der Tagung  „Innovazione a tavola: studiare è meglio che vietare“  nahmen vor einer Woche auch diverse Akademiker*innen und Forscher*innen aus unterschiedlichen Fachgebieten teil und präsentierten ihre Forschungsansichten und Ergebnisse. Die Tagung wurde als Reaktion auf den Gesetzesentwurf und die Debatte über synthetisch hergestelltes Fleisch einberufen. Senatorin Julia Unterberger, Vorsitzende der Autonomiegruppe, meint hierzu: „Mit dieser Tagung wollen wir denjenigen eine Stimme geben, die an die Wissenschaft glauben und keine Angst vor der Zukunft haben.“ Unterberger findet, dass die Regierung nur in die Vergangenheit blickt. Die Regierung hoffe, dass alles so bleibt wie es immer war und spricht zudem von „Frankenstein-Fleisch“, wovor sie die Bevölkerung retten wolle. 
 

Wir dürfen die Wissenschaft nicht knebeln!

 
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie weit die wissenschaftliche Erforschung der Herstellung von künstlichen Lebensmitteln bereits fortgeschritten ist. Bei dieser Ringvorstellung äußerten sich verschiedene Akademiker*innen aus Forschung und Wissenschaft zu diesem Thema. Im Fokus dieser Tagung steht vor allem die Aufklärung über die Produktion von synthetisch hergestellten Fleisch. Dabei werden verschiedenste Aspekte zum Thema Laborfleisch behandelt. Forscher*innen diskutieren über die technologischen Fortschritte und ihre möglichen Auswirkungen auf die zukünftige Ernährungssicherheit. Die Wissenschaftler*innen sind der Meinung, dass die Herstellung von Laborfleisch durchaus positive Auswirkungen bei der Reduzierung von Treibhausgasen, bei der Reduzierung von Land- und Wasserbedarf sowie bei der Verbesserung der Tierschutzes hätte. Auch Senatorin Unterberger ist der Meinung, „dass es möglich sein wird, Fleisch zu essen, ohne dass ein Tier dafür leiden und sterben muss. Leider ist Italien derzeit das Opfer einer unerträglichen ideologischen Kampagne, deren einzige Wirkung es ist, die Forschung zu knebeln und eine Chance für wirtschaftliches Wachstum zu verpassen.“ 
 
 
Julia Unterberger
Julia Unterberger:  „Es wird möglich sein, Fleisch zu essen, ohne dass ein Tier leiden oder sterben muss.“ 
 

Information-Gap und Fake News 

 
In der Diskussion im Plenum ergriff Graziella Messina, Professorin für Bio-Science an der Universität Mailand, als erste das Wort. Sie argumentierte, dass die Stammzellenforschung nur eine weitere Etappe der Wissenschaft ist und auch schon andere Errungenschaften der Wissenschaft kritisch beäugt wurden, wie beispielsweise die Blutspende, die sich jedoch behaupten konnten. Sie erwähnte im Folgenden IPS-Zellen. IPS-Zellen sind Stammzellen, die künstlich „re-programmiert“ werden können. Diese Zellen können mit dem jeweiligen Wunschmaterial bzw. Bauplan versehen werden und daraus neue Gewebe- und Zellstrukturen bilden.
 
 
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Studiare è meglio che vietare: Sergio Saia (links), Stefano Biressi (mitte) und Graziella Messina (rechts) (Foto: Radio Radicale) 
 
 
 
Sergio Saia, der an der Universität Pisa unterrichtet und Experte für Agrarkultur ist, beteiligt sich im Anschluss und argumentierte, dass es drei große Problemquellen bei der Kommunikation von Forschungsfortschritten bei der Stammzellenforschung gibt: die allgemeine Bevölkerung, unseriöse Vermittler von Fake News und seriöse Vermittler von Fake News. Die Angst der Bevölkerung besteht dabei in der Angst vor dem Unbekannten und der Angst vor einer Medienverschwörung. Bei den unseriösen Vermittlern von Fake News geht es um die Erzeugung von allgemeiner Unzufriedenheit, oft auch ohne Ziel. Bei den seriösen Vermittlern hingegen geht es um das Erreichen konkreter wirtschaftlicher oder politischer Ziele, dies können Unternehmer oder auch Politiker sein. In seiner Argumentation unterstrich er den Informations-Gap zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit.
 

Zahlen und Wirtschaft 

 

Im Folgenden äußerte sich Stefano Biressi, der ein Fachexperte für Zellbiologie ist. Biressi verwies darauf, dass in der Stammzellenforschung allein im letzten Jahr über eine Milliarde US-Dollar investiert wurden. Es gibt weltweit bereits 180 Unternehmen, die sich intensiv mit der Stammzellenforschung beschäftigen. Von den 180 Unternehmen befindet sich nur eines in Italien.
Um nicht den Anschluss zu verlieren, schlägt Biressi ein „Italian-Branding“ vor. Die Idee dahinter ist simpel: Synthetisiertes Fleisch wird unter gewissen Standards und Normen hergestellt. Dies sieht man beispielsweise bei den originalen Fiorentina-Steaks. Er verwies zudem darauf, dass es keinen einzigen Beweis gibt, dass synthetisch hergestelltes Fleisch gefährlicher ist als herkömmliches Fleisch bzw. Lebensmittel. Er hob sogar hervor, dass die Standards für die synthetische Fleischherstellung viel strenger sind als jene für Schlachtbetriebe. Biressi ist der Ansicht, dass synthetisierte Wurstwaren viel gesünder sind als Herkömmliche.
Wendet man Biressis Beispiel auf Südtirol an, kann man sich auch die Frage stellen, ob synthetisierter Speck aus Südtirol gesünder wäre als Südtiroler Speck, der aus Schweinen aus den Niederlanden, Polen oder Rumänien hergestellt wird.  
 
 
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Schlachthof für Schweine: Werden Schlachtbetriebe nun durch die Petrischale ersetzt? (Foto von BlackRiv)
 
 
Im Folgenden erwähnte Biressi, dass Italien mehr Fleisch importiert als exportiert. Die synthetische Fleischherstellung könnte dieses Defizit ausgleichen. Darüber hinaus importieren und konsumieren wir bereits Lebensmittel aus Pflanzenhybriden und gentechnisch veränderten Produkten. Als Beispiel hierfür nannte er das „Triticale“, das eine Kreuzung aus Weizen und Roggen ist und bereits seit 1875 gezüchtet wird. Außerdem sind 80 Prozent des Soja Imports nach Italien bereits genmodifiziert verändert. Soja wird hauptsächlich als Viehfutter verwendet.
Im Zuge der wissenschaftlichen Tagung wurde auch erklärt, wie Fleisch synthetisiert wird. Zuerst werden Zellen aus einem Tier entnommen. Aus den entnommenen Zellen werden dann die Stammzellen extrahiert, die mit dem entsprechenden Material versehen und herangezüchtet werden. Anschließend wird die Produktion von Muskeln und Zellen initiiert und an das Endprodukt angepasst.
 
 
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Biressi: Ablauf der Entnahme der Zellen bis zum Burgerpattie (Foto: Radio Radicale)
 
 
Biressi glaubt, dass die synthetisierte Fleischwirtschaft in Italien 16.500 neue Arbeitsplätze in Produktion und Service schaffen würde. Außerdem würde die synthetisierte Fleischwirtschaft zu gesteigerten Steuereinnahmen des Staates führen.
Roberto Defez, Experte für Bio-Science im „Consiglio Nazionale delle Ricerche“ (CNR), ist der Ansicht, dass, wenn die Produktion verboten werden würde, viele kommende Fachakademiker*innen abwandern würden. So verlassen bereits jetzt jährlich 50.000 bis 160.000 Akademiker*innen Italien, um im Ausland zu arbeiten. Dies ist nicht nur verlorenes Know-How, sondern auch verlorenes Kapital, das ins Ausland auswandert und vom italienischen Staat finanziert wurde. Defez sieht also ein nationales Interesse in der Förderung von Akademiker*innen.
 
 

Doch was sieht der Gesetzesentwurf vor?

 

Der Gesetzesentwurf wurde bereits 2019 vorgelegt und sieht das komplette Verbot der „agricultura cellulare“ sowie den Verkauf und Import derselben Güter. Defez äußert sich kritisch über den Entwurf, er äußert sich wie folgt dazu: „Es braucht erstmals ein internationales Expert*innenteam, was sich mit der Forschung, Umsetzung und Ethik auseinander setzt, bevor irgendwer in Italien, der überhaupt keine Ahnung von der Thematik hat, einen Gesetzesentwurf vorlegt. Denn dass, was Italien ausmacht, ist die Nostalgie der Vergangenheit, die uns rückschrittlich macht.“

 
 
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Elena Cattaneo: „Italien ist für die Zukunft nicht gewappnet.“ (Foto: UniPV)
 
 
Abschließend äußerte sich noch Elena Cattaneo, Co-Direktorin an der Universität Mailand für Stammzellenforschung und Senatorin auf Lebenszeit, zu dieser Thematik. Ihrer Meinung nach sei Italien, unabhängig vom Fleisch, nicht gewappnet für die Zukunft. Weiters erklärte sie, dass, wenn es ein Gesetz bzw. Verbot gibt, man auch begründen sollte, warum es dieses Verbot gibt, und dies wurde bis jetzt noch nie erläutert. 
 
 
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Josef Fulterer Do., 20.07.2023 - 06:52

Wenn man die Entwicklungs-Geschichte der ERDE, in den von den Wissenschaftlern geschätzten 4,6 Milliarden Jahren betrachtet, die aus den bisher bekannten 118 Atomen die unglaubliche Vielfalt hervor gebracht hat, die zum Teil schon wieder verschwunden ist,
darunter auch die b e s c h e u e r t e Menschheit, die sich einbildet die Krone der Schöpfung zu sein,
in 1 Jahr soviel von den f o s s i l e n Vorräten v e r g e u d e t, wie vorher in 1.000.000 Jahren endstanden ist und auf dem Weg ist, die ERDE unbewohnbar zu machen + sich selber abzuschaffen,
den Anspruch erhebt, beim Essen, Trinken + Verhalten (... auch mit Rauschmitteln) den Anspruch auf den h ö c h s t e n Genuss zu haben,
sogar als VEGANER mit allerlei chemischen Tricks nach Fleisch schmeckende Ersatz-Lebensmittel k r e i e r t,
dann sollte auch Herstellung von Fleisch in der Petrie-Schale nicht verboten. werden.

Do., 20.07.2023 - 06:52 Permalink
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Massimo Mollica Do., 20.07.2023 - 08:35

Faccio notare che c'è una certa analogia con la mobilità elettrica. Pur di contrastarla si creano vere e proprie fake news per screditarla: colbalto, inquinamento nell'estrazione, batterie da buttare e così via. Si prendono delle molto parziali verità e le si spaccia per certezze assolute. Quindi contro le bufale non puoi controbattere. E' proprio come i terrapiattisti o i novax, o ancora come negli USA coloro che sono per le armi. Per questi vi è un credo fideistico che va oltre la logica e la razionalità. Spesso, come nel caso della mobilità e della carne, il tutto è manovrato da chi ha interessi economici.
Nel caso specifico siamo in Europa e appena sarà disponibile la potremmo mangiare anche noi, con buona pace delle lobby! (e pazienza se arretreremo ulteriormente)

Do., 20.07.2023 - 08:35 Permalink
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Am Pere Do., 20.07.2023 - 09:51

Antwort auf von Massimo Mollica

Ci faccia cortesemente il piacere di illuminarci della verità indubitabile in materia di mobilità elettrica. Lei come dipendente Alperia (indirettamente Neogy), sicuramente è in grado di spiegarci come le materie prime finiscono nelle batterie, da chi vengono prodotte e via dicendo. Lo dica, per cortesia, senza conflitto di interesse nel quale Lei palesemente si trova e ci indichi fonti che sostengono la Sua tesi. Visto che non sarà possibile, La ringrazio in anticipo.

Do., 20.07.2023 - 09:51 Permalink
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Christian I Do., 20.07.2023 - 13:59

Antwort auf von Massimo Mollica

Dal suo commento (e dal "tono" del suo commento) deduco che Lei sia un vero esperto in mobilitá elettrica e vaccini (e altro ancora). Allora avrei piacere sentire da Lei le "certezze assolute" visto che da come dice Lei ci sono molti che sono critici nei confronti della mobilitá elettrica e dei vaccini anticovid (e altro ancora) e riportano fake news. E siccome a me piace ascoltare tutte le parti (e si tratta di moltissimi esperti professori universitari e ricercatori di fama mondiale che non riportano fake news ma studi "scomodi" alla narrazione main-stream), allora Le chiederei gentilmente di riportarci anche le sue certezze ed esperienze. Grazie.

Do., 20.07.2023 - 13:59 Permalink
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Peter Gasser Do., 20.07.2023 - 09:58

Wer glaubt, dass von Wissenschaftlern in den synthetisch hergestellten Coronaimpfstoffen von dunklen Mächten, welche jeden einzelnen beherrschen und bei Bedarf eliminieren wollen, zerkleinerte Rasierklingen eingebaut sind, welche bei Knopfdruck den Menschen von innen zermetzeln, der MUSS natürlich folgerichtig annehmen, dass dies auch im technologisch hergestellten Fleisch so ist, muss also auch dieses Teufelswerk ablehnen.
(ps: natürlich müsste er auch das Handy, den Fernseher, den Computer, fas Auto, das Flugzeug ablehnen).

Do., 20.07.2023 - 09:58 Permalink
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Karl Trojer Do., 20.07.2023 - 11:49

Synthetisch hergestellte Lebensmittel müssten einer umfassenden Kontrolle seitens der EU unterstellt werden, eine Kontrolle die vom Ursprung der Stoffe bis über die Verfahrensweisen, und zur Abnahme des Endproduktes reicht.

Do., 20.07.2023 - 11:49 Permalink
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Dietmar Nußbaumer Do., 20.07.2023 - 14:09

Solche Zeugs sollte auch nicht als Fleisch deklariert werden. Beim Separatorenfleisch ist man konsistenzmäßig nicht weit weg. Im Übrigen wird vom Tier als Fleischlieferanten alles verwertet (bis zum Konsumenten bzw. verfallenen Portionen).

Do., 20.07.2023 - 14:09 Permalink
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Manfred Klotz Do., 20.07.2023 - 16:29

Antwort auf von Dietmar Nußbaumer

Es ist aber Fleisch. Der größte Vorteil von Laborfleisch besteht in der Abkehr von der Massentierhaltung und den damit zusammenhängenden Problemen für die Umwelt. Bis dahin ist es aber ein langer Weg, weil die Produktionskosten anfänglich zu hoch sein werden, um das Laborfleisch konkurrenzfähig zu machen.

Do., 20.07.2023 - 16:29 Permalink
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Salto User
Manfred Gasser Do., 20.07.2023 - 17:00

Blöde Frage, wie wird dieses Fleisch schmecken, wenn doch die Almen, Gräser, Blumen, Antibiotika usw. erst aus der Kuh das Fleisch machen, das wir so gerne haben? Kann man dann ein Bergfleisch bestellen, mit vielleicht etwas Heuextrakt?

Do., 20.07.2023 - 17:00 Permalink