Gesellschaft | Arbeitswelt

Sie sind dann mal weg

Was hat es mit dem ungewöhnlichen Anstieg der freiwilligen Kündigungen in Südtirol auf sich? Anhaltspunkte dazu liefert Stefan Perini vom Arbeitsförderungsinstitut (AFI).
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Foto: Salto.bz
Im Rahmen einer Pressekonferenz zum AFI-Barometer „Sommer 2022“ haben AFI-Direktor Stefan Perini, Cristina Masera, Vize-Präsidentin des AFI, und Landesrat Philipp Achammer das Stimmungsbild der Südtiroler Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen unter die Lupe genommen. Neben Jobaussichten, Inflation und die Gefahr einer Rezession wurde auch das Phänomen der freiwilligen Kündigungen thematisiert. Wie berichtet, hat Stefan Luther, Direktor der Landesabteilung Arbeit, im Rahmen der Vorstellung des Arbeitsmarktberichtes (November 2021 bis April 2022) kürzlich auf den ungewöhnlichen Anstieg freiwilliger Kündigungen hingewiesen. Das Phänomen, das unter der Bezeichnung „Great Resignation“ bekannt wurde, wurde erstmals 2021 in Texas, in den USA, beschrieben. In Südtirol manifestierte sich die „Great Resignation“ durch einen Anstieg der freiwilligen Kündigungen um 27 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, sprich: Rund 9.000 Personen haben freiwillig die Arbeitsstelle gewechselt oder sind aus dem Arbeitsmarkt vollkommen ausgestiegen. Betroffen sind dabei vor allem Personen im Alter zwischen 35 und 45 Jahren, die im vollen Berufsleben stehen. Das Phänomen kann quer durch alle Branchen hindurch beobachtet werden und betrifft beide Geschlechter gleichermaßen. In einigen Berufssektoren häufen sich die Kündigungen jedoch überdurchschnittlich, und zwar in den Bereichen Gesundheit- und Soziales und in der öffentlichen Verwaltung.
 

Warum sie dann mal weg sind

 
Anhaltspunkte auf die Frage, was es mit den freiwilligen Kündigungen auf sich hat, versuchte AFI-Direktor Stefan Perini zu geben. Die Erklärungen beruhten dabei auf persönlichen Einschätzungen und Recherchen in der Fachliteratur. Zwar fehlen rund 4.300 Arbeitskräfte aufgrund der freiwilligen Kündigungen auf einem ohnehin bereits fast leergefegten Arbeitsmarkt, allerdings nehme dieses Phänomen noch keine besorgniserregenden Ausmaße an, so Perini. Dennoch müsse man feststellen, dass 9.000 Personen ihre Arbeit – einen unbefristeten Job – gekündigt haben.
 
 
 
 
Die Gründe dafür macht der AFI-Direktor an mehreren Motiven fest, unter anderem die Suche nach neuen Herausforderungen sowie neuer Lebens- bzw. Arbeitsqualität, in welcher der Fokus auf einer besseren Abstimmung der Work-Life-Balance liegt. Von Burn-Out waren und sind insbesondere Angestellte im Sanitäts- und Sozialbereich betroffen. Während der schlimmsten Phase der Pandemie standen die Mitarbeiter unter einer erheblichen Belastung und haben mit einer Kündigung sozusagen die Not-Bremse gezogen. Bei einer weiteren Gruppe, die dem Impfskeptizismus zuzurechnen ist, spielen die Folgen der Pandemie eine erhebliche Rolle. Diese Gruppe will sich nicht vom Staat eine Impfung vorschreiben lassen. Schließlich gibt es noch eine Gruppe, die vor allem in unterbezahlten Jobs tätig ist, kaum 1.000 Euro pro Monat verdient und sich lieber für das Bürgereinkommen entscheidet bzw. sich nebenher noch etwas dazu zu verdienen. Laut Perini dürfte jedoch der „reddito di cittadinanza“, der jüngst in die Kritik geraten ist, weil das Bürgereinkommen angeblich vor allem im Gastgewerbe zu einem Personalengpass geführt hat, eine geringere Rolle spielen als angenommen.
 
Ich glaube, dass Corona für viele ein Schock-Erlebnis war und sie nach der Pandemie den Entschluss gefasst haben, ihre Lebensgestaltung zu überdenken.
 
„Ich glaube, dass Corona für viele ein Schock-Erlebnis war und sie nach der Pandemie den Entschluss gefasst haben, ihre Lebensgestaltung zu überdenken“, so Perini. Die derzeitige Situation –  gekennzeichnet durch einen erheblichen Fachkräftemangel – sei allerdings ein begünstigender Faktor. Die dringend gesuchten Arbeitskräfte könnten sich ihre Arbeitsstelle nach dem besten Angebot aussuchen. „Wir können nicht in Zahlen fassen, welcher Grund bei den rund 9.000 Kündigungen schlussendlich ausschlaggebend war“, betonte der AFI-Direktor. Dazu müsste eine Umfrage unter den Betroffenen durchgeführt werden. Wie Perini auf Anfrage von Salto.bz mitteilte, sei eine derartige Erhebung derzeit jedoch nicht angedacht. Das Phänomen der freiwilligen Kündigungen wolle man allerdings weiterhin im Auge behalten.