Politik | Int.Strafgerichtshof

Kampf den weltweiten Ökosündern

Umweltzerstörer geraten ins Visier des IStGH. Ein Jäger ist Südtiroler.
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Es ist eine kleine Revolution, wenn der internationale Strafgerichtshof (IStGH) fortan auch Ökosünder weltweit strafrechtlich belangen wird. Während der IStGH seine Tätigkeiten bisher fast ausschließlich im Kontext von Kriegsverbrechen ausübte, rücken jetzt auch wirtschaftliche und soziale Verbrechen gegen die Menschlichkeit ins Visier der Staatsanwälte von Den Haag. Einer von ihnen ist der Südtiroler Reinhold Gallmetzer. Ihm ist die Initiative zu dieser Neuausrichtung des Gerichtshofes zu verdanken, vor welchem sich anstatt wie bisher ausschiesslich Regierungsvertreter, hohe Militärs oder Politiker in Zukunft auch Unternehmer und  generell Wirtschaftstreibende verantworten werden müssen.

Aber der Reihe nach. Weil der IStGH schon seit einigen Jahren in der Kritik steht, relativ wenige Fälle wenig effizient zu behandeln, veranlasste Oberstaatsanwältin Fatu Bensouda ihre Staatsanwälte, ein neues Grundsatzpapier auszuarbeiten. Dieses soll künftig helfen, anhand objektiver und transparenter Prinzipien und Kriterien jene Fälle auszuwählen, welche auch Aussicht auf ein finales Urteil durch den Gerichtshof haben. Dieser Working Group gehörte auch Gallmetzer an.

Die Suche galt jenen Fällen, durch welche das Leben möglichst vieler Menschen künftig positiv beeinflusst werden kann, z.B. in dem ein menschenverachtendes Projekt durch angedrohte strafrechtliche Verfolgung verhindert wird. Gallmetzer glaubt, dass gerade Verbrechen, die durch die Zersörung der Umwelt begangen werden, enorme Auswirkungen auf viele Menschen haben. Es war ihm deshalb ein persönliches Anliegen, diesen Gedanken in die Arbeitsgruppe einfließen zu lassen. In diesem Zusammenhang besuchte er im Dezember 2015 die Weltklimakonferenz in Paris, um zu prüfen, welchen Beitrag die Strafjustiz zur Bekämpfung des Klimaproblems leisten kann. Besonders was die illegalen Landnahmen (land-grabbing) betrifft, wurde seine Annahme bekräftigt. Zu den Folgen von land-grabbing zählen mit der Abholzung von tropishen Regenwäldern, der Ausstoss von enormen Mengen an klimaschädlichen CO2, aber auch die Vertreibung von Hunderttausenden von Menschen. Der Ansatz wurde positiv bewertet und mit Experten, Juristen und NGO’s diskutiert. Als Detail der Neuausrichtung wurde es dann von den Staatenvertretern kommentiert und schließlich, nach insgesamt zwei Jahren, im Rahmen des neuen Grundsatzpapiers vergangene Woche veröffentlicht.

Obwohl das neue Richtungspapier auch andere Schwerpunkte wie Sexualstraftaten, Kindesmissbrauch oder Vergehen gegen Kulturgüter beinhaltet, sorgte weltweit vor allem das künftige strafrechtliche Vorgehen gegen Umweltsünder für Schlagzeilen. Diesbezüglich konnten sich Betroffene bisher nur an regionale Menschenrechtsgerichtshöfe wenden, die nicht über die selben Sanktionsmechanismen wie der IStGH verfügen. Mit dem IStGH steht nun ein neuer Ansprechpartner zur Verfügung. Ein erster möglicher Fall steht an: in Kambodscha ist es durch land-grabbing in den letzten Jahren zur Vertreibung von bis zu 350.000 Personen gekommen und die Vertreibungen gehen ungehindert weiter. Die NGO Global Witness spricht von endlosen Menschenrechtsverletzungen. Der IStGH befindet sich nun in der Voruntersuchungsphase. Die Neuausrichtung könnte wesentlich Einfluss darauf haben, ob die Voraussetzungen für eine formelle Ermittlung gegeben sind.

Die Kritik an der Arbeit des IStGH wird damit sicherlich nicht enden. Erwartungen an eine Weltinstanz sind meist unrealistisch. Zählen tut, was gleistet wurde; nicht, was alles nicht getan werden konnte. Dennoch wäre eine Welt ohne IStGH oder UNO faktisch schlechter, als eine Welt mit diesen kontrollierenden Instanzen. Der IStGH ist bisher von (nur) 124 Staaten anerkannt. Nicht einmal die Hälfte der Weltbevölkerung kann sich zum Schutz ihrer Rechte an den IStGH wenden. Weltmächte wie die Vereinigten Staaten von Amerika, Russland oder China sind dem IStGH nicht beigetreten. Zu tief stecken diese starken Staaten in internationalen Konflikten oder in der wirtschaftlichen Eroberung der restlichen Welt. Zum Leidwesen der eigenen Bevölkerung wird es vermutlich alsbald keine Kursänderung geben. Aber Achtung: der IStGH kann auch gegen Staatsangehörige dieser Länder vorgehen, sofern die Verbrechen auf dem Staatsgebiet eines Landes stattfinden, die dem Gerichtshof beigetreten sind. Damit kann unter Umständen auch ein Weltkonzern-Geschäftsmann einer Großmacht auf Reise durch ein assoziiertes Land verhaftet werden.

Die jetzige Neuausrichtung des IStGH kann sich deshalb als sehr wichtig erweisen. Einfluss auf das Weltgeschehen wird sie wohl erst in Jahren haben. Auch der europäische Menschenrechtsgerichtshof benötigte über 30 Jahre, bis er in den 80ern einen konkreten Einfluss auf das Leben der Menschen hatte. Den IStGH gibt es jedoch erst seit 2002. Insofern besteht wenig Hoffnung, dass IStGH Richter Cuno Tarfusser, Ex-Oberstaatsanwalt in Bozen, noch vor Rentenantritt die ganze Tragweite der letzten Neuausrichtung im Internationalen Strafgerichtshof erleben wird. 

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Sepp.Bacher Mo., 26.09.2016 - 17:36

Einerseits ist es sehr wichtig, dass es immer mehr Einrichtungen gibt, um schlimme Dinge in der Welt zu verhindern; andererseits haben viele Maßnahmen und Bestimmungen den Beigeschmack der Bevormundung der entwickelten westlichen Welt gegenüber der weniger entwickelten. Solange man internationale Konzerne sanktioniert und ihr skrupelloses Vorgehen einschränkt (z. B. land-grabbing, Saatgut-Monopol, usw.) bin ich einverstanden. Aber bei bestimmten Dingen (Rodung, Wildererei) muss sich in den verschiedenen Ländern das Bewusstsein auch erst langsam ändern. In Europa und in Nordamerika wurde - und wird noch immer - gerodet und durch Jagd ein Teil der Fauna ausgerottet und die Flora dezimiert.

Mo., 26.09.2016 - 17:36 Permalink