Politik | Autonomie

Veneto top, Lombardia flop

Im Veneto unterstützt eine große Mehrheit Zaias Autonomieforderung. In der Lombardei landet Roberto Maroni eine Pyrrhussieg.
bandiera Veneto
Foto: upi

Die Autonomie-Referenden im Veneto und in der Lombardei haben am Sonntag gegensätzliche Ergebnisse gebracht. Während die Wähler im Veneto ihrem Präsidenten Luca Zaia mit einer Beteiligung von über 57 Prozent den Rücken stärkten, ging in der Lombardei mit rund 37 Prozent nur gut ein Drittel der Wählberechtigten an die Urnen – fast ausschließlich Ja-Wähler. Zaia, dessen Autonomieforderung trotz Regenwetter mit einem Plebiszit von 98,1 Prozent der Stimmen befürwortet wurde, verglich das Ereignis gar mit dem Sturz der Berliner Mauer: "E' un momento storico. Vogliamo i 9/10 delle tasse che paghiamo. E' già pronto un disegno di legge che prevede il passagio di 23 competenze dallo stato alla nostra regione e potrebbe essere ripreso da altre regioni."

Ganz anders verlief die Volksabstimmung in der Lombardei, wo Präsident Roberto Maroni mit einer Wahlbeteiligung von 37,7 Prozent nur einen Pyrrhussieg landete. In der Hauptstadt Mailand erreichte die Beteiligung mit 25 Prozent einen absoluten Tiefpunkt. Wäre ein ernsthafter Gegenkandidat in Sicht, könnte das Ergebnis sogar Maronis Bestätigung bei den bevorstehenden Regionalwahlen in Frage stellen. Der lombardische Präsident: "Sei milioni di elettori del Veneto e della Lombardia ci accompagneranno alle trattative con Roma su nuove competenze. Voglio 24 miliardi in più che mi permetterebbero di fare tutto ció che ora non posso fare."

 

Regierung bietet Verhandlungen an

 

Die Regierung reagierte umgehend mit einem Verhandlungsangebot: "Il governo è pronto ad avviare una trattativa suelle autonomie", versicherte Staatssekretär Bressa. Verhandelt wird auch mit der Emilia Romagna, die einen entsprechenden Antrag gestellt, aber auf ein Referendum verzichtet hatte. Die Regierung wird gut beraten sein, angesichts der Aufregung um Katalonien und der wachsenden Krise der Nationalstaaten in Europa den Anliegen der Regionen entgegenzukommen – unabhängig davon, ob es sich um  leise Autonomieforderungen wie in der Emilia Romagna handelt oder um lautstarke wie im Veneto. Zeitungstitel wie Soffia il vento del Nord scheinen (zumindest vorerst ) übertrieben und lassen sich bestenfalls auf das Veneto anwenden. Auch dort ist der Trend jedoch keineswegs einheitlich: die Wahlbeteiligung schwankte zwischen 40 Prozent in der Provinz Rovigo und 56 Prozent in der Provinz Vicenza.

Das Ergebnis der Volksabstimmungen nährt auch Spekulationen über einen Wechsel Zaias in die römische Regierung. Dass er als Spitzenkandidat für das Rechtsbündnis ins Rennen gehen könnte, scheint jedoch eher unwahrscheinlich.
Fest steht: die Lega ist längst nicht mehr die geschlossene Bewegung, die sie einmal war. Sie ist nun in der politischen Szene Italiens mit vier sehr unterschiedlichen Gesichtern vertreten, die für die inneren Widersprüche stehen:

Der 43-jährige Parteichef Matteo Salvini hat die Bezeichnung "Nord" aus dem Parteinamen gestrichen und die Lega von einer territorialen zu einer  nationalen Rechts-Partei nach dem Modell Le Pens und Straches gemacht. Während er noch vor wenigen Jahren heftige Kampagnen gegen die "terroni" geführt hatte, wirbt er nun im Süden für Stimmen.  Er muss nun die Tatsache verkraften, dass beim Referendum die "alte" Lega gewonnen hat - jene der Autonomie des Nordens.

Der 49-jährige Luca Zaia hat sich als autonomiepolitischer Hardliner der Lega profiliert. Sein Kampf gegen Rom wird im Veneto von einer deutlichen Mehrheit der Bevölkerung unterstützt. Als ehemaliger Landwirtschaftsminister und hyperaktiver Politiker verfügt er auch über Regierungserfahrung und könnte bei einem Sieg des Rechtsbündnisses nach Rom zurückkehren.

Roberto Maroni (67)  ist ein Pragmatiker, dessen Trumpf seine lange Regierungserfahrung als Innenminister und lombardischer Präsident ist.  Das Referendum in der Lombardei hat ihn zwar politisch geschwächt. Bedrohliche Konkurrenten bei der Regionalwahl in der Lombardei, die zeitgleich mit den Parlamentswahlen stattfinden sollen, gibt es vorerst nicht.

Umberto Bossi (76) steht für die nunmehr der Vergangenheit angehörende territoriale Partei Padaniens. Bei der jüngsten Parteikundgebung in Pontida durfte er erstmals das Podium nicht betreten. Bossi wurde letzthin zu einer Haftstrafe von zweieinhalb Jahren verurteit, weil er hohe Summe aus öffentlichen Geldern auf sein Familienkonto umgeleitet hat. Obwohl er seit 27 Jahren im Parlament sitzt, hat ihm Berlusconi einen Listenplatz bei den bevorstehenden Parlamentswahlen angeboten.

Die Verhandlungen zwischen  der Regierung und den drei betroffenen Regionen dürften in Kürze beginnen, aber konkrete Ergebnisse sind in dieser Legisatur kaum zu erwarten. Denn anschliessend muss die Regierung einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen, der vom Parlament mit absoluter Mehrheit genehmigt werden muss. Dabei könnten die Parlamentarier aus den nicht betroffenen (ud bevorzugten) Regionen durchaus der Versuchung erliegen, das Projekt zu Fall zu bringen.