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Lochers Prozesse

Der neue SVP-Landtagsabgeordnete Franz Locher ist dabei den Stromfrieden des Landes platzen zu lassen. Die Hintergründe eines eigenmächtigen und gefährlichen Kreuzzuges.
Locher, Franz
Foto: SVP
Franz Locher ist bei diesen Landtagswahlen der Shooting Star auf der SVP-Liste. Der 52-jährige Sarner Bürgermeister erhielt am Sonntag 11.205 Vorzugsstimmen und landete damit auf Platz 6 der SVP-Gewählten. Noch vor fünf Jahren hatte Locher mit 6.404 Vorzugsstimmen den Einzug in den Landtag verpasst.
Jetzt aber hat sich der Bürgermeister, der demonstrativ und gerne im breiten Sarner Dialekt spricht, mit diesem Wahlergebnis für höhere Weihen empfohlen. Mancher seiner Unterstützer träumt gar von einem Platz in der Landes- oder Regionalregierung.
Doch dazu wird es nicht kommen. Der Grund dafür ist eine Aktion, die man innerhalb der SVP ganz bewusst nicht an die große Glocke hängen will.
Franz Locher hat in seiner Funktion als Bürgermeister ein Verfahren gegen die Landesregierung angestrengt, das für Arno Kompatscher & Co zu einem SuperGau werden könnte. Setzt sich der Sarner Bürgermeister in dem seit drei Jahren laufenden Verfahren vor dem obersten Wassermagistrat (TSAP) in Rom durch, so würde eine der großen Errungenschaften - mit der sich die SVP im Wahlkampf gerne gebrüstet hat - über Nacht pulverisiert: der nach dem SEL-Skandal so mühsam ausgehandelte „Stromfrieden“. Gemeint ist damit der Kompromiss um die Konzessionsvergabe der Südtiroler Großkraftwerke.
Die Folgen wären für die Landesregierung, die SVP und die Landesenergiegesellschaft Alperia verheerend.
 

Verwehrte Akteneinsicht

 
Welches Verständnis von Demokratie und Transparenz Franz Locher in den Landtag mitbringt, hat der Sarner Bürgermeister vier Tage vor den Landtagswahlen exemplarisch zur Schau gestellt.
Am Mittwoch vergangener Woche beauftragte der Gemeindeausschuss Sarntal auf Vorschlag von Bürgermeister Locher die Bozner Rechtsanwaltskanzlei „Platter-Ausserer-Bauer“ mit der Vertretung der Gemeinde in einem Rechtsstreit gegen die „Eisackwerk GmbH“ vor dem Bozner Verwaltungsgericht. Kostenpunkt: 6.870,56 Euro.
Es ist ein Verfahren, das die Gemeinde mit größter Wahrscheinlichkeit verlieren wird, das aber zeigt, wie Franz Locher öffentliche Mittel einsetzt, um einen eigenmächtigen Kreuzzug zu Ende zu führen.
Ausgangspunkt dieses Verfahrens ist ein Antrag der privaten Eisackwerk GmbH, um „die Aushändigung von Kopien sämtlicher sich im Besitz der Gemeinde Sarntal befindlichen Verwaltungsdokumente in Zusammenhang mit der Wasserkonzession GS/2400 für das E-Werk St. Anton im Gemeindegebiet von Bozen sowie mit der Wasserkonzession GS/2401 für das E-Werk Sarnthein im Gemeindegebiet von Sarntal.
Der Antrag wurde am 9. August 2018 bei der Gemeinde hinterlegt. Am 4. September informierte die Gemeinde den Anwalt des Antragsstellers, dass man den Aktenzugang nach Einholung eines Rechtsgutachtens bei der Kanzlei „Platter-Ausserer-Bauer“ ablehne. Die Begründung: Der Antrag sei zu arbeitsintensiv und es gebe in der Gemeindeverwaltung keine Person, die in der Lage sei, den Auftrag zu erfüllen.
 
 
Gegen diese Ablehnung hat die Eisackwerk GmbH jetzt vor dem Bozner Verwaltungsgericht Rekurs eingereicht. Auch weil die Weigerung eine Entscheidung ist, die schwer begründet werden kann.
Zum einen gibt es einen vom Gesetz verbrieften Aktenzugang für jeden Bürger. Zum anderen ist die Eisackwerk GmbH der amtierende Konzessionär und Betreiber des Kraftwerks St. Anton. Das Unternehmen muss nach dem Auflagenheft des Landes der Gemeinde Sarntal jährlich Umweltgelder zahlen. Rund 300.000 Euro. „Wir haben erst vor kurzem 905.890 Euro für die letzten drei Jahre der Gemeinde Sarntal überwiesen“, sagt Eisackwerk-Gesellschafter Karl Pichler zu salto.bz.
Demnach besteht ein klar begründetes Interesse des Antragstellers auf Akteneinsicht.
Das weiß auch Franz Locher. Dass er und der Gemeindeausschuss - auf Anraten der renommierten Bozner Kanzlei - dennoch auf stur schalten, gehört zur Verteidigungsstrategie in einem anderen, weit brisanteren Verfahren.
 

Der Rekurs

 
Die Vorgeschichte ist bekannt: Nach dem SEL-Skandal und dem Urteil gegen Michl Laimer und Maximilian Rainer war gerichtlich belegt, dass die SEL AG und der zuständige Landesrat bei der Vergabe der Konzessionen der Südtiroler Großkraftwerke geschwindelt hatten.
Eine Neuausschreibung aller Konzessionen hätte zu einem potentiellen Milliardenschaden für das Land Südtirol führen können, deshalb einigten sich alle Akteure am Tisch, mit dem Segen der Bozner Staatsanwaltschaft, auf einen Kompromiss. Der Berater Giuseppe Caia arbeitete einen Deal aus, der die Konzessionen für die inzwischen zur Alperia fusionierten, SEL AG und Etschwerke, sicherte. Teil des Deals und vor allem von Landeshauptmann Arno Kompatscher gewollt, war auch die Abgabe des Kraftwerks St. Anton an die Eisackwerk GmbH.
Das Unternehmen von Hellmut Frasnelli und Karl Pichler war es gewesen, das erst den gesamten SEL-Skandal durch Anzeigen bei der Staatsanwaltschaft ins Rollen gebracht hatte. Im Prozess kam dabei heraus, dass die Eisackwerk GmbH der rechtmäßige Sieger der Ausschreibung des Kraftwerks St. Anton ist.
Dieser „Stromfriede“ wurde von allen Seiten akzeptiert. Außer von Franz Locher nicht. Wenige Monate nach der Übergabe des Kraftwerks St. Anton an die Eisackwerk GmbH hinterlegte der Bürgermeister im Namen der Gemeinde Sarntal beim obersten Wassermagistrat in Rom einen Rekurs gegen die Vergabe der Konzession St. Anton an die Eisackwerk GmbH. Eingebracht wurde die Klage auch in diesem Fall von der Rechtsanwaltssozietät „Platter-Ausserer-Bauer“.
Die halboffizielle Begründung für den überraschenden Schritt: Landeshauptmann Luis Durnwalder hätte Locher der Gemeinde Sarntal eine Beteiligung am Kraftwerk St. Anton versprochen.
 

Katastrophale Folgen

 
Dabei ist von Anfang an klar, dass sich der Rekurs nicht nur gegen die Eisackwerk GmbH richtet. Angefochten wurde der Beschluss der Landesregierung zur Konzessionsvergabe. Demnach geht hier ein SVP-Bürgermeister, der inzwischen zum Landtagsabgeordneten geadelt wurde, gegen die eigene Landesregierung vor Gericht vor.
 
Würde ein einfacher Bürger so etwas tun, wäre er oder sie vom Gesetz her nicht wählbar. Weil Franz Locher den Gerichtsstreit aber in seiner Amtsfunktion als Bürgermeister für die Gemeinde führt, greift dieser Unwählbarkeitsgrund nicht.
Wie brisant diese Klage Lochers vor dem obersten Wassergericht ist, zeigt sich an den möglichen Folgen. An der Konzessionsvergabe von St. Anton hängen auch rund ein Dutzend Konzessionen, die an die öffentliche Energiegesellschaft Alperia AG vergeben wurden. Wird die Konzessionsvergabe von St. Anton vom Gericht für unrechtmäßig erklärt, gilt das auch für alle anderen Konzessionen, die mit demselben Beschluss vergeben wurden. Dann würde Südtirols öffentliches Energieunternehmen wie ein Kartenhaus zusammenfallen.
 

Absurder Schritt

 
Selbst neutrale Beobachter gehen deshalb davon aus, dass die Prozesse Lochers gegen die Eisackwerk GmbH weniger dem öffentlichen Interesse dienen, als einem privaten Kreuzzug gegen Hellmut Frasnelli & Co. Auffallend ist, dass einer der rührigsten Unterstützer von Franz Locher im Wahlkampf Altlandeshauptmann Luis Durnwalder war.
 
Wie absurd die Vorgangsweise von Franz Locher und der Gemeinde Sarntal ist, zeigt sich auch an einem anderen Detail. Das Kraftwerk St. Anton liegt auf Bozner Gemeindegrund. Nur die Wasserfassung befindet sich auf Sarntaler Gebiet. Auf Sarner Gemeindegebiet liegt hingegen das gesamte Großkraftwerk Sarnthein, das von einer Tochter der Alperia AG betrieben wird. Vergeben mit demselben Beschluss wie St. Anton.
Geht es wirklich um die Sache, wäre es logisch und konsequent gewesen, dass sich die Gemeinde auch gegen die Vergabe dieser Konzession vor Gericht gewehrt hätte. Genau das haben Locher & Co aber nicht getan.
Diesen Schwachpunkt wollen die Anwälte der Eisackwerk GmbH mit ihrem Antrag um Akteneinsicht dokumentieren. Das ist der Grund, warum die Gemeinde Sarntal, die Herausgabe der Akten verweigert. Denn im Prozess um die Konzession von St. Anton haben in Rom bereits mehrere Verhandlungen stattgefunden.
Franz Locher aber hat mit seiner Wahl in den Landtag jetzt aber ein neues Problem. Formal klagt er vor dem römischen Wassermagistrat gegen die Landesregierung
Es ist jene Institution, in der er jetzt Karriere machen soll.