Politik | Gastkommentar

Die vergesslichen Kritiker

Der Bozner Unternehmer Hellmuth Frasnelli über den unseligen Vergleich zwischen Luis Durnwalder und Arno Kompatscher und das Erbe des SEL-Skandals.
Frasnelli, Hellmuth
Foto: Eisackwerk
Zur Grußadresse von Arnold Tribus zum Geburtstag Arno Kompatschers („bleib nur, Besseres ist nicht in Sicht“) und zur wiederholten Gegenüberstellung des amtierenden Landeshauptmannes Arno Kompatschers mit Altlandeshauptmann Luis Durnwalder, den Herr Tribus offensichtlich bevorzugt, erlaube ich mir Folgendes in Erinnerung zu rufen:
Silvius Magnago hat Luis Durnwalder eine Partei mit ca. 82.000 zahlenden Mitgliedern übergeben. Nach 25 Jahren Durnwalder-Regierung übernahm Arno Kompatscher eine Partei, die nur mehr ca. 38.000 Mitglieder zählte. In der Ära Durnwalder hat die SVP somit mehr als die Hälfte ihrer Mitglieder verloren. Die fehlenden 44.000 Mitglieder machen sich natürlich auch in den Kassen der SVP bemerkbar, es geht auf die Jahre aufgerechnet um Millionenbeträge, welche sich auch in der Zukunft auswirken werden.
 
 
In der Ära Durnwalder hat die SVP mehr als die Hälfte ihrer Mitglieder verloren.
 
In einer Zeit, in der die öffentlichen Gelder nicht mehr so sprudelten wie zu Durnwalders Zeiten, hat Kompatscher mit einer stark geschrumpften Svp die politische Verantwortung übernommen. Dazu zählt natürlich auch das unselige Erbe des SEL-Skandals, der in der strafrechtlichen Verurteilung der verantwortlichen Vertrauensleute Durnwalders endete. Kompatscher hat den darauf folgenden Streit zwischen der SEL und ihren – auch öffentlichen – Konkurrenten mit Diplomatie und Geschick gelöst und dabei die öffentliche Hand und den Steuerzahler vor Schadenersatzklagen in Höhe von ca. 1,5 Milliarden Euro bewahrt. Zugleich hat er der öffentlichen Hand die Verfügungsgewalt über die meisten Großkraftwerke in Südtirol gesichert und damit die schweren Fehler seiner Vorgänger weitestgehend ausgemerzt.
 
 
 
Laut FF beläuft sich der Schaden auf rund 950 Millionen Euro. In einer Leserzuschrift korrigierte die SEL diesen Betrag auf 450 Millionen Euro. Auch das ist ein Erbe der Durnwalder-Ära.
 
Den Schaden, der dadurch entstanden ist, dass die SEL in der Durnwalder-Ära staatliche Förderungen („Grünzertifikate“) für die Erneuerung der Großwasserkraftwerke verpasst hat, konnte Kompatscher nicht wieder gut machen. Die Zeit für diese Förderungen war abgelaufen. Die Sel hat sich zu Durnwalders Zeiten wohl zu sehr darauf konzentriert, Konkurrenten auszubremsen, Innovationen blieben auf der Strecke. Laut einer Recherche der Wochenzeitschrift "FF" vor einigen Jahren beläuft sich allein dieser Schaden auf rund 950 Millionen Euro. In einer Leserzuschrift korrigierte die SEL diesen Betrag auf immerhin noch 450 Millionen Euro, hat also den Schaden bestätigt. Auch das ist ein Erbe der Durnwalder-Ära.
 
 
Ich halte Arno Kompatscher für einen Glücksfall für unser Land.
 
Um die Leistungen Arno Kompatschers gerecht beurteilen zu können wäre es fair, wenn man die weitaus schwierigeren politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, denen sich Durnwalders Nachfolger stellen musste, berücksichtigt. Ich halte Arno Kompatscher für einen Glücksfall für unser Land. Ich wünsche mir, dass alle seine Kritiker die viel größeren Schwierigkeiten seiner Regierungszeit berücksichtigen, wünsche ihm vor allem zum Geburtstag nachträglich alles Gute … und vor allem Verschonung vor den vergesslichen Kritikern.
 
 
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Christoph Mayr Do., 25.03.2021 - 14:17

Und wieder ist mir eingefallen, welches gigantische politische Erdbeben dieser Mann ausgelöst, welchen unglaublichen Mut er bewiesen und wieviel er dabei riskiert hat. Er hat uns gezeigt, dass der Bessere gegen den Mächtigeren gewinnen kann. Es dürfte jetzt allen klar sein, von wem hier die Rede ist, und deshalb mein Vorschlag: Hellmuth for President!

Do., 25.03.2021 - 14:17 Permalink
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Sebastian Felderer Fr., 26.03.2021 - 11:41

Geschätzter Herr Frasnelli! Mein Respekt für das, was Sie leisten und wie Sie sich durchgesetzt haben, ist Ihnen sicher. Mit den vergesslichen Kritikern bin ich nicht so recht einverstanden. Sie sehen den Wechsel an der Spitze natürlich aus Ihrer Sicht und liegen damit bestimmt nicht falsch. Nur ist es so, dass ja nicht der Landeshauptmann allein das "System" ausmacht, in dem und mit welchem wir leben. Ich könnte Ihnen Defizite haufenweise aufzählen, die unter Durnwalder nicht so zum Tragen kamen, die aber vielleicht Ihre Beziehungen zur Landespolitik nicht so betreffen. Sie haben einen SEL-Skandal ans Tageslicht gebracht, aber der Skandale gibt es jede Menge und wird es immer geben. Deshalb sind Kritiker nicht vergesslich, sondern erinnern nur daran, was besser zu machen wäre und wie man es vielleicht machen könnte, wenn man möchte. Und da haben wir es mit einer Partei zu tun, die so schlecht noch nie war, wie sie heute ist. Hier ist sogar gut, dass Kritik "vergesslich" ist. Es würde sich so mancher Ehemaliger im Grab umdrehen, wüsste er um die heutigen Zustände in der Partei. Sie sprechen die schwierigen politischen Rahmenbedingungen des derzeitigen Landeshauptmanns an. Haben Sie da nur Rom gemeint oder auch die hauseigenen Problemchen, die einen Landeshauptmann enorm schwächen, ja sogar handlungsunfähig machen? Es gibt auch eine Welt außerhalb der Energiewirtschaft und die betrifft sicher mehr Leute, als ein paar Großinvestoren. Jedem das Seine, Herr Frasnelli. Was mich betrifft, würde ich mich eher schämen, gegenüber Ungerechtigkeiten zu schweigen, als ein konstruktiver Kritiker zu sein, wenn er auch vergesslich zu sein scheint.

Fr., 26.03.2021 - 11:41 Permalink