Kultur | Salto Afternoon

24 Stunden eingesperrt

Luise und Noah haben ihre Covid 19-Quarantäne verschärft. Sie haben sich 24 Stunden in einen Raum gesperrt, ohne Handy, nur mit Essen und Trinken. Ein Experiment.
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Foto: Salto.bz

Sie wollten wissen, spüren, fühlen, was es heißt, noch mehr eingesperrt zu sein, als nur im eigenen Haus und den rundum 200 Metern während der harten Phase der Quarantäne aufgrund der Covid19 Pandemie im Monat April 2020. Luise und Noah wollten  genauer experimentieren und haben entschlossen, sich für 24 Stunden in einen kleinen Raum einzusperren. Einen Raum, der von den Eltern als Garderobe und Waschraum genutzt wird, wo sich ein Waschbecken und ein WC befindet, sowie ein Fenster, um frische Luft einströmen zu lassen. Strenge Regeln haben sie sich selbst auferlegt: kein Handy, also keine Verbindung nach außen sowie auch kein virtueller Zeitvertreib, nur Spiele, Farbstifte und Papier und Bücher zum Lesen. Sogar einige Hausaufgaben, die zu Zeiten der Corona-bedingt geschlossenen Schulen ja tagtäglich auf dem Programm stehen. Besonders bei Luise, die die fünfte Klasse Volksschule besucht und am Vormittag mit der Mama die schwierigeren Hausaufgaben macht, wie zum Beispiel Mathematik und dann nachmittags die anderen Aufgaben allein erledigen kann. In ihre Quarantäne hat Luise die Italienisch-Aufgaben mitgenommen, Noah hat es vorgezogen keine mitzunehmen.

 

Zum Essen und Trinken kam gerade mal das notwendigste mit, denn sie wollten vor dem Rückzug noch Mittagessen und auch zum „großen“ Mittagessen am folgenden Tag wieder  rauskommen. Es gab also von Mama zubereitetes Fladenbrot mit Essiggurken,  ein gekochtes Ei und Müsli-Riegel zum Frühstück, ein paar Äpfel für zwischendurch und zwei Becher zum Wasser trinken, das es frisch vom Wasserhahn gab. Auch eine Thermosflasche mit warmem Tee, abends zum Einschlafen und morgens zum Aufwachen....

Die Isolierung begann um 13 Uhr eines Montags und endete um 13 Uhr des darauffolgenden Dienstags, die Eltern waren einverstanden und informiert. Auch nahm Luise die Spiegelreflexkamera vom Papa mit, um Foto- und Filmaufnahmen zu machen, sowie ein kleines Tagebuch. Die ersten Stunden vergingen rasch, mit Karten spielen (Uno und Mau-Mau) und anschließendem Verkleidungsritual. Noah zog die Kleider seiner 3 Jahre jüngeren Schwester an und diese die Klamotten ihres älteren Bruders, er 14 und sie 11 Jahre alt. Auswahl hatten sie genug, um den Spaß zu genießen: sie hatten alle Schränke zur Verfügung, denn dieser Raum beinhaltet die Kleidergarderobe der gesamten 4-köpfigen Familie.

Ab und zu gingen sie dann abwechselnd an ihren „Arbeitstisch“, den sie am Wickeltisch, der sich im kleinen Vorraum befindet, improvisiert haben, indem sie diesen einfach umfunktioniert haben: da wurde geschrieben, gezeichnet oder eben Hausaufgaben gemacht. Alles im Stehen, denn den Stuhl hatten sie „draußen“ vergessen.

Dann kam irgendwann mal der Hunger... Die Uhr hatten sie auch vergessen mitzunehmen, aber bald hatten sie herausgefunden, dass sie den Glockenschlag der Kirchturmuhr hören konnten, und so begannen sie dessen Schläge zu zählen, wenn sie darauf aufmerksam wurden. Also wurde aus Hunger gegessen und nicht zu einer bestimmten Uhrzeit, genauso wie sie sogar früher als sonst schlafen gingen, denn als sie aus dem Fenster schauten, dachten sie aufgrund der angebrochenen Dunkelheit, es wäre schon spät geworden, hörten dann aber, dass der Kirchturm „erst“ neun Uhr abends geschlagen hatte. Viel zu früh eigentlich, um ins Bett zu gehen, denn - wie mir Luise am Telefon erzählt - legen sie sich normalerweise eher spät zur nächtlichen Ruhe hin.

Die Nacht verlief unruhig für Noah, er konnte nur schlecht schlafen und am nächsten Morgen war die Lust da drin zu bleiben nicht mehr so groß. Da ging es nur mehr um das Ausharren, um diesem Entschluss treu zu bleiben und es bis zur ausgemachten Zeit auszuhalten. Die Versuchung die Tür aufzusperren und rauszugehen war groß, es war nun schwierig sich in diesem kleinen Raum zu bewegen, ohne dauernd an das „draußen“ zu denken. Das Frühstück half ein bisschen darüber hinweg, dann legte er sich auf seine Matratze, versuchte noch ein bisschen zu schlafen. Das ging aber nicht. Also machte er die Augen zu und seine Gedanken kreisten um das, was in einem Video, in dem das Virus sprach, gesagt wurde, und er dachte an das, was für ihn wichtig ist im Leben: seine Familie und seine Freunde, die haben ihm sehr gefehlt. Auch das Essen mit seiner Schwester war gar nicht wie im gesamten Familienkreis zu speisen. So nahm er das Buch, das er mit rein genommen hatte, wieder her, und begann drin zu lesen, um seine Gedanken woanders hin zu lenken. Zur Geschichte des Charlie Bone und das Geheimnis der sprechenden Bilder, geschrieben von der britischen Kinderbuchautorin Jenny Nimmo. Das funktionierte dann und Noah kam um Punkt 13 Uhr heraus.

Luise hatte gut geschlafen, sie war sehr zeitig aufgewacht und wollte aber warten bis Noah auch aufwacht. Somit hat sie in ihrem Buch, Die Wilden Hühner von Cornelia Funke, noch ein bisschen geschmökert, denn eigentlich ist das ihr Abendbuch, in dem sie immer vor dem Einschlafen einige Seiten dieser „flotten Geschichte“ liest. Dann, nach dem Frühstück und einigen Hausaufgaben wollte auch sie nur raus! Jedoch auch sie - wie Noah - wollte es schaffen, die 24 Stunden durchzuhalten. Nicht vorher aufzugeben, wie ihre Freundin, die sie übrigens auf diese Idee gebracht hatte. Diese hatte sich aber in einen Schrank eingesperrt, allein, mit nichts anderem als nur sich selbst, kein Buch, kein Heft, kein Blatt Papier zum Zeichnen, keinen Bruder oder keine Schwester zum Plaudern und Lachen, zum sich ablenken. Nein, sie hatte die superharte Version gewählt: in einem Kleiderschrank! Nachdem Luise das von ihrer Freundin gehört hatte, wollte sie das unbedingt auch probieren und erzählte es gleich ihrem Bruder Noah, der sofort Feuer und Flamme dafür war.

Beide sind sich darüber einig: ein wichtiges unvergessliches Erlebnis, eine „flotte“ Erfahrung, noch nie hatten sie einen ganzen Tag gemeinsam mit Spielen und Reden, nur sie beide, verbracht.

Für Noah war es die Erkenntnis, diese 24 Stunden auch tatsächlich durchgehalten zu haben, mit nur dem was sie sich mitgenommen hatten, samt seiner kleinen Schwester, denn ihm hat seine restliche Familie sehr gefehlt, wie das Handy, letztendlich aber nur um wieder mit seinen Freunden telefonieren zu können, denn ansonsten war es nicht soooo schwierig, ohne dieses Gerätes auszukommen. Besonders wichtig war für Noah, wieder in die weite Natur und in die frische Luft hinauszugehen.

Luise ist abenteuerlustig, sie möchte das Ganze noch einmal wiederholen, gemeinsam mit ihrem Bruder, in einem anderen Raum, zu einer anderen Zeit, in einer unbestimmten Zukunft. Sie erzählt begeistert von den Vorbereitungen, indem sie zwei Matratzen, eine neben die andere, hineingelegt haben, ihre Bettdecke und einige Polster dazu, um genügend Platz zum Schlafen zu schaffen. Die beiden haben sogar „Work-out“ gemacht, Noah hat die selbsterfundenen Gymnastikübungen in ein kleines Heft eingetragen und gemeinsam haben sie diese dann abends durchgeführt. Morgens einige Stretchübungen, zum Aufwachen. Platz war jedoch nicht genug da, sie mussten sich eben anpassen.

 

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Karl Trojer Di., 26.05.2020 - 16:41

Super die gemeinsame Entscheidung zum außergewöhnlichen Erleben vom Ausgesperrt sein und Durchhalten (und dabei auch noch Spaß zu machen) !

Di., 26.05.2020 - 16:41 Permalink