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Zieht Ötzi ins Ex-ENEL?

Für die Sinloc ist das Ex-ENEL-Areal der beste Standort für das neue Ötzi-Museum – als Teil einer “Kultur- und Wissenschaftsmeile längs der Talfer”.
Ötzi
Foto: Othmar Seehauser

Wohin mit Ötzi? Die Frage nach dem neuen Standort für das Archäologiemuseum endgültig entscheiden wird die Landesregierung. Die von ihr beauftragte Firma Sinloc Spa aus Padua hat indes bereits eine Antwort gefunden. Eine, mit der im Vorfeld kaum gerechnet wurde: Das ENEL-Areal nahe der Drususbrücke eignet sich am besten als neuer Museumsstandort. Das ist das Ergebnis der Standortanalyse, die nun vorliegt. Fünf Standorte hatte die Sinloc in die engere Auswahl genommen.

 

Von zehn auf fünf

 

Anfangs lagen der Sinloc zehn Standorte für das neue Ötzi-Museum vor. Fünf Möglichkeiten wurden ausgeschlossen, da bereits andere Vorhaben an diesen Standorten in die Wege geleitet wurden oder weil sie die Mindestanforderungen nicht erfüllen: das Athesia-Gebäude in der Museumstraße; die ehemaligen FS-Werkstätten auf dem Bahnhofsareal; die Sparkassen-Akademie in der Sparkassenstraße; Schloss Maretsch; der Schulkomplex “Giovanni Pascoli”.
Die anderen fünf wurden als mögliche Standorte eingestuft: der ehemalige ENEL-Sitz in der Dantestraße nahe der Drususbrücke; das Gefängnisareal in der Dantestraße; das ehemalige INA-Gebäude an der Ecke Museum- und Rosministraße; der Virgl und der Sparkassen-Hauptsitz.

 

Warum Ex-ENEL?

 

Für die Bewertung der Standorte wurden fünf Hauptkriterien* festgelegt: Erreichbarkeit und Zugänglichkeit; städtebaulicher Mehrwert; Größe und Entwicklungsmöglichkeit des Standorts; zeitliche Umsetzung.

Mit 83,3 von 100 möglichen Punkten reiht die Sinloc-Studie das Ex-ENEL-Gebäude zwischen Dante- und Marconistraße als ersten.  Vor dem Gefängnis, dem Ex-INA-Gebäude von des Bauunternehmers Tosolini, dem Virgl und dem Sparkassen-Gebäude.

 

Laut den Studienerstellern sind Sichtbarkeit, Erreichbarkeit, Lage und Entwicklungsmöglichkeiten die wichtigsten Faktoren, die den ENEL-Standort auszeichnen. Er punktet auch wegen seiner Nähe zu anderen Museen, dem Auditorium, dem Theater und dem Sitz der Eurac. “Längs der Talfer könnte sich eine Kultur- und Wissenschaftsmeile entwickeln”, heißt es in der Analyse. Als wichtigen Pluspunkt werten die Standortprüfer die große Fläche des Grundstücks, die gestalterischen Freiraum biete. Entwicklungsspielräume ergäben sich zudem aus der Nähe zum Gefängnisareal, das nach dem Bau der neuen Haftanstalt im Süden Bozens frei werde und sich im Besitz der öffentlichen Hand befinde.

 

Ähnliche Merkmale in Bezug auf Lage und Erreichbarkeit sprechen für das zweitgereihte Gefängnisareal (77,7 Punkte), dessen Sichtbarkeit allerdings hinter der des ehemaligen Enel-Geländes zurückliege. Gegen den Standort spricht laut Studie der unsichere Zeitplan, der vom Bau des neuen Gefängnisses abhänge. Eine gute Lage wird auch dem Standort Ex-INA (69,7 Punkte) bescheinigt, der als dritter gelistet ist. Gründe dafür sind die Nähe zu anderen Museen und die Zugänglichkeit. Allerdings sind die architektonischen Gestaltungsfreiräume und die Erweiterungsmöglichkeiten nicht zuletzt auch wegen der Denkmalschutzbindungen begrenzt.

Viele Vorteile aus städtebaulicher Sicht werden einem Museumsstandort am Bozner Hausberg Virgl (68,6 Punkte) zugeschrieben. Architektonische Möglichkeiten, eine relativ freie Raumnutzung und die große Sichtbarkeit sprechen für diesen Standort. Gegen eine Verlegung des Museumssitzes dorthin sprechen die Lage außerhalb des historischen Zentrums und die Entfernung zu anderen Museumsstandorten. Der Standort Virgl schaffe einen neuen Attraktionspunkt außerhalb der städtischen Viertel.

Dem an fünfter Stelle gereihten Standort “Sparkasse” (53,5 Punkte) – ihm war vorab gute Karten eingeräumt worden – wird schließlich eine gute Lage zuerkannt. Die fehlenden oder begrenzten Außenflächen und Außenräume und die auch durch den Denkmalschutz beschränkten Umgestaltungsmöglichkeiten machten es jedoch nur schwer möglich, die Anforderungen eines Museums dieses Ranges bedienen zu können.

 

Landesregierung am Zug

 

Die Ergebnisse der beratenden Standortanalyse sind am heutigen Montag (26. April) in Bozen Landeshauptmann Arno Kompatscher, Bürgermeister Renzo Caramaschi und Vize-Bürgermeister Luis Walcher vorgestellt worden. Die Sinloc – im zeitweiligen Zusammenschluss mit dem Architekturbüro “Weber + Winterle” – erläuterte dabei auch das dreistufige Verfahren, das acht Monate in Anspruch genommen hat.

“Neben der Bewertung nach Kriterien gab es auch einen breiten Beteiligungsdialog mit über 30 Vertretenden von Interessensgruppen. Dabei wurden die Bürgerschaft, die Kreativszene, die Welt der Wissenschaft und Forschung, die Wirtschaftssektoren Handel, Gastgewerbe und Tourismus angehört”, erinnert Caramaschi. Zudem wurden 1000 Museumsbesuchende befragt und analoge Fallstudien nationaler und internationaler Museen analysiert und einbezogen. Gemeinsam mit Walcher will Caramaschi nun den Stadtrat über die Ergebnisse informieren.

Der Ball liegt nun aber bei der Landesregierung. Landeshauptmann und Museumslandesrat Arno Kompatscher wird die nun fertiggestellte Standortanalyse der Landesregierung vorlegen. Voraussichtlich bereits Anfang Mai wird sie sich mit dem Thema befassen und nach einer erneuten Beratung mit den Vertretern der Gemeinde über die weiteren Verfahrensschritte befinden. “Die nun abgeschlossene und nach wissenschaftlichen Kriterien durchgeführte Standortanalyse wird dabei eine wertvolle Entscheidungshilfe darstellen”, so Kompatscher.

Die Studie wird, sobald sie in beiden Sprachen vorliegt, auf den Landeswebseiten veröffentlicht.
 

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Heinrich Zanon Mo., 26.04.2021 - 14:22

Die kurz zusammengefassten Ergebnisse der Studie zur Ermittlung des besten Standortes für ein neues Ötzi-Museum, wie sie jetzt von der beauftragten Sinloc vorgelegt worden sind, erscheinen durchaus nachvollziehbar. Das gilt zum einen für die empfohlene sofortige Aussonderung von fünf der zur Auswahl stehenden Areale und zum anderen insbesondere für die detailierten Einzelbewertungen, mit welchen die als aussichtsreicher eingestuften Areale nach unterschiedlichen Vor- und Nachteilen gereiht wurden.
Es kann durchaus als erstaunliche Überraschung gewertet werden, dass der Ex-ENEL-Komplex die Spitzenwertung erreicht hat, aber vielleicht sollte die Landesregierung über den Fingerzeig jetzt doch sehr konkret und ernsthaft (und vor allem mit dem erkennbaren Willen, zu einer raschen Entscheidung in der Sache zu kommen) nachdenken.
Jedenfalls müsste der aufgekommene Verdacht, die Sinloc könnte mit ihren Anstrengungen eine Bevorzugung der Stiftung der Südtiroler Sparkasse im Auge gehabt haben, jetzt wohl aus der Welt geräumt sein.

Mo., 26.04.2021 - 14:22 Permalink