Politik | U-Ausschuss

Bericht des Schweigens

Der U-Ausschuss zur so genannten “Masken-Affäre” hat die Arbeiten abgeschlossen. Der Abschlussbericht zeigt schonungslos Missstände auf. Die SVP trägt ihn nicht mit.
Oberalp masken
Foto: Sabes

“Gerade bei der Bestellung des zweiten Auftrages ist es zu schweren Fehlern gekommen, die auf eine Verstrickung von politischen Interventionen, der Überschreitung der Kompetenzen und der Vermischung von persönlichen Bekanntschaften mit Verwaltungsstrukturen zurückzuführen sind. Es ist nicht glaubhaft, dass eine Bestellung dieser Größenordnung ohne klare Absprachen und Vereinbarungen, nur mittels einer über E-Mails versandten ‘Wunschliste’ des Leiters der Task-Force erfolgte, der für die Bestellung gar nicht zuständig und auch nicht berechtigt war.”
(*die kursiven Stellen im Text sind Auszüge aus dem Abschlussbericht des Vorsitzenden des Masken-U-Ausschusses)

Die erste Anhörung fand am 12. Juni 2020 statt. Ganz zu Beginn hatte der U-Ausschuss salto.bz-Journalist Christoph Franceschini in den Plenarsaal des Landtages geladen. Anfang April 2020 hatte er über die Ungereimtheiten beim Ankauf tausender Schutzmasken und -mäntel über die Unternehmensgruppe Oberalp AG für den Sanitätsbetrieb berichtet, die sich danach als fehlerhaft herausstellten. Mit den Medienberichten wurde das ins Rollen gebracht, was bald nur mehr als “Masken-Affäre” betitelt wurde.

Eine Konsequenz daraus: Neben Ermittlungen der Staatsanwaltschaft setzte der Landtag einen Untersuchungsausschuss ein, “zur Prüfung, Analyse und politischen Bewertung des Ankaufs und Verwendung von Schutzausrüstungen im Rahmen der Covid-19-Pandemie”. Nun, ein knappes Jahr später, hat der Ausschuss die Arbeiten abgeschlossen. Am heutigen Freitag fand die letzte Sitzung statt. Dabei hat der Vorsitzende seinen Abschlussbericht vorgelegt. Schonungslos zeigt dieser Lücken und Missstände im Krisenmanagement, mangelnde Transparenz und Kommunikation in Sanitätsbetrieb und Politik auf. Dass die Regierungsmehrheit diese Einschätzungen nicht teilt, ist daher kaum verwunderlich.

 

Der Rahmen

 

Dem U-Ausschuss gehört ein Landtagsabgeordneter je Fraktion an. Im Falle des Masken-Ausschusses sind es: Franz Locher (SVP), Rita Mattei (Lega), Carlo Vettori (Forza Italia), Franz Ploner (Team K), Brigitte Foppa (Grüne), Andreas Leiter Reber (Freiheitliche), Sven Knoll (STF), Sandro Repetto (PD), Diego Nicolini (M5S), Alessandro Urzì (Fratelli d’Italia - er ist ausgetreten), Josef Unterholzner (Enzian). Vorsitzender ist Franz Ploner, Vize-Vorsitzender Franz Locher und Schriftführerin Brigitte Foppa.

Zwischen 12. Juni 2020 und 7. Mai 2021 wurden 79 Personen angehört. Die Anhörungen wurden aufgezeichnet und transkribiert. Über die Anhörungen und die Konsultation von Dokumenten sollte festgestellt werden, “ob es bei der Bestellung und der Verwendung der fehlerhaften Schutzausrüstung aus China zu Fehlentscheidungen im Südtiroler Gesundheitsbetrieb gekommen war, ob die Mitarbeiter des Gesundheits- und Sozialwesens ausreichend über die mangelhafte Ausrüstung informiert wurden und ob es zu einer Gefährdung derselben gekommen war”.

Details waren im Laufe der Arbeiten kaum nach draußen gedrungen. Mit umso größerer Spannung wurde der Bericht des Vorsitzenden erwartet. Der Aufforderung, am Inhalt mitzuarbeiten, sind nur Vertreter der Oppositionsparteien nachgekommen. Weder Locher noch Mattei oder Vettori haben einen Beistrich beigetragen. Allein das zeigt, welches Schicksal das 26-seitige Dokument erwartet.

 

Der Inhalt

 

Akribisch wird im Abschlussbericht der Verlauf der “Masken-Affäre” nachgezeichnet:

  • die Warnungen über Materialengpässe zu Beginn der Pandemie
  • die Kontaktaufnahme mit Oberalp

“Trotz allem erhebt sich die Frage, warum gerade ein Textilunternehmen für den Ankauf von medizinischen Schutzmaterialien zum Zuge kam ohne unmittelbare Beziehung zu medizinischen Produkten und medizinischen Heilbehelfen im eigenen Portfolio zu haben. War nur der drohende Notstand der alleinige entscheidende Grund für die Auftragserteilung oder bestand ein Naheverhältnis, damit ein Unternehmer rein auf Vertrauensbasis, ohne jeglichen Vertrag in Vorschussleistung ging?”

“Wahrscheinlich hat die Sanitätsspitze bei Bekanntwerden der negativen Gutachten sich den Grundsatz zu eigen gemacht ‘Nur keine Panik’ auszulösen, um Verunsicherung bei den Mitarbeiter*innen zu vermeiden. Man hat sich also entschieden, die Wahrheit zu verschweigen. Diese defensive Haltung manifestiert sich in den immer wieder getätigten Aussagen ‘Hätten wir Müllsäcke verteilen sollen?’”

  • die Verunsicherung über den Einsatz der Ausrüstungen in den Krankenhäusern und Heimen

“Die Informationen zu den vorhandenen Gutachten wurden nicht in einer transparenten Form an die Entscheidungsträger in den einzelnen Strukturen so weitergeleitet, um beruhigend zu wirken. Vor allem die Bezirksdirektionen erfuhren anfänglich nur über die Veröffentlichung in den Medien bzw. von den ärztlichen Direktoren*innen über den Inhalt der vorhandenen Gutachten und über die Zuständigkeiten der zu treffenden Entscheidungen.”

Fragen nach der rechtlichen Grundlage für den Einkauf der Materialien werden genauso aufgeworfen wie nach dem Warum für die zweite Bestellung im Ausmaß von mehr als 25 Millionen Euro, auf der die Oberalp AG bis heute sitzen geblieben ist. “Innerhalb des Untersuchungsausschusses konnte bis zuletzt nicht geklärt werden, wie es zu dieser finanziell sehr teuren Bestellung (…) gekommen ist. (…) Zu dieser Bestellung weiß weder der Generaldirektor des Sanitätsbetriebes, noch der Landesrat, noch der Leiter der Task-Force, noch die für die Beschaffung zuständigen Beamten, noch der Landeshauptmann etwas.”

 

Die Bewertung

 

Das Zeugnis, das dem Krisenmanagement der Verantwortlichen in Politik und Sanität ausgestellt wird, ist kein gutes: “Bei der Rekonstruktion der Ereignisse zeigt sich, dass bei den Entscheidungsträgern der Landesregierung, in der Führungsspitze des Südtiroler Sanitätsbetriebes Transparenz, offene Kommunikation und breite Einbindung von verantwortlichen Stellen in der öffentlichen Verwaltung nicht zum Standard gehören. In solch weitreichenden Entscheidungen auch bzw. besonders unter Pandemiebedingungen bedarf es standardisierter Verfahren, andernfalls Krisen nicht professionell gemeistert werden können. Dies zeigt sich besonders bei der Auftragserteilung zur Beschaffung der Schutzmaterialien an die Firma Oberalp AG; bereits bei der ersten Bestellung findet sich kein gegengezeichneter Bestellungsvertrag – was unüblich für eine öffentliche Verwaltung ist. Auch in Krisensituationen können Verträge ohne Zeitverlust rasch erarbeitet werden, da entsprechendes Fachpersonal vorhanden ist. Dieser Schauplatz mit seinen sehr bedauernswerten Folgen für das Unternehmen Oberalp AG lässt einen tiefen Blick in das Management und die politische Führung des Sanitätswesens in Südtirol zu. (…) In diesem Kontext macht sich das Fehlen eines aktuellen Pandemieplanes be-merkbar, der die Funktionen des lokalen Zivilschutzes in einer Pandemie definieren würde. Der Zivilschutz konnte seiner primären Aufgabe nicht gerecht werden.”

Der Sanitätbetrieb sei “seiner Sorgfaltspflicht und Verantwortung verzögert nachgekommen” und habe “durch unklare Kommunikation Mitarbeiter*innen im Unklaren” gelassen.


“Hier fehlt ein ganz klares Krisen- und Kommunikationsmanagement, das zum Standard eines Sanitätsbetriebes mit beinahe 10.000 Mitarbeiter*innen gehören müsste.”


Am Ende gibt es eine klare Empfehlung für die Zukunft:

“Es wird dringend geraten, Detailkonzepte für ein Krisen- und Katastrophenmanagement auf den Ebenen der involvierten Ämter der Landesverwaltung, des Südtiroler Gesundheitsbetriebes, der Alten- und Pflegeheime und der Agentur für Bevölkerungsschutz zu erstellen. Dazu zählt auch der Aufbau von Methoden im Umgang mit einer Fehlerkultur. Diese Form der Bearbeitung von Fehlentwicklung im Rahmen der Beschaffung der persönlichen Schutzausrüstung wurde im Rahmen der Anhörung von den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses nicht wahrgenommen.”

 

Die Konsequenzen

 

Von 9 bis 12.30 Uhr tagte der Untersuchungsausschuss am heutigen Freitag ein letztes Mal, um über den Abschlussbericht des Vorsitzenden abzustimmen. Dieser sollte dann der Präsidentin des Landtags weitergeleitet werden. Doch Franz Ploners Dokument wird nicht als offizieller Ausschussbericht auf dem Tisch der Präsidentin landen. Sondern als Minderheitenbericht.

Die Opposition trägt das Dokument fast geschlossen mit. Nur Josef Unterholzner enthielt sich der Stimme. Die SVP bzw. ihr Vertreter im U-Ausschuss Franz Locher hingegen hatte bereits im Vorfeld der letzten Sitzung des U-Ausschusses angekündigt, den von Franz Ploner gefertigten Bericht bzw. dessen Fazit nicht mitzutragen – ohne überhaupt zu wissen, was drinstehen würde. Auch Rita Mattei votierte am Ende mit Locher gegen den Teil ab Seite 10 (“Die Arbeit des Ausschusses”), wo es um die Bewertung der Vorgänge geht. Carlo Vettori war abwesend. Weil die Stimmen im U-Ausschuss nach Fraktionsstärke gewichtet werden, gilt der Bericht  daher als abgelehnt. Die Mehrheit wird nun einen eigenen verfassen und ohne den Konsens der Opposition absegnen.

“Mir tut es innerlich Leid, denn ich habe den Bericht so geschrieben, dass er für alle akzeptabel sein konnte”, sagt Franz Ploner. “Es ist ein ehrlicher Bericht, der den Aussagen der angehörten Personen gerecht wird und sie ernst nimmt. Aber man war nicht bereit, über den eigenen Schatten zu springen und auch einmal Fehler einzugestehen.”

 

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P. H. Fr., 28.05.2021 - 16:04

Allein dieser Satz sagt alles aus...
"Die SVP bzw. ihr Vertreter im U-Ausschuss Franz Locher hingegen hatte bereits im Vorfeld der letzten Sitzung des U-Ausschusses angekündigt, den von Franz Ploner gefertigten Bericht bzw. dessen Fazit nicht mitzutragen – ohne überhaupt zu wissen, was drinstehen würde"
Spart euch die Zeit und macht's wie Frau Ladurner: Juhuuu Ferien

Fr., 28.05.2021 - 16:04 Permalink