Gesellschaft | Maskenaffäre

Die 300.000-Euro-Klage

Während der Sanitätsbetrieb jetzt die Verteilung der Oberalp-Schutzanzüge stoppen muss, ist Florian Zerzer inzwischen vor allem in der „Operation Einschüchterung“ aktiv.
Florian Zerzer
Foto: LPA
Das Schreiben kam Mitte dieser Woche.
Es sind nur wenige Zeilen, die für den Sanitätsbetrieb aber einer mittleren Katastrophe gleichkommen.
Der Absender: Grazia Cerini, Generaldirektorin des „Centro Tessile Cotonieruo e Abbigliamento Spa“ (COT Spa). Unter dem Betreff „Tute asettiche lotto n. 20200309“ heißt es:
 
„A seguito delle prove di laboratorio commissionateci dal Perito del Tribunale di Bolzano sulle tute asettiche lotto n. 202003 09 e dell’autorizzazione del GIP, con la presente Vi informiamo che abbiamo rilevato una disomogeneità del materiale utilizzato nella confezione delle tute rispetto a quanto precedentemente rilevato sui campioni da Voi ricevuti e riportato nel nostro RdP n. 20RA04304 del 30/04/2020. La disomogeneità registrata non consente l’attivazione della procedura in deroga o, se già ottenuta, determina un presupposto per il blocco della stessa.“
 
Diese Zeilen machen mit einem Schlag einen kleinen Erfolg zunichte, den der Südtiroler Sanitätsbetrieb kurzzeitig eingefahren hatte.
Anfang August hatte das Arbeitversicherungsinstitut INAIL grünes Licht für den Einsatz der Schutzanzüge für den aseptischen Gebrauch erteilt. Das technische Komitee des INAIL hatte seine deutliche Meinungsänderung dabei auf ein Gutachten des anerkannten Textilprüfers COT Spa aus Busto Arsizio gestützt. Es handelt sich dabei um das im Schreiben erwähnte Gutachten vom 30. April 2020.
Im Gerichtsverfahren gegen Florian Zerzer und Christoph Engl hat der Richter für die Vorerhebungen Peter Michaeler aber ein Gerichtsgutachten zu allen Schutzbehelfen aus der Oberalp-Lieferung angeordnet. Gutachter Giovanni Maria Stella hat dafür die Schutzanzüge bei der COT Spa prüfen lassen.
 
 
Das Ergebnis, das seit zwei Wochen vorliegt: Die Schutzanzüge entsprechen nicht den gesetzlichen Bestimmungen. Im Gerichtsgutachten geht es dabei aber nur um die "normalen" Schutzanzüge. Jene für den aseptischen Gebrauch wurden nicht erwähnt. Immerhin hatte das Textillabor aus Busto Arsizio bereits Ende April hierfür ein positives Gutachten erstellt.
In Wirklichkeit hat man aber nochmals auch diesen Teil der Oberalp-Lieferung getestet. Dabei sind die Experten zum Schluss gekommen, dass die im April geprüfte Charge und die jetzt vorgelegten aspetischen Schutzanzüge qualitativ völlig unterschiedlich sind.
Das ist der Grund, warum Direktorin Grazia Cerini jetzt das eigene Gutachten widerrufen hat. Damit aber dürfte auch das positive INAIL-Gutachten fallen. Das weiß man auch im Sanitätsbetrieb. Deshalb hat man auch umgehend reagiert.
Der Sanitätskoordinator des Gesundheitsbezirkes Bozen, Roland Döcker, hat noch am Mittwoch ein Rundschreiben mit dem Betreff: „Vorläufiger Stop der Ausgabe und Verwendung der aseptischen Schutzanzüge aus der Lieferung Oberalp“ verschickt.
Döcker schreibt:
 
Einer heutigen Weisung des Generaldirektors Dr. F. Zerzer folgend, wird mit vorliegender Mail die Verteilung und Verwendung der oben genannten Schutzausrüstung untersagt. Weitere Prüfergebnisse beziehen sich auf Mängel in einem spezifischen Lieferungslos mit der Nr. 20200309 aus der Lieferung der Firma Oberalp.
Da es aber bei bereits verteiltem Material schwierig sein könnte, die jeweilige Losnummer festzustellen, weise ich Sie hiermit an, bis auf Weiteres die Ausgabe und Verwendung dieser Schutzausrüstung aus der Oberalp-Lieferung zu stoppen.
Sollte in den Abteilungen und Diensten derartige Schutzanzüge noch lagernd sein, werden Sie aufgefordert, diese dem Zentrallager zurückzugeben.
 
Davon soll die breite Öffentlichkeit vorerst aber nichts erfahren.
 

Rückmeldung: Salto-Artikel


Derweilen scheint Florian Zerzer vor allem in eigener Sache aktiv zu sein.
Obwohl der Generaldirektor von den Untersuchungen des Untersuchungsausschusses des Landtags direkt betroffen ist, hält er es für angemessen, dass er persönlich darüber entscheidet, welcher Zeuge während der Arbeitszeit erscheinen darf oder wer Urlaub für die Anhörung nehmen muss.
Zudem hat sich Zerzer von Ausschusspräsident Franz Ploner die gesamte Zeugenliste übermittelt lassen. Das hat zu klaren Einschüchterungsversuchen geführt. So sind Salto.bz mehrere Fälle bekannt, bei denen Bedienstete vorab von ihren Vorgesetzten vorgeladen wurden, um zu erklären, warum ausgerechnet sie vom Untersuchungsausschuss geladen wurden.
Wie weit Florian Zerzer in seiner Operation Einschüchterung aber geht, zeigen zwei bislang unbekannte Episoden. Salto.bz hat am Montag über die Anhörung im Untersuchungsausschuss berichtet, die am vergangenen Freitag stattgefunden hat.
Der Generaldirektor des Sanitätsbetriebes verschickte am Dienstnachmittag eine Mail mit dem Betreff „Salto-Artikel-Rückmeldung“ und dem Vermerk „Wichtigkeit: Hoch“ an all jene, die am Freitag angehört worden waren.
Das Schreiben:
 
 
 
Ob das zu den Aufgaben eines Generaldirektors gehört, kann man zu Recht bezweifeln. Davon abgesehen: Von jeder Sitzung des Untersuchungsausschusses existiert ein Wortprotokoll. Dort sind sämtliche getätigten Aussagen aufgezeichnet.
Inzwischen beginnt sich Florian Zerzer aber auch auf einer anderen Front zu rühren. Obwohl sich die Ermittlungen der Bozner Staatsanwaltschaft gegen ihn noch im Anfangsstadium befinden, startet der Sanitätsgeneral bereits mit einer Klagewelle.
Dem Autor dieser Zeilen und Salto.bz wurde von Zerzers Anwälten die Einladung für ein Mediationsverfahren vor der Bozner Handelskammer zugestellt. Per Gesetz ist diese Art der Streitbeilegung in Zivilverfahren vorgesehen. Zerzer fordert für acht Salto-Artikel zur Maskenafffäre 300.000 Euro als „Schadenersatz bei schädigenden Veröffentlichungen“.
Doch wir von Salto.bz sind nicht die Einzigen, die per Zivilklage gebremst werden sollen. Dieselbe Einladung zum Mediationsverfahren erhielt auch Paul Köllensperger.
Von ihm verlangt Florian Zerzer 80.000 Euro für eine Presseaussendung, die er für rufschädigend hält.
Langsam scheinen die Masken wirklich zu fallen.
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Dietmar Holzner Fr., 28.08.2020 - 13:53

Antwort auf von Hans Tsrigauner

Ein Mitarbeiter im Angestelltenverhältnis - auch wenn unfähig - tritt verständlicherweise nicht zurück. Er wird aber vom Vorgesetzten entlassen. Und dass dies hier noch nicht geschehen ist (und offensichtlich auch nicht die Absicht besteht), ist der eigentliche Skandal.

Fr., 28.08.2020 - 13:53 Permalink
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rotaderga Fr., 28.08.2020 - 13:21

Was sagen Widmann, Kompatscher und Achammer???
Ist dies wirklich alles "im Namen des Volkes"?

Fr., 28.08.2020 - 13:21 Permalink
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Georg Holzer Sa., 29.08.2020 - 08:49

Eine Schadenersatzklage an wen...? diese wird hoffentlich wohl der/diejenigen erhalten, die nicht zertifizierte Masken, Schlauchtücher und Schutzanzüge mit unserem Steuergeld angekauft, wissentlich die Zertifizierung vertuscht und trotzdem verteilt haben und somit die Steuerzahler und das Sanitätspersonal in Gefahr gebracht haben, oder? Hoffentlich kommt endlich alles ans Tageslicht und die Staatsanwaltschaft ermittelt bald und die wirklichen Verantwortlichen dafür werden Schadenersatz zahlen müssen... ob da 300.000 Euro genügen?

Sa., 29.08.2020 - 08:49 Permalink
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Elisabeth Garber Sa., 29.08.2020 - 10:20

Ich denke, dass in der weltweiten Seuchen-Krise eine lokale 'Covid-19-Suppe' alla Südtirol, mit Fehlern und Pannen, viel weniger heiß gegessen als gekocht werden wird.
Alles besser- trotz Fehlerquote m.M.n. - als das "Management" der USA oder anderer Staaten mit faschistoider Mentalität und verlogenen Führungen.

Sa., 29.08.2020 - 10:20 Permalink
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Adalbert Stifter Sa., 29.08.2020 - 11:59

Hallo, Herr Landeshauptmann!
Darf man den Medien glauben, haben Sie seinerzeit die Entlassung von Schael mit einem Plus von 20.000 Stimmen veranschlagt. Gut, Herr Schael hat die Verantwortung für einen Fehler seiner Mitarbeiter übernommen (Versicherung) und war kein Parteisoldat, der Freunderlwirtschaft pflegte. Schwere Verbrechen!
Heute sind wir mit einem Generaldirektor konfrontiert, der laut Ermittlungen der Staatsanwaltschaft möglicherweise völlig untaugliches Material um Millionen angekauft hat, negative Gutachten vertuschen wollte und vielleicht Menschenleben gefährdet hat.
Natürlich alles Lappalien und kein Grund, einzuschreiten.
Bravo, Herr Landeshauptmann, ist das nicht Chefsache?
Minus 40.000.

Sa., 29.08.2020 - 11:59 Permalink