Wirtschaft | Teil 1

Sicherheit oder Schnellschuss?

Woher kommen Fleisch, Milch und Eier im Gericht? Zwei Gastronomen beziehen klar Position zur nahenden Kennzeichnungspflicht für (einige) tierische Lebensmittel.
Eier und Fleisch
Foto: amin ramezani on Unsplash

Die einen sehen es als einen Schritt Richtung Transparenz, ein Drehen an einer Stellschraube, “um eine außer Rand und Band geratene Entwicklung aufzuhalten”. So begründet die Grüne Landtagsabgeordnete Brigitte Foppa den Gesetzentwurf zur verpflichtenden Angabe der Herkunft von Fleisch, Milch und Eiern für die Gastronomie und andere Verpflegunsgeinrichtungen. Um das Anliegen voranzubringen, ist Foppa eine ungewöhnliche Allianz eingegangen. Mit den SVP-Bauernvertretern Manfred Vallazza – der Gadertaler Landtagsabgeordnete ist Erstunterzeichner des Gesetzentwurfes –, Franz Locher und Sepp Noggler.

Die anderen lehnen das Vorhaben der Agro-Öko-Fraktion energisch ab. Außer Mehraufwand für die gastronomischen Betriebe würde eine solche Kennzeichnungspflicht absolut gar nichts bringen, wettert der Präsident des Hoteliers- und Gastwirteverbandes HGV Manfred Pinzger. Er kündigt an: Sein Verband werde über Helmut Tauber Änderungen zum Gesetzentwurf einbringen. Tauber war bis zu seiner Wahl in den Landtag Pinzgers Vize und sitzt aktuell als Eisacktaler Bezirksobmann im HGV-Landesausschuss. “Die Wirte wissen besser als die Politik, was sinnvoll ist”, meinte Pinzger zuletzt. Kommende Woche ist nun letztere am Zug. Auch die Handelskammer spricht sich gegen den Gesetzentwurf aus, kritisiert ihn als “nicht zu Ende gedacht”. Was aber sagen die, die die neue gesetzliche Regelung, sollte sie beschlossen werden, direkt betrifft?

 

Viele Infos und ein prominenter Abwesender

 

In der Februarsession diskutiert der Landtag den Gesetzentwurf mit dem Titel “Die verpflichtende Herkunftskennzeichnung von Fleisch, Milch und Eiern in der Gemeinschaftsverpflegung”. Werden für ein Gericht Fleisch, Milch oder Eier als Zutaten verwendet, muss die Herkunft dieser Produkte in Aushängen, der Speisekarte “oder in anderen gleichwertigen informationstechnischen Systemen” angegeben werden, heißt es in Art. 1 des Gesetzentwurfes. Als tierisches Lebensmittel nicht betroffen ist der Fisch. Ein interessantes Detail findet sich dann in Art. 2, der definiert, in welchen Bereichen und für welche Produkte das Gesetz zur Anwendung kommen soll: für Fleisch, Hackfleisch und Faschiertes von Rindern, Schafen, Ziegen und Geflügel; für Milch, Butter, Sauerrahm, Quark, Naturjoghurt, Sahne und Frischkäse; für Eier in Form von Flüssigei, -eigelb, -eiweiß oder Trockenei. Davon abgesehen, dass nicht klar ist, ob die Kennzeichnungspflicht nur für Kuh- oder auch Schafs-, Ziegen- oder andere Milch gilt, kommt ein Tier im Gesetzentwurf erst gar nicht vor: das Schwein. Auch im Begleitbericht der Einbringer fehlt es. Dort steht lediglich, dass “Fleisch, das bereits in verarbeitetem Zustand angekauft wurde (z.B. Wurstwaren, Speck, mariniertes Fleisch, getrocknetes Fleisch usw.), (…) nicht mit einer Herkunftsangabe versehen sein [muss]”. Eine bemerkenswert kulante Ausnahme – würde eine Kennzeichnungspflicht etwa für “Südtiroler Speck” doch bedeuten, den Gästen praktisch auf dem Teller zu servieren, dass das Schweinefleisch dafür nicht aus der namensgebenden Region stammt. Sondern zumeist aus Deutschland oder den Niederlanden.

Die Behandlung des Gesetzentwurfes im Landtag wird zeigen, ob hinter der Ausnahme für das Schwein eine begründete Absicht steckt. Oder ob sie versehentlich passiert ist. In Art. 3, der die Details zur Kennzeichnung festlegt, findet sich zumindest ein Hinweis auf Schweinefleisch. Dieser Artikel schreibt vor, dass bei Fleisch, Milch und Eiern in Gerichten künftig das Herkunftsland oder der Herkunftsort angegeben werden müssen. “Herkunftsland” (im Gesetzestext ist auch die Rede von “Ursprungsland”) bezieht sich auf Staaten; “Herkunftsort” auf Ebenen, die kleiner (Südtirol, Bayern etc.) oder größer (Alpenregion, östliches Europa, Karibik etc.) als Staaten sind.

Für die Kennzeichnung von Fleisch werden geltende EU-Vorschriften herangezogen. Woraus sich schließlich folgende Kennzeichnungsangaben ergeben: 

  • Rindfleisch: Geburts- und Aufzuchtsort sowie Ort der Schlachtung
  • restliche Fleischsorten (Schwein, Schaf, Ziege, Geflügel): Aufzuchts- und Schlachtungsort
  • Milch: Land oder Ort, an dem das Tier gemolken wurde
  • Eier: Land oder Ort, an dem die Eier gelegt wurden

 

“Das kann nicht zusammenstimmen”

 

Eine Menge Informationen, die anzugeben aber auf jeden Fall sinnvoll ist – und auch notwendig, sagt Barbara Noflatscher. Die junge Gastronomin führt mit ihrer Familie den Kircherhof in Albeins bei Brixen. Sie sind Teil der Traditionsbetriebe, die sich im “Südtiroler Gasthaus” im HGV zusammengeschlossen haben. Die Gruppe verspricht “echte, ursprüngliche Küche” und muss sich strengen Qualitätskontrollen unterziehen. Kontrollen und Sanktionen – eine Verwaltungsstrafe von 300 Euro, bei wiederholten Verstößen 600 Euro – sind auch im Gesetzentwurf für die Kennzeichnungspflicht vorgesehen.

Das sagt Barbara Noflatscher:

Die Angabe der Herkunft von tierischen Produkten in der Gastronomie ist in manchen Ländern wie der Schweiz bereits gang und gäbe. Als ich meine Ausbildung dort absolviert habe, war es eine Selbstverständlichkeit, im Restaurant die Herkunft des Fleisches zu erfahren. Für die Reaktion unserer Gastwirte habe ich deshalb wenig Verständnis. Bereits seit einigen Jahren schreiben wir auf unsere Speisekarte, woher die Grundprodukte kommen. Unseren Gästen ist es sehr wichtig, einheimisch und regional zu essen und wir als Gastwirte haben die Pflicht, diesen Wunsch zu respektieren und unsere Kunden nicht zu täuschen.

 

Wenn man mit manchen Metzgern in unserem Land spricht, kann die Menge des gekauften Fleisches und die Gästeanzahl in manchen Betrieben nicht zusammenstimmen. Man kann für ein Restaurant nicht ein Mal im Jahr ein Kalb kaufen und das ganze Jahr dieses Kalb auf der Speisekarte angeben. Mit dem Gesetz wäre diese Verbrauchertäuschung vorbei und der Gast kann sich sicher sein, dass die Herkunft des Tieres stimmt. Unsere Branche würde an Glaubwürdigkeit dazu gewinnen und am Ende profitieren alle davon.

 

“Kontraproduktiv und am Wesentlichen vorbei”

 

Das neue Gesetz soll nicht nur für Transparenz sorgen, sondern auch die heimische Berglandwirtschaft unterstützen. Die Einbringer erwarten sich, dass in den Küchen mehr regionale Produkte angeboten und dadurch lokale Kreisläufe angekurbelt werden. Nur wenige Kilometer Luftlinie vom Kircherhof entfernt liegt in Villnöß das Restaurant Pitzock. Inhaber und Küchenchef Oskar Messner hat über Jahre erfolgreich Kooperationen mit Bauern im Tal aufgebaut. Zu seinen Gästen kommt er persönlich an den Tisch und erzählt die Geschichten und Gesichter hinter den Gerichten. Trotzdem kann er dem politischen Vorstoß so gar nichts abgewinnen.

Das sagt Oskar Messner:

Das Grundprinzip ist sehr in Ordnung – immerhin ist es genau das, was ich lebe: die Kreisläufe vor der Haustür aufwerten. Die Machart aber ist absolut nicht in Ordnung. Wenn ich Herrn Vallazza höre, scheint mir, als gehe es darum, sich für die nächsten Landtagswahlen in Position zu bringen. Man will Bauern unterstützen und ihnen Perspektiven geben – aber auf Kosten von anderen. Mir ist schon klar, dass die Milchwirtschaft nicht mehr recht zukunftsweisend ist, speziell für Klein- und Kleinstbauern. Aber Alternativen zu schaffen ist die Aufgabe der Bauern und nicht der Gastwirte.

 

So vage wie das Gesetz gehalten ist, ist es Quatsch. Hinter dem Produkt stehen immer Personen, die wichtige Arbeit leisten. Nur weil “Italien” oder “Südtirol” draufsteht, glaube ich kaum, dass sich etwas Grundlegendes ändert. Außerdem wäre diese Verpflichtung ein riesiger Aufwand. Frau Foppa in Ehren, aber wenn sie meint, das sei nur “eine kleine Zusatzaufgabe”, ist für mich, der wie viele andere 80-, 90-Stundenwochen macht, Schluss. Eine zusätzliche Verpflichtung zu den unzähligen einzuführen, die Gastwirte bereits haben, ist kontraproduktiv. Den Mehrwert von lokalen Kreisläufen und Kooperationen muss zuallererst der Bauer und der Gastwirt selbst erkennen. Es ist nicht sinnvoll, die gesamte Gastronomie von oben in diese Richtung zu lotsen. Interessanter wären Anreize, etwa Beiträge beim Umbau für Betriebe, die in kleinen Kreisläufen einkaufen. Und keine Pflicht mit Strafen. Dieser Schnellschuss geht nach hinten los.

 

Lesen Sie in Teil 2: Zwei weitere Stimmen zum Gesetzentwurf zur verpflichtenden Herkunftsangabe in der Gemeinschaftsverpflegung. Und: Warum manche nicht Stellung beziehen wollen.

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Brigitte Foppa Do., 02.02.2023 - 10:25

Selten greife ich in die salto-Diskussionen ein. Aber die Aussage, ich spräche von einer "kleinen Zusatzaufgabe" für die Gastwirte möchte ich nicht gern so stehen lassen. Ich habe mein halbes Leben im Hotelbetrieb meiner Familie gearbeitet und war dort genau für den Service und die Speisekarte zuständig. Gerade deshalb habe ich an keiner Stelle den Arbeitsaufwand bagatellisiert. Ich weiß sehr genau, was es heißt. Auch im Pro & Contra auf RAI Südtirol hab ich genau das gesagt, wörtlich: "Ja, es ist ein zusätzlicher Aufwand, das wollen wir nicht schmälern, in keinster Weise. Aber die Gäste, sie werden es Ihnen danken!" - das ist mein Ansatz, nicht das Kleinreden der Abläufe. Der HGV redet den Aufwand allerdings mächtig groß und spricht sogar von Bürokratie. Derer wird es überhaupt keine geben. Man muss nicht einmal eine Excel-Tabelle anlegen. Es wird so sein, dass auf dem Menü oder der Karte oder auf einer Tafel im Lokal die Herkunftsorte des Fleisches, der Milchprodukte und der Eier eines Gastbetriebes aufgelistet sein werden. Wenn ein neuer Einkauf dazu kommt, wird der Koch oder die Wirtin das auf der Packung sehen und Weisung geben, die Herkunftsorte zu ergänzen.
Die gesamte Maßnahme wird an sich nichts ändern, aber insgesamt wird ein neues Bewusstsein entstehen dafür, was wir essen - und welche Kreisläufe wir mit unserem Essen am Laufen halten. Auch so entsteht Veränderung. Viele Gastwirt:innen sind hier schon längst auf dem Weg und sie unterstützen auch die Kennzeichnung. dass der HGV sich hier so quer legt, ist eine verpasste Chance für mehr Verbraucher- und Klimaschutz und für die Stärkung der lokalen Kreisläufe. Schade.

Do., 02.02.2023 - 10:25 Permalink
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Dietmar Nußbaumer Do., 02.02.2023 - 20:33

Die Idee ist gut, an der Umsetzung gibt es Kritik. Ich bin kein Gastronom, deswegen nur einen "privaten" Gedanken: Wenn ich beim Metzger Fleisch kaufe, frage ich eigentlich nicht, woher es kommt. Dabei kann höchstens Rind, Schaf und Ziege aus Südtirol kommen. Trotzdem finde ich den Ansatz gut und vielleicht gelingt es so, Tierhaltung in Südtirol attraktiver zu machen und dem Gast der gehobenen Gastronomie etwas Besonderes zu bieten. Lang ist's her, dass ich im Pustertal ein Entrecôte vom Angus-Rind genossen hab. Die Rinder hat der Wirt am zugehörigen Hof selbst gezüchtet, und noch immer kann ich mich daran erinnern, dass es ein außergewöhnlich gutes Fleisch war.

Do., 02.02.2023 - 20:33 Permalink