Wirtschaft | Teil 2

Realitätsfern oder richtig?

Wie sinnvoll ist eine Herkunftsangabenpflicht für Fleisch, Milch und Eier? Eine Ernährungswissenschaftlerin und ein Catering-Inhaber beziehen Stellung.
Milch
Foto: Mihail Macri on Unsplash

Glaubwürdigkeitsgewinn oder absolut kontraproduktiv? Die Meinungen über den Gesetzentwurf der Landtagsabgeordneten Vallazza, Locher, Noggler und Foppa, mit dem die Gastronomie verpflichtet werden soll, die Herkunft von Fleisch, Milch und Eiern in ihren Speisen anzugeben, gehen in der Branche selbst auseinander. Das wird aus den beiden Statements der Gastronomin Barbara Noflatscher und des Küchenchefs Oskar Messner deutlich, die in Teil 1 klar Position bezogen haben. Andere halten sich mit Stellungnahmen zurück. Mehrere Hotelbesitzer, in deren Küchen die Kennzeichnungspflicht ebenfalls gelten soll, ziehen es auf Anfrage von salto.bz vor, sich nicht öffentlich zu äußern. Man wolle sich in diese politische Debatte nicht einmischen, sagt ein bekannter Hotelier, der das Vorhaben für “populistisch” hält. Insbesondere, weil der Bedarf an regionalen und lokalen Lebensmitteln – deren Herstellung soll durch die Kennzeichnungspflicht gestärkt werden, sagen die Einbringer – niemals von Südtiroler Produzenten allein gedeckt werden könne.

 

“Besser Alternativen überlegen”

 

In dieselbe Richtung gehen die Überlegungen von Bettina Schmid. Die Ernährungswissenschaftlerin leitet das Gustelier – Atelier für Geschmackserfahrung des Hoteliers- und Gastwirteverbandes HGV in Bozen. Dessen Präsident Manfred Pinzger spricht sich, wie die Handelskammer, kategorisch gegen die verpflichtende Herkunftsangabe aus. Bettina Schmid bringt sich genauso skeptisch wie konstruktiv in die Debatte ein – und stimmt mit Oskar Messner überein: Wenn bäuerliche Realitäten und die lokale Lebensmittelproduktion gestärkt werden sollen, müssen alternative Wege gefunden werden.

Das sagt Bettina Schmid:

Mit unserem täglichen Essen liegt ein großer Hebel in unserer Hand, um unserem Körper, aber auch unserer Umwelt Gutes zu tun – oder eben auch nicht. Eine zukunftsträchtige Ernährung enthält viel Gemüse, Obst, Getreide, pflanzliche Öle, Nüsse sowie Hülsenfrüchten oder, in kleinen Mengen, auch tierische Produkte wie Eier, Milch oder Fleisch – aus nachhaltiger und das Tierwohl berücksichtigender Landwirtschaft. Wenn diese Lebensmittel aus der unmittelbaren Umgebung stammen, umso besser, stärkt es doch die regionalen Wirtschaftskreisläufe. Auf diesen Teilaspekt zielt die aktuelle Diskussion zur Herkunftsbezeichnung in der Außer-Haus-Verpflegung, die den Gastronomen und Speisekarten weit mehr abverlangt als den Herstellern zusammengesetzter, abgepackter Lebensmittel und deren Etiketten.

 

Fakt ist, dass ein Großteil der ausgewählten – ausschließlich tierischen – Produktgruppen regional nicht verfügbar ist. Da gilt es ernsthaft zu überlegen, ob Bemühen, Geld und Zeit nicht besser in konkreten Projekten zur zukunftsfähigen Ausrichtung von Landwirtschaft und Ernährung und darauf aufbauenden kleinen Kreisläufen investiert sei.

 

“Die Wahrheit sagen”

 

Die Pflicht, auf der Speisekarte oder sonstigen Flächen das Herkunftsland oder den Herkunftsort von Fleisch, Milch und Eiern, die für ein Gericht verwendet werden anzugeben, soll neben Restaurants und Hotels auch in Mensen, Schulen, Krankenhäusern gelten. Genauso wie für Cateringunternehmen. Peter Sölva ist gelernter Koch und Inhaber der Caterings Happystudio Events und Condito in Bozen. Sein Standpunkt ist ähnlich dem von Barbara Noflatscher: Am Ende würden alle profitieren – und schwarzen Schafen ein Riegel vorgeschoben.

Das sagt Peter Sölva:

Das Rind-, Kalb- und Lammfleisch, das wir für unsere Arbeit verwenden, stammt von heimischen Tieren und wir beziehen es vom lokalen Metzger. In der Menüfolge weisen wir schon seit Jahren darauf hin. Bei Milchprodukten machen wir das derzeit nicht, auch weil es schwer nachzuvollziehen ist, ob die Südtiroler Milchhöfe alle Produkte mit 100 Prozent Südtiroler Milch herstellen. Insofern bin ich der Meinung, dass dieses Vorhaben auch für meinen Sektor eine positive Entwicklung bedeutet und da wir diese Regelung ja ohnehin zum Teil schon anwenden, bedeutet sie für uns keinen großen Mehraufwand.

 

Für den Gastwirt bedeutet die Angabe der Herkunftsbezeichnung für Lebensmittel wie Fleisch und Milchprodukte zwar einen erheblichen Mehraufwand, verpflichtet ihn jedoch gesetzlich, die Wahrheit über die Bezugsquellen der eingesetzten Produkte anzugeben. Bisher wurde in vielen Betrieben zum Beispiel auf der Menükarte das Fleisch vom heimischen Tieren angepriesen, wobei aber oftmals billigstes Fleisch aus Massentierhaltung verwendet wurde. Ich hoffe, dass sich durch eine gesetzliche Regelung die Betreiber von Gaststätten dazu verpflichtet fühlen, Alternativen aus regionaler oder nachhaltiger Landwirtschaft und Tierhaltung einzusetzen, zum Wohle der Tiere, der Böden und letztendlich auch dem Gast zuliebe, der in diesem Fall gerne mehr für das Produkt bezahlt.

 

Über den Gesetzentwurf wird in der Februarsession kommende Woche im Landtag diskutiert und abgestimmt.

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Josef Fulterer Sa., 04.02.2023 - 06:46

Für ohne "chemischer K Ä U L E erzeugtes Obst + Gemüse und für Fleischprodukte von Tieren die Art-gerecht möglichst Standort-nahe gehalten wurden," sind genaue Angaben durchaus Sinn-voll, da sie sich "gegen irgendwelcher Erzeugung + irgendwo anfallende Überschüsse durchsetzen müssen, die mit Preis-Nachlässen in den Markt gedrückt werden."

Sa., 04.02.2023 - 06:46 Permalink