Gesellschaft | Hilfe beim Sterben

Tod und Sterben ein Tabu

Aller-Heiligen und -Seligen: Gedenken an die armen, durchschnittlichen und – warum auch nicht? – an die stolzen Seelen.
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Grabkreuze
Foto: Othmar Seehauser

Was verstehe ich unter stolzen Seelen? Sie sind mit dem Bewußtsein gestorben, ein erfülltes Leben gehabt und ihre Lebensaufgabe erfüllt zu haben und rechtzeitig gestorben oder selbstbestimmt aus dem Leben geschieden zu sein. Und das ist eine Leistung, die heute nicht mehr oder noch nicht leicht zu erreichen ist.

Wer hat heute noch das Glück eines natürlichen Todes zu sterben? Nicht an Grippe – nein wir werden angehalten uns dagegen zu impfen und Massen laufen hin! Viele wünschen sich, an einem Herzinfarkt zu sterben. Keine Chance, denn du wirst gerettet, wiederbelebt, schon im Rettungsauto an Geräte angeschlossen und im Krankenhaus in der Reanimationsabteilung wieder aufgepäppelt, dann wieder nach Hause geschickt mit einem Paket lebensverlängernder Medikamente, über deren pünktlicher Einnahme dann andere wachen. Du mußt dich dann gesund ernähren, dich regelmäßig bewegen, usw. denn die Gesellschaft, die kirchliche Moral, die Ärztelobby sowie die Pharma- und Medizintechnik-Branche wollen es so. Nur einfach so sterben? Das wäre noch schöner!

Männer sind da noch „vernünftiger“: Sie gehen weniger zum Arzt, machen wenig Vorsorge, sterben häufiger bei der Arbeit, bei Auseinandersetzungen, bei Rettungseinsätzen, mit dem Auto, am Berg, bei Risiko-Sportarten, usw. und scheiden häufiger selbstbestimmt aus dem Leben. So sparen sie sich vielleicht fünf Jahre. Aber auch gegen diese „Unverantwortlichkeit“ wollen die obenerwähnten vorgehen. Die Männer sollen gefälligst auch………..! – sagen die Kommunikationsabteilungen.

Und wenn du nach reichlicher Überlegung zum Schluss kommst, dass du ein erfülltes Leben gehabt und deine Lebensaufgabe erfüllt hast und aus dem Leben scheiden möchtest, du hast keine Chance; denn wenn du – so wie man früher sagte – in Wasser gehst, dann springt dir sicher ein tapferer Feuerwehrmann hinter her und bringt dich ans Ufer und dann läuft’s wieder so, wie ich schon oben beschrieben habe. Zudem werden wir alten Menschen dauernd angehalten gesund zu essen, wenig Alkoholisches zu trinken,uns steht’s zubewegen, regelmäßig zur Vorsorge zu gehen und alles zu nutzen, was die moderne sündteure Medizintechnik für dich bereit hält: neue Gelenke, neue Organe, neue Herzklappen, u.n.v. mehr. Und so werden wir dauernd älter, werden senil, dement, oft aggressiv und ungut gegenüber den Pflegenden, werden Pflegefälle – obwohl wir dies alles niemals wollten und uns wünschten, noch rechtzeitig vorher zu sterben. Es gibt zu wenig Ärzte und Pfleger. Also werden wir von osteuropäischen oder lateinamerikanischen Frauen, die uns nicht verstehen und die wir nicht verstehen, versorgt. Defacto werden wir entmündigt; andere bestimmen über uns; du hast keine Chance mehr, zu genügend Schlafmittel zu kommen, sodass du für immer einschlafen könntest.

Diesbezüglich – also zur Frage der aktiven und passiven Sterbehilfe – steht im Parlament ein Gesetzesentwurf zur Diskussion. (Siehe Berichte in den Medien)! Hoffentlich geht etwas weiter; am besten wäre ein Lösung, wie in den Niederlanden oder Belgien; zumindest so, wie in der Schweiz! Nicht alle können sich leisten, in die Schweiz zu fahren um dort einen Becher mit einer tödlichen Dosis Anästhetikums zu erhalten, das viel Geld kostet.

Ein bißchen könnten wir uns auch selbst helfen: keine neuen Organe zu verlangen, die bedrohlichen Krankheiten zu akzeptieren und teure aufwendige Therapien abzulehnen! Das kann man! Man kann auch eine Patientenverfügung machen und dort festschreiben, welche lebensverlängernden Therapien man auf jeden Fall nicht zustimme. Leider kann man nicht festlegen, von keinem Defibrillator geschockt bzw. nicht reanimiert zu werden. Einfach natürlich sterben wird nicht zugelassen! Was man aber schon kann – daran denkt kaum jemand: man kann die lebensverlängernden Medikamente ablehnen oder jene, die man nimmt, langsam abbauen. Dazu bräuchte es oft die Hilfe des Hausarztes, aber die drücken sich meistens vor der Verantwortung. Also bleibt nur, sie einfach nicht zu nehmen und sich im Falle zu weigern, in ein Krankenhaus zu gehen. Und die Verwandten und Pflegenden sollen diesen Wunsch respektieren!

Ich weiß, dass dies alles nicht so leicht zu verändern ist. Man muss aber eine Diskussion darüber entfachen, dass man mit diesen hysterischen Aufforderungen, etwas zu tun, um das Leben zu verlängern, den Tod zu vermeiden, aufhören muss! Man sollte alles tun, damit es den Menschen gut geht, solange sie aktiv, bewußt und mit Freude leben. Sobald sie aber schwere Krankheiten haben, lebensmüde sind, an Altersdepression und/oder Demenz leiden, den Wunsch äußern, dass Gott sie abberufen möge oder sie einfach sterben möchten, dann muss man diese Wünsche ernst nehmen! Man sollte Hilfe für einen gewünschten, würdigen natürlichen Tod leisten!

Man könnte da auch über die verzerrte Alterspyramide, und was das mit der Gesellschaft macht, diskutieren. Darüber, ob die vielen (teils Hunger-)-Renten für die zunehmende Zahl der Rentner (die Geburtenstärksten Jahrgänge gehen z.Z. in Pension) noch weiter ausbezahlt werden können? Ob die steigenden Sanitätskosten weiter erschwinglich sein werden? Ob der erleichterte rechtzeitige Tod nicht auch Ärzte und Pfleger entlasten würden?
Aber für diese Feiertage reicht wahrscheinlich dieser tabuisierte „Happen“.
Vom Tod zu sprechen, ist in unserer Gesellschaft schon ein Tabu, geschweige dem von irgend einer Form von Sterbehilfe.