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Politik | Berlusconis Tod

Abschied von einem Egomanen

Mit dem Tod Silvio Berlusconis verlässt eine der schillerndsten und prägendsten Persönlichkeiten der Nachkriegsgeschichte Italiens politische Bühne.

Unter dem Titel "Der Herbst des Sultans" beschrieb Paul Badde, der römische Korrespondent der deutschen Tageszeitung Die Welt schon vor etlichen Jahren das nahende Ende des Ex-Cavaliere: "Silvio Berlusconis schillernde Karriere neigt sich offenbar ihrem Ende zu. Hinter dem alten Theater ist noch das leise Rauschen des Vorhangs für den letzten Akt eines Trauerspiels zu hören, in das sich die alte Komödie mit Silvio Berlusconi inzwischen vor aller Augen zu verwandeln scheint. Wer sich persönlich als Supermann vorstellt, ist keiner mehr. Wer seine Heldentaten alleine rühmt ist ein bröckelndes Denkmal seiner selbst geworden." Der Artikel stammt vom September 2009.

Der Mediaset-Milliardär, Frauenheld und Gesetzesbrecher prägte mit seinen TV- Auftritten Italien durch Jahrzehnte und polarisierte wie kein anderer durch Verachtung und Verehrung.

Silvio Berlusconi hat freilich viele solcher Prognosen überlebt. Er war eine perfekte Synthese aller Gewohnheiten, Laster und Tugenden der Italiener - mit einer instinktiven Fähigkeit, das soziale Geflecht der Halbinsel zu begreifen, zu interpretieren und für seine Zwecke zu nutzen. Sein Erfolg gründete sich auf eine revolutionäre Art und Weise, Politik zu machen, die sich ganz auf die Macht des Mediums Fernsehen konzentriert - sein Erfolgsgeheimnis und tägliches Brot. Der Mediaset-Milliardär, Frauenheld und Gesetzesbrecher prägte mit seinen TV- Auftritten Italien durch Jahrzehnte und polarisierte wie kein anderer durch Verachtung und Verehrung. Er repräsentierte die Ungeduld und Gleichgültigkeit der Italiener gegenüber Regeln und Gesetzen und gestaltete sein kommerzielles Fernsehen zu einem politischen Staubsauger, der sich alles einverleibte, was zwischen der politischen Mitte und der extremen Rechten lag und wurde so zu einer der prägendsten Persönlichkeiten der Nachkriegsgeschichte. Er überließ nichts dem Zufall, um sein Erscheinungsbild zu perfektionieren, von Lifting und Haartransplantationen bis zu Innenabsätzen in seinen Schuhen, die ihn grösser erscheinen liessen.  

 

Er war ein hemmungsloser Populist mit überbordendem Ego. Die Kritik, er sei ein Frauenheld, konterte er auf seine Weise: "Die Italiener lieben mich so wie ich bin." Seine Karriere war durchaus ungewöhnlich. Er studierte Rechtswissenschaften, verdiente sich nebenbei sein Geld als Conférencier in Nachtclubs und als Entertainer auf Kreuzfahrtschiffen. Nach Abschluss seines Studiums stieg er in die Immobilienbranche ein und später auch in den Medienbereich. 1978 trat er der Geheimloge P2 bei.  Erst 1993 beschloss er seinen Einstieg in die Politik und wurde ein Jahr später zum ersten Mal italienischer Regierungschef. Sein Erfolgsrezept erklärte er gewohnt simpel: "Gli italiani mi amano." Der Liedermacher Giorgio Gaber hat dieses Phänomen durchaus originell erklärt: "Ich fürchte nicht Berlusconi als solchen, sondern den Berlusconi in mir.

Der Milan-Präsident, Millionär und Frauenheld zelebrierte seine Rituale ungeniert und in der Öffentlichkeit. Etwa wenn er den Spielern seiner Fussballclubs Monza für den Fall eines Sieges "un pullmann di puttane" versprach oder seine Idylle mit der Forza-Italia Abgeordneten Marta Fascina mit Hunderten "Ti-amo"-Luftballons zelebrierte, die er von einem privaten Hubschrauber abwerfen liess. Als er (zum wiederholten Mal ) ins Krankenhaus eingeliefert wurde, zeigte sich das Turiner Tagblatt La Stampa optimistisch: "Paura der Berlusconi ? E' una roccia. Ce la farà."

Berlusconis Pech: Unsterblichkeit gehört nicht zu den käuflichen Gütern.

Die Trauerfeier für Silvio Berlusconi wird am Mittwoch im Mailänder Dom zelebriert. Man kann davon ausgehen, dass dabei weder die Bunga Bunga-Eskapaden mit Minderjährigen noch seine Verurteilung wegen Steuerbetrugs erwähnt werden. Sein Mausoleum hat sich Berlusconi schon vor Jahren im Park seiner Mailänder Villa errichten lassen. Grandeur war ein Teil seines Charakters. Sein Pech: Unsterblichkeit gehört nicht zu den käuflichen Gütern.

Forza Italia liegt in Umfragen derzeit bei 7,1 Prozent. Demoskopen rechnen damit, dass die Partei in Zukunft ohne ihren Gründer und Spitzenvertreter kaum über 5 Prozent kommen kann.

 

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Hanspeter Staffler Di., 13.06.2023 - 16:37

Berlusconi war ein genialer Verführungskünstler und begnadeter Gaukler: er verführte Menschen, Politiker:innen und fast ein ganzes Volk. Als Politiker gaukelte er den Wähler:innen, Europa und der Welt ein wirtschaftlich prosperierendes Italien vor. So lange bis er wegen drohenden Staatsbankrotts gehen musste. Sein Firmenimperium hingegen prosperierte wirklich. Mit seiner Gaukelei hat Berlusconi notwendige gesellschaftspolitische Entwicklungen nicht unbedingt gefördert, viele Menschen bestaunten ihn auf seiner Bühne und vergaßen dabei, dass die Welt sich weiterdreht. Danke Gerhard Mumelter für den wahrlich nicht einfachen aber doch sehr treffenden Nachruf.

Di., 13.06.2023 - 16:37 Permalink
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Arne Saknussemm Mi., 14.06.2023 - 07:11

Na ja, die meisten Politiker sind Egomanen. Das ist es nicht wodurch sich Berlusconi am besten beschreiben ließe .. Von Herrn Mumelter hätte ich mir zu diesem Thema mehr erwartet.

Mi., 14.06.2023 - 07:11 Permalink
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Lorenz Gallmetzer Mi., 14.06.2023 - 12:11

Antwort auf von Günther Alois …

Die laizistische Heiligsprechung Berlusconis inklusive Aussetzung der Arbeit des Parlaments (hat es noch für keinen verstorbenen Regierungschef gegeben!) - und das mit Ausnahme weniger linken/grünen Politiker beweist die Geschichtsvergessenheit und die desaströse Polit-Kultur des Landes - einfach eine Schande!

Mi., 14.06.2023 - 12:11 Permalink