Gesellschaft | Urteil

Kein Pardon

Missbrauchte Kinder haben besonderen Schutz verdient. Die Verletzung dieses universellen Grundsatzes kostet einen Südtiroler Chefredakteur vier Monate Berufsverbot.

Eine der Aufgaben der Südtiroler Kinder- und Jugendanwaltschaft ist, über die Einhaltung der Rechte von Kindern und Jugendlichen zu wachen. Denn dass Kinder, und ganz besonders missbrauchte Kinder Anrecht auf Schutz haben, darin ist man sich weltweit einig. Aus diesem Grund wurde 1989 die UN-Kinderrechtskonvention verabschiedet. Ausdrücklich verankert in Artikel 16 ist der Schutz der Privatsphäre und Ehre. Darin heißt es:

Kein Kind darf willkürlichen oder rechtswidrigen Eingriffen in sein Privatleben, seine Familie, seine Wohnung oder seinen Schriftverkehr oder rechtswidrigen Beeinträchtigungen seiner Ehre und seines Rufes ausgesetzt werden.

Und weiter:

Das Kind hat Anspruch auf rechtlichen Schutz gegen solche Eingriffe oder Beeinträchtigungen.

Auf diesen Artikel beruft sich Paula Maria Ladstätter unter anderem, als sie im Sommer 2014 eine Eingabe bei der Journalistenkammer und dem Garanten für die Privacy macht. Der Kinder- und Jugendanwältin ist ein Fall zugetragen worden, in dem sie die Privatsphäre eines Kindes verletzt sieht.


Was ist geschehen?

Am 24. Juni 2014 erscheint ein Artikel in der Neuen Südtiroler Tageszeitung. Unter dem Titel “SMS von Tata” greift der Verfasser einen Fall von Missbrauch auf, bei dem der Vater die Tochter über Handy-Mitteilungen belästigt. Manche Details sind krass. Zu krass, befindet die Kinder- und Jugendanwältin. Die Betroffenen seien dadurch zu leicht zu identifizieren, der Schutz der Privatsphäre des Mädchens nicht mehr gewährleistet. Da es ihre Aufgabe ist, den zuständigen Ämtern und Behörden Situationen, in denen Minderjährige geschützt werden müssen, zu melden, wird Ladstätter von Amts wegen tätig.

Sie kontaktiert den Landesbeirat für Kommunikationswesen. Laut Landesgesetz Nr. 3/2009 ist es die Aufgabe der Kinder- und Jugendanwaltschaft, mit diesem zusammenzuarbeiten, wenn es um die Überwachung der Tätigkeit der Medien geht. Auf das Gespräch mit dem Präsidenten des Kommunikations-Landesbeirats Roland Turk folgen weitere Telefonate. Ladstätter informiert den Hauptinspektor der Post- und Kommunikationspolizei Ivo Plotheger und den Direktor des Amtes für Jugendarbeit Klaus Nothdurfter. Auch mit der Mutter des betroffenen Mädchens führt die Kinderanwältin ein ausführliches Gespräch in ihrem Büro. Die Ergebnisse dieser Unterhaltungen werden – auf eine Anfrage der Freiheitlichen Landtagsabgeordneten Ulli Mair hin – dem Landtag vorgelegt.


Das Urteil: Gerechtfertigt oder ein Exempel?

Die angerufenen Instanzen haben ihr Urteil nun gefällt: Vier Monate Suspendierung hat die Journalistenkammer Trentino-Südtirol über den Autor des Artikels, Chefredakteur Artur Oberhofer verhängt. Dies kommt einem Berufsverbot für den anberaumten Zeitraum gleich, berichtet das Wochenblatt ff. Für zwei Monate suspendiert wurde auch der Herausgeber der NSTZ, Arnold Tribus. Weder Oberhofer noch Tribus waren auf Nachfrage von salto.bz bereit, eine Stellungnahme abzugeben. Der ff verrät der beurlaubte Chefredakteur, dass er über das Urteil nicht viel sagen möchte, er riskiere sonst ein lebenslanges Berufsverbot.

Erfreut darüber, dass die Arbeit des Disziplinarrats der Journalistenkammer funktioniert, zeigt sich indes Paula Ladstätter. Vor einem Monat erst habe es ein Weiterbildungsangebot für Journalisten zum Thema “Der Schutz von Minderjährigen und die Medien” gegeben. “Dort hat auch Milena Di Camillo gesprochen”, berichtet Ladstätter. Di Camillo ist Mitglied im Disziplinarrat der Journalistenkammer. “Sie hat von weiteren vier, fünf ähnlichen Fällen in Südtirol berichtet, wo Eingaben gemacht wurden, weil Privatsphäre und Ehre von Kindern verletzt worden waren.” Diese seien jedoch von anderen Seiten gekommen, nicht von der Kinder- und Jugendanwaltschaft. Die auch weiterhin ein wachsames Auge haben wird. Denn Kinder verdienen besonderen Schutz. Auch in den Medien und ihrer Berichterstattung.

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Alfonse Zanardi Mi., 08.04.2015 - 21:23

Wohl bekomm's.
Wie in der Tageszeitung bei jedem noch so unpassenden Anlass billigste voyeuristische Instinkte bedient werden ist offensichtlich letztklassig.
Kostprobe von heute gefällig? Voilà: "Steuerakte einer Hure".
Die 4 Monate passen.

Mi., 08.04.2015 - 21:23 Permalink
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Alfonse Zanardi Do., 09.04.2015 - 12:49

Antwort auf von Anton Rainer

Ja, und dieses abstrakte Thema wird mit reisserischem Text ("Hure") und entsprechender Abbildung abgehandelt. Das ist genau der Kern des Vorwurfs: dass allgemeine Themen benutzt werden um irgendwelche themenfremde Begierden zu bedienen. Oder glauben Sie der TZ-Leser will sich fachlich im Detail über die korrekte fiskalische Handhabung von Einnahmen aus Prostitution informieren - oder doch lieber irgendwelche lüsternen Details erhaschen, die die TZ natürlich tatsächlich gerne liefert.
Artikel in denen es um Voyeurismus geht wie dieser hier auf Salto sind für Voyeure uninteressant.

Do., 09.04.2015 - 12:49 Permalink
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Alfonse Zanardi Do., 09.04.2015 - 18:00

Antwort auf von Anton Rainer

Ich HABE den Artikel gelesen, Titel, Abbildungen und Inhalt sind reisserisch und voyeuristisch, und was die privaten Ausgaben und Lebenswandel einer Prostituierten mit ernsthaftem Journalismus zu tun haben werden auch Sie mir nicht erläutern können.
Aber wenn Sie den Schmuddel-Artikel goutieren und sich aufrichtig für Steuererklärungen von Prostituierten interessieren möchte ich Sie nicht weiter von Ihrer Erbauung abhalten.

Do., 09.04.2015 - 18:00 Permalink