Chronik | Justiz

Freiwild in Kassation

Das Landesgericht Bozen hat die Klage von Freiwild gegen Armin Mutschlechner archiviert. Die Kanzlei Brandstätter hat jetzt dagegen beim Kassationsgericht berufen.

Wenn es um viel geht, braucht es nicht nur einen renommierten Anwalt, sondern man muss gleich die höchsten Gerichte bemühen.
So kann man einen Fall umschreiben, der sich seit fast zwei Jahren hinzieht. Eigentlich ist das Ganze ein Posse, würde nicht anhand dieses Verfahrens eine erschreckende Auffassung von Meinungsfreiheit, Lehrfreiheit und Autonomie der Schulen zum Vorschein kommen. Und vor allem der Versuch Kritiker mundtot zu machen.

„Eigentlich ist das Ganze ein Posse, würde nicht anhand dieses Verfahrens eine erschreckende Auffassung von Meinungsfreiheit, Lehrfreiheit und Autonomie der Schulen zum Vorschein kommen.“

Der Vortrag

Ausgangspunkt der Geschichte ist ein normaler Schultag in Bruneck. Am 16. November 2013 wird im Brunecker Gymnasium Nikolaus Cusanus der Film „Die Kriegerin“ über die deutsche Neonaziszene gezeigt. Im Anschluss findet eine Diskussion statt, zu der auch Armin Mutschlechner eingeladen wird. Der Mühlbacher Jugendarbeiter redet dabei nicht nur über den Film, sondern auch über die Südtiroler Jugend- und Musikszene. Im Kurzreferat kommt auch die Rechtsrock-Band Freiwild zum Handkuss. Armin Mutschlechner spricht dabei auch offen die Skinhead-Vergangenheit einiger Bandmitglieder an. Zudem redet Mutschlechner über das verbotene internationale Neonazi-Netzwerk „Blood and Honour“ und deren Ausläufer in Südtirol.


Armin Mutschlechner:  Klage wegen Kritik

Eine Schülerin schneidet das Kurzreferat mit. Die Aufnahme bekommen Freiwild, die sich vom Mühlbacher Jugendarbeiter verleumdet fühlen. Die Brixner Band wendet sich an eine der besten Rechtsanwaltskanzleien Südtirols: Gerhard Brandstätter & Partner.

Das Schreiben

Gerhard Brandstätter reicht im Namen seiner Klienten nicht nur Klage wegen Rufschädigung beim Landesgericht ein, sondern es kommt zu einem Vorfall, der in der Südtiroler Schulgeschichte einmalig sein dürfte.
Am 15. Jänner 2014 trudelt in den Direktionen aller Südtiroler Oberschulen und Berufsschulen ein Schreiben der Kanzlei Brandstätter ein. Der Brief, der auch an Schulamtsleiter Peter Höllrigl und an den Bildungslandesrat Philipp Achammer geht, ist mehr als ein Frontalangriff auf den – wie es im Schreiben heißt - „selbsternannten Rechtsextremismus-Experten“ Armin Mutschlechner.

Brandstätters Schreiben: Wink mit dem Zaunpfahl an Direktoren.

In dem Brief verwehren sich Freiwild nicht nur dagegen, dass sie in die Nähe von „Blood and Honour“ gebracht werden, sondern das Schreiben ist auch eine recht unverblümte Warnung an die Direktoren.
Im Brief heißt es:

Es muss Frei.Wild wohl erlaubt sein, die Schulsituation auf die Gefahr von rufschädigenden oder manipulierenden Aussagen von sogenannten Rechtsextremismus-Experten hinzuweisen, welche unwahre Tatsachen und fadenscheinige Argumente vor einem jugendlichen Publikum vortragen“.

Der Brief endet mit einer Aufforderung:

„Wir müssen Sie ersuchen, Vorkehrungen zu treffen, auf dass sich solche Vorfälle nicht mehr wiederholen.“

Der Sinn des Schreibens ist damit klar. Im Rechtsanwalt-Jargon nennt man es eine Abmahnung (diffida). Konkret: Schuldirektoren wird nahegelegt Armin Mutschlechner nicht mehr einzuladen.
In einem normalen Land nennt man das Auftrittsverbot.

Die Anfrage

Es dauert nicht lange bis auch die politische Gesinnungsgemeinschaft von Freiwild auf den Plan tritt. Am 5. Februar 2014 reicht Ulli Mair eine Landtagsanfrage zum Vorfall ein. Unter den 15 Fragen, die die Freiheitliche stellt, heißt es auch: „Wie reagiert die Landesregierung auf das Schreiben des Rechtsanwaltes Gerhard Brandstätter?

Freiheitliche Ulli Mair: Anfrage im Landtag.

Am 14. April 2014 antwortet Schullandesrat Philipp Achammer auch auf diese Frage:

„Der Kanzlei Dr. Brandstätter ist von Seiten des Schulamtes mitgeteilt worden,
- dass, die Schulen autonom sind und somit, wie bereits erwähnt, selber entscheiden können, wen sie in die Schulen für eventuelle Referate oder Diskussionen einladen;
- dass Herr Mutschlechner kein Lehrer ist und die Gruppe Frei.Wild direkt gegen den Herrn vorgehen kann, wenn sie der Meinung ist, dass er sie verleumdet oder in ein falsches Licht gestellt hat.“

Schon vorher stellt Achammer klar:

Rechtlich muss festgestellt werden, dass die Schulen in Südtirol autonom sind, also organisatorische und didaktische Autonomie besitzen und somit selbst entscheiden, welche Projekte sie in der Schule durchführen, welche Experten/innen und Referent/innen sie einladen und welche Themen behandelt werden.“

Damit aber geht die Freiwild-Mahnung der Kanzlei Brandstätter ins Leere.

Die Archivierung

Neben dem missglückten Präventivschlag reichen Freiwild aber auch Klage gegen Armin Mutschlechner wegen Rufschädigung beim Landesgericht Bozen ein. Die Ermittlungen dauern ein Jahr lang. Mutschlechner Verteidiger Nicola Canestrini legt dem Gericht ein Gutachten eines österreichischen Experten zur den Freiwild-Texten vor und alte Fotos von Philipp Burger.
Bereits im Frühjahr 2015 fordert Staatsanwalt Igor Secco die Archivierung des Verfahrens. Am 16. Juni 20154 entscheidet Friedensrichterin Mirta Pantozzi dann die Klage von Freiwild abzuweisen. Die kritischen Äußerungen seien durchaus legitim und nicht diffamierend und sie bewegten sich im Rahmen des Rechts auf freie Kritik und Berichterstattung.
Im Urteil heißt es:

„Si è trattato infatti, di diritto di cronaca e di critica legittimamente espresso nel corso di una conferenza, (…) volta a stimolare la discussione trag li studenti.“

Mutschlechner Anwalt Nicola Canestrini: Archivierte Klage

Die Berufung

Damit wäre der Gerichtsfall eigentlich beendet. Klar zu Gunsten von Armin Mutschlechner. Doch Freiwild und die Kanzlei-Brandstätter wollen nicht aufgeben. Sie haben jetzt gegen die Archivierung berufen. Dazu müssen die Kläger aber vor den Kassationsgerichtshof ziehen. Die Berufungsklage am 17. Juli 2015 eingereicht ist 23 Seiten lang.
Armin Mutschlechner selbst sieht sich durch die Archivierung rehabilitiert. Der Mühlbacher Jugendarbeiter will jetzt davon auch die Südtiroler Schulen informieren.
In einem Rundbrief schreibt Mutschlechner:

„Wahr ist, dass Mutschlechner Textpassagen von FW-Songs als problematisch bewertet (fragwürdiger Patriotismus), auf die in Deutschland verbreitete Diskussion über FW hingewiesen und mit den Teilnehmern der Veranstaltung einer Analyse unterzogen hat. Es ging um Extremismus und das Thema Musik war ein Segment von vielen in 90 Minuten Diskussion mit Schülerinnen. Dennoch zog die Gruppe mit einer Klage vor Gericht, auch in der Absicht, nicht nur den eigenen, guten Ruf zu schützen, sondern auch andere Kritiker präventiv einzuschüchtern.“

Mutschlechner weiter:

„Wenn nun Frei.Wild mit der Frage bis vor den Kassationsgerichtshof ziehen will, so liegt dies im Ermessen der Band, absehbar ist freilich, dass auch dieser Versuch, sich zum Opfer zu stilisieren, aller Voraussicht nach scheitern wird. Die Archivierung ist – über die Rehabilitation von Armin Mutschlechner hinaus - auch ein kleiner Sieg für die politische Bildung in Südtirol, deren Notwendigkeit von Tag zu Tag mehr hervortritt.“

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Profil für Benutzer Günther Mair
Günther Mair Sa., 12.09.2015 - 18:36

Durch diese Aktionen bekommt das eine oder andere was bis dato eher ein Gefühl war einen "deutlicheren Anstrich" :-/ Die Methodik ist mehr als nur bedenklich... ich hoffe, dass das viele mitbekommen und sich das alles mal gut merken!

Sa., 12.09.2015 - 18:36 Permalink