Gesellschaft | Kontrovers

Wolfs Vergleich

Hat der ORF-Journalist Armin Wolf auf Twitter die Südtiroler Bumser mit islamistischen Terroristen verglichen? In den sozialen Medien ist eine heftige Debatte entbrannt.

Je weniger Worte, desto mehr Platz für Interpretation und je mehr Platz für Interpretation, desto kontroverser die Diskussion. Vor allem in sozialen Medien, wo sich die Menschen meist nur in wenigen Zeichen ausdrücken, bedarf es oft nicht vieler Worte, um heftige Debatten zu entfachen. Manchmal reicht bereits ein Satz auf Twitter, um auch hierzulande Menschen in Rage zu versetzen. So geschehen Ende vergangener Woche. Armin Wolf hat es mit einem einzigen Tweet geschafft, die Südtiroler Online-Community vorübergehend zu spalten.

Am 12. November kommentiert der ORF-Journalist und ZIB2-Moderator Wolf auf Twitter einen Tweet der österreichischen Tageszeitung Die Presse: “Die Headline könnte allerdings auch von 1961 sein. #Feuernacht”, so Wolfs Worte. In ihrem Tweet berichtete Die Presse von der Festnahme von sieben mutmaßlichen Terroristen in Südtirol: “Internationales Terrornetzwerk in Südtirol aufgedeckt. Ein Fundamentalist soll Kämpfer in Meran rekrutiert haben.” Unerwähnt bleibt der islamistische Hintergrund der mutmaßlichen Terroristen. Und doch wollen gar einige das Offensichtliche erkannt haben: Armin Wolf vergleicht die Bumser der 1960er Jahre mit islamistischen Terroristen.

Beim Südtiroler Online-Portal unsertirol24 nimmt man Wolfs Tweet zum Anlass, einen Kommentar zu verfassen. “Unvergleichbarer Vergleich” so der Titel des Redakteurs, der weiter schreibt:

Der ORF-Journalist vergleicht also islamistische Terrornetzwerke mit den Südtiroler Freiheitskämpfern und stellt sie damit auf eine Ebene. Der Vergleich hinkt nicht nur auf beiden Beinen, er verharmlost auch die von radikalen Muslimen begangenen Terroranschläge und verhöhnt deren Opfer. Denn die Freiheitskämpfer in Tirol legten stets großen Wert darauf, Menschenleben zu verschonen. Sie platzierten ihre Bomben abseits belebter Orte, zündeten sie an Zeitpunkten, wo möglichst wenig Menschen zugegen waren.

Doch nicht nur auf unsertirol24 macht so mancher Leser seiner Unverständnis und Verärgerung Luft. Auch auf Twitter werden Wolfs Worte kommentiert: “Bin großer Fan und stimme mit 99 Prozent ihrer Posts überein. Umso mehr schmerzt es, sagen zu müssen, dass dieser Tweet sagenhaft dumm ist”, schreibt ein Südtiroler, “Den IS-Terror und dessen Zelle in Meran mit dem Südtiroler Freiheitskampf der 60er zu vergleichen, ist ein starkes Stück”, ein anderer. Und diese Kommentare zählen noch zu den harmlosesten, die seit vergangenen Freitag zusammen gekommen sind. Auch FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache ist auf den unsertirol24-Kommentar aufmerksam geworden. “Ohne Worte! Nur mehr absurd”, so sein Statement auf Facebook. Unter dem entsprechenden Post auf Straches Facebook-Seite – eine ewig lange Liste von Reaktionen.

In erster Linie ist es Armin Wolf, der mit wenig schmeichelhaften Kommentaren bedacht wird. So wird dem ORF-Journalisten empfohlen, Geschichtsunterricht zu Südtirol zu nehmen: “Es stünde ihnen gut an, sich eingehend mit den Zuständen in Südtirol damals und heute auseinander zu setzen. Vielleicht würde sich daraus auch für sie eine objektive Sichtweise ergeben. Leider gibt es viel zu viele Menschen in Österreich die sich so wie sie, scheinbar zu wenig mit den historischen Geschehnissen damals und deren bis heute spürbaren Nachwirkungen beschäftigen.”  

Neben Rufen nach dem Rücktritt des ORF-Journalisten wird sogar eine “öffentliche Entschuldigung an Südtirol” gefordert. Doch es gibt auch andere Stimmen. Während die einen überzeugt sind, dass Wolfs Tweet “nur einen eindeutigen Schluss” zulasse, nämlich, dass er “Südtiroler Freiheitskämpfer mit IS-Terroristen” vergleicht, sehen das viele nicht so. “Wenn Sie deutsch können, Herr Steinwandter, dann fällt Ihr Kommentar in sich zusammen”, schreibt eine Userin auf Facebook, an den unsertirol24-Redakteur gerichtet. Sie erklärt sich: “Armin Wolf bemerkt nur spitz, dass der presse.com-Tweet auch von 1961 stammen könnte. Von Vergleich keine Rede. Ihnen entgeht da eine Nuance. Oder vielmehr, sie dichten eine dazu.” Auch direkt unter dem Kommentar auf unsertirol24 findet sich ein User, der der Empörung über den Wolf-Tweet nichts abgewinnen kann: “Die Aussage ist doch eindeutig nur ein Vergleich der Schlagzeilen von damals und heute. Genauso wurde es wahrscheinlich damals in den faschistischen Medien ausgedrückt. Dass dies hier auf einen direkten Vergleich mit den Südtiroler Freiheitskämpfern und Terroristen bezogen wird, ist wohl mehr als nur lächerlich.”

Und auch unter Straches Facebook-Post gibt es einzelne, die gegen die allgemeine Empörung schreiben: “Ab wann ist ein Bombenleger ein Freiheitskämpfer und kein Terrorist? Nur weil man mit dem Ziel eher sympathisiert, sind es auf einmal Helden? Bombenleger bleibt Bombenleger.” Und Armin Wolf selbst? Von einem Südtiroler Studenten auf die Diskussion, die er losgetreten hat, hingewiesen, antwortet der ORF-Journalist auf Twitter: “Danke, aber nicht notwendig, es hat schon Herr Strache auf seiner FB-Seite auf den Schwachsinn hingewiesen.”

Nachdem salto.bz den Artikel auf Twitter gestellt hat, lässt sich Armin Wolf umgehend zu einer Antwort hinreißen:

So funktioniert moderne Diskussionskultur in Zeiten sozialer Medien.

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Christian Mair Mo., 16.11.2015 - 11:45

Und:
Die Reaktion Norwegens nach den christlich-religiös motivierten Anschlagen durch Anders Breivik gilt vielen noch heute als vorbildlich. Während andere Länder auf Terrorattacken oft mit strengeren Gesetzen, harter Kriegsrhetorik und militärischen Gegenschlägen reagieren, tat Norwegens Regierung das Gegenteil.
„Unsere Antwort ist mehr Demokratie, mehr Offenheit, mehr Humanität, “ sagte der damalige Ministerpräsident Jens Stoltenberg.

Mo., 16.11.2015 - 11:45 Permalink
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Harald Knoflach Mo., 16.11.2015 - 12:13

Antwort auf von Christian Mair

mich haben stoltenbergs worte damals auch sehr beeindruckt. überhaupt norwegens umgang mit dem attentat in den ersten wochen.
wobei es in der folge schon auch reaktionen gegeben hat, die in eine andere richtung gingen und die nicht zuletzt in der abwahl stoltenbergs und dem sieg der konservativen mündeten - wenn ich das richtig interpretiere.
zudem: gegen wen hätte norwegen luftangriffe fliegen sollen?

Mo., 16.11.2015 - 12:13 Permalink
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gorgias Mo., 16.11.2015 - 13:48

Antwort auf von gorgias

als einen rechtsradikalen mit einem christlich religiösen ideologischen Überbau.

>Breivik has later identified himself as a fascist, stating that he previously exploited counterjihadist rhetoric in order to protect ethno-nationalists.<

Mo., 16.11.2015 - 13:48 Permalink
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Harald Knoflach Mo., 16.11.2015 - 12:07

"Je weniger Worte, desto mehr Platz für Interpretation und je mehr Platz für Interpretation, desto kontroverser die Diskussion. Vor allem in sozialen Medien, wo sich die Menschen meist nur in wenigen Zeichen ausdrücken, bedarf es oft nicht vieler Worte, um heftige Debatten zu entfachen."

Das bringt es auf den Punkt. Im Internet ist es schwierig, Implikatur wie auch Ironie usw. zweifelsfrei darzustellen. Wesentliche Hinweise, wie sie in der mündlichen Kommunikation Tonfall, Gestik und Mimik oft bieten, gibt es nicht - es sei denn man benützt Emoticons.

Es ist also unmöglich, einwandfrei zu sagen, was Wolfs Intention war. Sein Hinweis "und für die, die nicht so gut lesen können" ist daher etwas unlauter, da Wolf genau weiß, dass es eine wortwörtliche und eine implizite Bedeutung gibt. Wolf sagt, dass er BAS und IS nicht vergleichen wollte, sondern lediglich bemerkt hat, dass sich die Schlagzeilen von heute und damals ähneln würden. Es ist aber dennoch möglich - auch wenn man sehr gut lesen kann - erste Bedeutungsebene aus dem Tweet herauszulesen, auch wenn diese offensichtlich nicht in Wolfs Sinne lag.

Angenommen HC Strache hätte damals auf Facebook nur gepostet: "Der Amokfahrer von Graz stammt aus Bosnien", dann wäre das wortwörtlich eine neutrale faktische Feststellung.
Ich hätte ihm jedoch sofort unterstellt, dass er fremdenfeindliche Ressentiments schüren und einen religösen Zusammenhang konstruieren möchte. Strache hätte dann genau so gut schreiben können: "Ach ja, fürs Protokoll (und für die, die nicht so gut lesen können): Nein, ich habe keinen Zusammenhang zwischen Verbrechen und Herkunft/Religion des Amokfahrers hergestellt."

Mo., 16.11.2015 - 12:07 Permalink