Politik | Studie zu Effekt der Flüchtlinge auf Wirtschaft

Je schneller in Arbeit, desto besser integriert

Eine Umfrage in 10 EU-Ländern spiegelt verbreitete Sorgen um Arbeitsplätze und Sozialleistungen in der Bevölkerung. Sind diese Sorgen berechtigt?
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.

Laut dieser PEW-Umfrage ist mindestens die Hälfte der Bevölkerung besorgt, dass die Flüchtlinge eine wirtschaftliche Belastung darstellen, weil sie "unsere Jobs und Sozialleistungen wegnehmen". Am stärksten sei diese Furcht in Ungarn ausgeprägt (82%), danach folgen Polen (75%), Griechenland (72%) und Italien (66%). Bringen Flüchtlinge eine wirtschaftliche Belastung?

Eine zumindest teilweise Antwort darauf gibt eine neue Studie des IWF (The refugee surge in Europe: Economic Challenges), die die wirtschaftlichen Folgen von plötzlichen anschwellenden Wanderungsströmen analysiert. Die Studie, vorgestellt vom Mitautor Antonio Spilimbergo bei der heurigen Ausgabe des Festival dell’Economia in Trient, geht auf die Effekte solcher Flüchtlingsströme auf Wachstum und Arbeitsmarkt, soziale Sicherung, Bildungssystem, Steuereinnahmen und den Wohnungsmarkt ein.

Kurzfristig nimmt das Wachstum zu, so die Studie, weil die Versorgung einen zusätzlichen Nachfrageschub auslöst, allerdings bleibt dieser Beitrag mit geschätzten 0,1% des BIP in der EU 2017 noch sehr bescheiden. Mittelfristig hängt dieser Beitrag zum Wachstum ganz vom Grad der Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt ab. Die Zuwanderer haben eine geringere Beschäftigungsquote und beziehen einen geringeren Durchschnittslohn, vor allem weil sie geringere Qualifikation und Sprachkenntnisse aufzuweisen haben. Dieser Umstand nimmt mit der Zeit ab.

Je schneller die Flüchtlinge in Arbeit gebracht werden, desto geringer seien die Kosten der Versorgung, desto höher ihr Beitrag zu Steuereinnahmen und Sozialabgaben. Der IWF rät dazu, Einschränkungen im Zugang zum Arbeitsmarkt für Flüchtlinge zu reduzieren und ihre Eingliederung aktiv zu fördern, z.B. durch Ausnahmen beim Mindestlohn. Auch ihre geografische Bewegungsfreiheit sollte nicht eingeschränkt werden, weil Flüchtlinge zu freien Arbeitsplätzen hinziehen. Höhere Arbeitslosigkeit und geringere Löhne bei einheimischen Arbeitnehmern, also Lohndumping, werden nur als kurzfristige Effekte verzeichnet.

Können so viele Flüchtlinge, sofern sie überhaupt Asyl erhalten, in den Arbeitsmarkt und in die Gesellschaft integriert werden? Werden die Flüchtlinge gering qualifizierte Einheimische verdrängen und für Lohndumping sorgen? Die IWF-Studie bestätigt diese Sorge nicht. In den ersten 5 Jahren verdient ein Zuwanderer im Schnitt um 20% weniger als ein lokal Ansässiger. Nach 20 Jahren sinkt der Rückstand beim Lohn auf 5%. Flüchtlinge hängen zunächst stark von Sozialhilfe ab. Deshalb sei eine rasche Arbeitsmarktintegration geboten. Dies senkt allgemein die Aufnahmekosten. „Die Zuwanderer entfalten auch ihre eigene Nachfrage, bieten komplementäre Qualifikationen an und entfalten eigene Unternehmertätigkeiten“, schließt der IWF.

Die Mehrheit der Flüchtlinge der letzten großen Krisen – 670.000 Asylanträge in der EU 1992 zu Beginn der Jugoslawien-Kriege und dann 400.000 Anträge 1999 beim Kosovo-Krieg – sei nach Ende der Kriege wieder in ihre Heimatländer zurückgekehrt. Die Zahl der Flüchtlinge in Deutschland hat zwar 2016 abgenommen, aber der Druck auf die EU wird mittelfristig aufrecht bleiben. Abgesehen vom Krisenherd Syrien mit 8 Mio. Binnenflüchtlingen und 4,7 Mio. Syrern im Ausland, ist auch im Irak, Afghanistan und Eritrea keine Entspannung in Sicht. Die Aufnahmekapazität der EU muss deshalb wohl weiter erhöht, die Anstrengungen zur Integration verstärkt werden. Auch mit einem so hohen Rückkehreranteil wie nach den Jugoslawienkriegen kann in Nahost und Afghanistan wohl nicht gerechnet werden.

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Karl Maier So., 17.07.2016 - 17:12

Mit diesem artikel werden die langzeitauswirkungen der migration wieder einmal zu kurz betrachtet. Nehmen wir das beipsiel der gastarbeiter in deutschland: Die erste gastarbeitergeneration ist anfangs sehr produktiv mit einer erwerbstätigkeit von gut 80% 1961. Doch die kinder, frauen und senioren welche hinzukommen bürden der gesellschaft kosten auf. Zudem sinkt der anteil der erwerbstätigen 1981 auf 45% während die einheimischen eine erwerbstätigenquote von 47% haben. Der anteil der erwerbstätigen der türkischen gemeinde in deutschland sank auf unter 40%. Somit liegt der nutzen der migration weit geringer als angenommen. Integration nur durch arbeit ist keine lösung da im laufe der dauerhaften niederlassung immer mehr migranten innaktiv werden und gewollt oder ungewollt von sozialbeiträgen leben.

So., 17.07.2016 - 17:12 Permalink
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Sepp.Bacher So., 17.07.2016 - 17:33

"Werden die Flüchtlinge gering qualifizierte Einheimische verdrängen und für Lohndumping sorgen?" Wahrscheinlich nicht Einheimische, aber jene Zuwanderer und Flüchtlinge von früheren Jahren, welche jetzt jene Arbeitsplätze besetzen, die den Einheimischen unter ihrer Würde sind!
Ich glaube, dass die beschriebene These im Grunde schon stimmt, aber es fehlen die notwendigen Arbeitsplätze!

So., 17.07.2016 - 17:33 Permalink
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Sepp.Bacher Di., 19.07.2016 - 16:54

Antwort auf von Michael Bockhorni

Ich glaube nicht, dass es viele Schwarzafrikaner mit eigenem Unternehmen gibt! Jedenfalls trifft das bei meinen Bekannten nicht zu. Denn: ein gewesener Fabriksarbeiter kann nicht eine Fabrik übernehmen und ein halbausgebildeter Schweißer kann nicht einen Metallbaubetrieb gründen.

Di., 19.07.2016 - 16:54 Permalink