Politik | Referendum

Südtirol ist nicht Italien

Der Ausgang des Referendums in Südtirol widerspricht völlig dem nationalen Trend. Arno Kompatscher und die SVP kommen so mit einem blauen Auge davon.
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Foto: upi
Als Matteo Renzi gegen 0.30 Uhr aus dem Pressesaal des Palazzo Chigi ankündigt, dass er am Montag Nachmittag beim Staatspräsidenten seinen Rücktritt einreichen wird, steht hinter diesem Entschluss die Zahl 3.
Diese Zahl macht die Niederlage des amtierenden Ministerpräsidenten mehr als deutlich. Denn in nur drei von 20 Regionen hat am Sonntag das Ja gewonnen. In Renzis Heimat der Toskana (52,51 % fürs Ja) in der Emilia-Romagna, wo es arschknapp ausging (50,39 % fürs Ja) und in Trentino-Südtirol.
In unserer Region stimmten 53,87 Prozent für das Ja und 46,13 Prozent für das Nein. Wobei eines ganz klar zum Ausdruck kommt. Es ist allein Südtirol, das für Renzis-Verfassungsreform gestimmt hat. Denn im Trentino gibt es eine Mehrheit fürs Nein: 45,70 Prozent fürs Ja. 54,30 Prozent fürs Nein.
In Südtirol hingegen haben 63,69 Prozent der Wählerinnen und Wähler mit Ja gestimmt. Nur 36,31 Prozent stimmten dagegen. Damit findet sich in Südtirol die höchste Zustimmung für das Verfassungsreferendum von ganz Italien. In keiner Region kommt das Ja über die 55-Prozent-Marken und in keiner Provinz über die 57-Prozent-Marke.
Südtirol liegt damit fast gleichauf mit der Stimmabgabe der Auslandsitaliener, die mit 64,69 Prozent fürs Ja und mit 35,31 Prozent fürs Nein stimmten. Damit wird klar, dass das Stimmverhalten in Südtirol völlig dem nationalen Trend widerspricht.
 

Die Nein-Gemeinden

 
Von den Südtiroler Gemeinden gibt es nur fünf von 116 Gemeinden in denen das Nein gewonnen hat.
In der Landeshauptstadt Bozen stimmten 50,09 Prozent fürs Nein und 49,91 Prozent für das Ja.
Der höchste Anteil der Nein-Wähler findet sich aber in Leifers wo 57,46 Prozent fürs Nein waren und in Pfatten mit 57,17 Prozent an Nein-Wählern. Gegen Renzis Reform haben sich nur noch Branzoll (54,52 % Nein) und Corvara (54,09 % Nein) ausgesprochen.
Es sind die einzigen Gemeinden, die sich dem nationalen Wahlausgang annähern. In allen anderen Südtiroler Kommunen ergibt sich ein völlig anderes Bild.
 

Schnalser Ja-Sager

 
In 6 Gemeinden stimmten sogar über 80 Prozent der Wahlberechtigten mit Ja.
National die größte Zustimmung bei diesem Referendum finden wir in der Gemeinde Schnals mit 84,93 Prozent fürs Ja. Gefolgt von Martell mit 81,10 Prozent Ja-Stimmen, Sarntal (81,07 %), Villnöss (80,94 %), Tiers (80,20 %) und Proveis (80,13 %).
In 23 Südtiroler Gemeinden stimmten mehr als 75 Prozent für das Ja.
 
Deutschnofen: 79,29 %
Gsies: 79,29 %
Schluderns: 78,53 %
Hafling: 78,36 %
Lüsen: 78,30 %
Ritten: 78,22 %
Feldthurns: 77,83 %
Rasen-Antholz: 77,82 %
Mühlwald: 77,53 %
Graun im Vinschgau: 77,31 %
Olang: 76,99 %
Glurns: 76,89 %
Kuens: 76,75 %
Klausen: 76,45 %
Sand in Taufers: 76,31 %
Kastelbell-Tschars: 76,14 %
Völs: 75,92 %
Taufers im Münstertal: 75,74 %
Kiens: 75,72 %
Latsch: 75,01 %
 
In weiteren 33 Gemeinden kamen die Befürworter auf über 70 Prozent.
 
Kastelruth: 74,98 %
Mölten: 74,47 %
Welschnofen: 74,38 %
Lajen: 74,29 %
St. Lorenzen: 74,22 %
Jenesien: 74,18 %
Barbian: 73,97 %
Gais: 73,91 %
Vahrn: 73,61 %
Mals: 73,51 %
Sexten: 73,45 %
Laas: 73,28 %
Prags: 73,27 %
Villanders: 73,25 %
Terenten: 73,23 %
Rodeneck: 72,85 %
Moos in Passeier: 72,73 %
Ulten: 72,16 %
Ratschings: 72,14 %
Natz-Schabs: 72,06 %
Schlanders: 71,93 %
Bruneck: 71,76 %
Percha: 71,70 %
Aldein: 71,62 %
Prad am Stilfser Joch: 71,49 %
Riffian: 71,45 %
Mühlbach: 71,19 %
Pfalzen: 71,19 %             
Naturns: 71,12 %
Andrian: 70,91 %
Terlan: 70,91 %
Welsberg-Taisten: 70,88 %
Stilfs: 70,66 %
St. Martin in Passeier: 70,34 %
Ahrntal: 70,13 %
Eppan: 70,05 %
 

Kompatschers blaues Auge

 
Das politische Ergebnis dieses Referendums ist durchwachsen. Denn es gibt auf allen Seiten ein lachendes und ein weinendes Auge.
Arno Kompatscher und die SVP haben in Südtirol gewonnen. Der Landeshauptmann und die Regierungspartei haben auf Ja gesetzt und die Wählerinnen und Wähler sind ihnen im Land gefolgt. Das Zweidrittel-Ergebnis ist ein klarer Erfolg.
Gleichzeitig aber haben Kompatscher und die SVP verloren. Die Verfassungsreform ist gescheitert und Matteo Renzi weg vom Fenster.
Ähnlich nur mit umgekehrten Vorzeichen geht es der Opposition, die geschlossen fürs Nein Stimmung gemacht hat. Nur knapp mehr als ein Drittel der Wähler sind dem Nein gefolgt. Dennoch gehen Pöder, Köllensperger & Co als Sieger vom Platz.
Denn sie haben ihr Wahlziel erreicht.
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Profil für Benutzer Wolfgang Mair
Wolfgang Mair Mo., 05.12.2016 - 09:45

Ich stimme der Analyse nicht zu; die SVP ist in jedem Fall der grosse Gewinner, die Oppositionsparteien haben in Südtirol durch die Bank verloren. Alle zusammen haben es nicht geschafft, die Südtiroler mehrheitlich zum Nein zu bewegen; und auch Südtirol als Ganzes hat gewonnen. Einerseits weil sich in Rom nichts ändern wird und dadurch die Stimmen der Südtiroler Parlamentarier weiterhin wichtig sein werden; andrerseits weil sich Südtirol als verlässlicher und glaubwürdiger Partner gezeigt hat auf den auch zukünftige Regierungen in Italien zählen werden müssen. Wenn es zu Neuwahlen kommt und die aktuelle Stimmungslage in Italien anhält, wonach 5Stelle, PD und das Mitterechtslager auf jeweils 30% kommen, werden wir auch weiterhin das Zünglein an der Waage sein.

Mo., 05.12.2016 - 09:45 Permalink