Gesellschaft | Thailand-Südtirol

“Wir haben Fehler gemacht”

Ian Gerstgrasser bricht sein Schweigen und erzählt von seiner Verhaftung in Thailand, der Hetzkampagne, die folgte – und den Konsequenzen für ihn und seine Familie.
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Foto: Screenshot YouTube

Ian Gerstrgrasser hat sein Schweigen gebrochen. Seit einem Monat sind er und Tobias Gamper aus Thailand zurück, wo die beiden Naturnser einige Tage im Gefägnis verbringen mussten, da sie von einer Überwachungskamera gefilmt worden waren als sie die thailändische Nationalflagge beschädigten. Nach ihrer Entschuldigung und dem Satz “In unserem Land sind Fahnen nicht so wichtig”  ging vor allem in den sozialen Medien eine regelrechte Hetzkampagne los.

Seit ihrer Rückkehr nach Italien haben die zwei jungen Männer geschwiegen, weder eine Stellungnahme noch Interviews hinterlassen. Nun, gut einen Monat später, wird Ian Gerstrgrasser erstmals über das Erlebte sprechen. Und zwar öffentlich. Am Mittwoch Abend wird er im Meraner Ost West Club sein. Im Rahmen der Diskussionsreihe “La Lampada Verde” ist Gerstgrasser Gast von Moderator Gabriele Di Luca und wird – endlich – seine Sicht der Dinge schildern können. Interviews wollte der 18-Jährige im Vorfeld des Abends nicht geben, doch am Montag Abend hat er folgende Zeilen auf seinem Facebook-Profil veröffentlicht – um “diese Episode unseres Lebens zum Abschluss” zu bringen, Fehler einzuräumen, aber auch mit “den vielen Tastaturhelden” abzurechnen:

«Für all jene, die uns in den letzten Wochen auf die ein oder andere Weise begleitet haben, und nicht zuletzt für uns selbst, eine Schilderung der Geschehnisse in Thailand, durch die wir diese Episode unseres Lebens zum Abschluss bringen und durch die wir auch die anhaltende journalistische Neugier ein für alle mal befriedigt wissen möchten:

Abends in Krabi amüsierten wir uns in ausgelassener Stimmung in den verschiedenen Pubs, genossen unseren Urlaub und das unbeschwerte Feiern. Gegen Mitternacht nahmen wir dankend das Angebot eines Tuk-Tuk-Fahrers an, der versprach, uns in eine angesagte Disco zu bringen. Am Zielort angelangt, war bald klar, dass wir in diesem Viertel fast die einzigen Touristen waren, was uns aber nicht im Geringsten störte. Im Gegenteil, wir finden es sehr bereichernd, auch abseits der Touristen-Hotspots, Land und Leute in ihrer „Originalität“ zu erleben. Dass wir, als Touristen, in besagter Disco anstatt der angeschriebenen 20 Bath stattliche 100 Bath Eintritt entrichten mussten, nahmen wir mit einem leicht verstimmten Schulterzucken aber in Kauf. Wir waren guter Dinge, wollten trinken, tanzen und Spaß haben.

Wir schämten uns ob unserer „Dummheit“, aber vor allem unseres begangenen Vandalismus wegen.

An der Theke und auf der Tanzfläche amüsierten wir uns prächtig mit den einheimischen Gästen, bis es irgendwann zu einem typisch, dem Alkohol zuzuschreibenden, Missverständnis kam, bei dem Tobias wegen einer Nichtigkeit von einem Mann grob angegangen wurde. Nach einer kleinen Rempelei fing ich mir einen Faustschlag mitten ins Gesicht ein, den ich allerdings unquittiert einsteckte, in der Hoffnung, nach Bereinigung dieses Missverständnisses, weiterhin Spaß zu haben. Zu diesem Zweck verließen wir mit besagtem Mann das Lokal, um den Vorfall friedlich zu klären. Leider kam es nicht dazu. Der Mann ignorierte uns und ging wieder in die Disco zurück. Uns hingegen wurde der erneute Zugang zur Disco durch den Türsteher verwehrt. Trotz mehrmaligen Nachfragen und der Bitte um eine Erklärung wurden wir nicht mehr beachtet. Hinsichtlich des ungünstig verlaufenden Abends, waren wir nun sehr enttäuscht und mittlerweile auch verärgert, nicht nur über den zehnfachen Eintritt, den wir bezahlen mussten.

Enttäuschung, Wut, Schmerz und Zorn waren das, was wir fühlten.

Diese „Ungerechtigkeiten“ wollten wir so nicht hinnehmen, weshalb wir versuchten unser Anliegen mit Hilfe der Ordnungshüter offiziell zu regeln. Die eintreffenden Polizisten nahmen uns natürlich kein bisschen ernst, sie forderten uns lediglich auf, sie in die Kaserne zu begleiten. Im Nachhinein ist uns selbstverständlich klar, dass dies sehr naiv gedacht war. Doch in Anbetracht der von uns als „Diskriminierung“ empfundenen Behandlung, wollten wir die Sache nicht so stehen lassen. Immer noch in der Hoffnung „Gerechtigkeit“ zu erfahren, und, weil mich die Polizisten zur Eile drängten, rannte ich schnell zu Tobias, der sich etwas abseits aufhielt. Leider rutschte ich dabei auf dem nassen Fliesenboden aus, stürzte unglücklich und prallte mit voller Wucht auf meine linke Schulter. Vor etwa drei Monaten zog ich mir genau an dieser Stelle eine schmerzhafte Luxation zu, die ich allerdings durch tägliches Training therapiert habe, sodass die Schulter wieder einigermaßen stabil war. Nun, durch diesen Sturz, renkte sich meine Schulter erneut aus. Während ich unter starken Schmerzen in die lachenden Gesichter der Polizisten sah und mir die Schulter wieder selber repositionierte, war auch Tobias wieder neben mir, und wir wurden auf die Polizeistation gebracht. Dort wurden wir weiterhin ignoriert, bis die Beamten uns in sehr brüchigem Englisch zu verstehen gaben, dass sie uns zum Hotel bringen würden. Infolgedessen verließen wir in einer Nebenstraße unserer Unterkunft, völlig unverrichteter Dinge, das Polizeiauto.

Wir unsererseits wünschen nicht einmal diesen „mutigen“ Kommentatoren, dass sie jene Angst durchleben müssen.

Enttäuschung, Wut, Schmerz und Zorn waren das, was wir fühlten. Verstärkt durch den übermäßigen Alkoholkonsum, empfanden wir den gesamten späten Abend als eine einzige Ungerechtigkeit. In beschriebener Verfassung kamen uns diese herunterhängenden Fahnen gerade recht, ohne nachzudenken und ohne darauf zu achten, um welche es sich handelte, ließen wir unseren angestauten Frust an ihnen aus. Im Hotel angekommen, fielen wir in unsere Betten und schliefen dort unseren sehr beachtlichen Rausch aus, dem ein ordentlicher Kater folgte. Wieder nüchtern und Herr unserer Sinne, ließen wir den Vorabend Revue passieren. Wir schämten uns ob unserer „Dummheit“, aber vor allem unseres begangenen Vandalismus wegen. Wir schämten uns vor uns selbst, denn sonst hatte uns keiner gesehen, wie wir zu diesem Zeitpunkt noch glaubten. Wir wollten unser törichtes Verhalten schnellstmöglich beiseiteschieben, ich suchte aufgrund meiner starken Schulterschmerzen einen Arzt auf und wir waren völlig überrumpelt, als die Polizeikräfte uns zwei Tage später im Hotel empfingen Der Rest der „Geschichte“ dürfte hinlänglich bekannt sein, was vor allem der unverhältnismäßigen, pompösen Berichterstattung und den sozialen Medien zu „verdanken“ ist. Unsere Tat wurde zu einem „Schwerverbrechen“ hochstilisiert. Kein Lebewesen hat durch unsere Tat direkten Schaden erlitten, und doch sind unsere Namen, unsere Gesichter, unsere Arbeitsstellen, unsere Wohnorte mittlerweile jedem bekannt. Doch damit nicht genug. Jeder meint, auch unsere Intention zu kennen und uns damit politisch instrumentalisieren zu dürfen.

Die Aussage über die Flagge in unserem Land tut uns sehr leid und war nicht so gemeint.

Sämtliche Interpretationen jeglicher Richtung, möchten wir hiermit revidieren und klarstellen, dass wir zu keinem Zeitpunkt einen politischen Hintergedanken, weder Thailand noch Italien gegenüber, hatten. Die Aussage über die Flagge in unserem Land tut uns sehr leid und war nicht so gemeint. Wir bitten, diesen Fehler zu entschuldigen. In Anbetracht der unendlichen Nervosität, des Schockzustandes und der heillosen Angst, die Freiheit zu verlieren, waren wir, ohne die Möglichkeit uns darauf vorzubereiten, nicht in der Lage, uns in einer fremden Sprache verständlicher auszudrücken. Es war wirklich nie unsere Absicht, jemanden zu beleidigen. Absicht unterstellen wir hingegen den vielen unfehlbaren Tastaturhelden, die sich über sämtliche Kanäle lauthals zu Wort meldeten. Schadenfroh wurde uns das Schlimmste an den Hals gewünscht, gar nicht selten wurden wir „zu Tode verurteilt“ und unsere Familien bedroht. Wir unsererseits wünschen nicht einmal diesen „mutigen“ Kommentatoren, dass sie jene Angst durchleben müssen, wie wir es mussten. Wir wünschen ihnen, dass sie niemals in eine ähnliche Situation geraten. Wenn doch, erwarten wir uns von ihnen allerdings die Aufrichtigkeit und Größe, dann genau gleich zu argumentieren. Absicht steht aber auch hinter den Handlungen der wohlwollenden, helfenden Personen, die uns und unseren Familien in dieser schweren Zeit mit Rat und Tat zur Seite gestanden sind. In Thailand, wie auch zu Hause, gab es Menschen, die neben den offiziellen Interventionen, auch im Hintergrund für uns da waren.

All diesen gilt unser größter Dank. In diesem Sinne möchten wir uns auch bei allen entschuldigen, die zu Hause um uns gebangt haben, allen voran bei unseren Familien und Freunden.
Wir haben Fehler gemacht, die wir sehr bereuen und aus denen wir sehr viel gelernt haben. Wir wollen mit dieser Darstellung nichts für gut heißen oder beschönigen.

Es war uns aber ein Anliegen, unsere Sicht der Dinge in Worte zu fassen und damit diesen Fall zu beenden.
Möge jeder seine eigenen Schlüsse daraus ziehen, und vielleicht ein nächstes Mal, in einem anderen Zusammenhang, etwas zurückhaltender berichten und urteilen.

Wir werden weiterhin unseren Weg gehen und dabei ganz, ganz oft von diesen wertvollen Erfahrungen zehren.
Vielen Dank.»

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19 amet Di., 21.02.2017 - 11:57

Diese beschönigende Märchenerzählung ist kein Ruhmesblatt für die beiden Rowdies. Die Thai sind ein friedliches, sehr höfliches und freundliches Volk. Sie besaufen sich nicht, und schlechtes Benehmen, Streit usw. sind verpönt. Der "stattliche" Eintritt in das Discopuff von 100 Baht ist umgerechnet 2,70 € ! Einige Zeilen später schwadroniert der junge Mann sogar vom 20fachen Eintritt. Der Beginn der Rauferei im Lokal wird verschämt umschrieben. Bevor die Thais jemand aus dem Lokal werfen und die Polizei holen, müssen sich die beiden ganz schön aufgeführt haben. Ich vermute es ging um Anmache von Mädchen. Dann behauptet er die Polizei wollte sie auf die Station bringen. Kurz darauf haben Sie sie ins Hotel gebracht. Ein höflicher Dienst der einem bei uns nicht leicht passieren wird. Das hat aber nicht gereicht. "Völlig unverrichteter Dinge" standen wir vor dem Hotel. Wollten sie im Lokal noch eine Rauferei anzetteln ? "Wir wussten nicht um welche Fahnen es sich handelt die wir heruntergerissen haben." Vom Flughafen bis in das kleinste Dorf ist ganz Thailand mit Bildern der Königsfamilie mit Fahnen verziert. Es wäre besser sie wären still, und würden einen Kurs über Benehmen nach Herrn Knigge belegen.

Di., 21.02.2017 - 11:57 Permalink
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19 amet Di., 21.02.2017 - 15:43

Antwort auf von G. M.

Ich kenne Thailand seit 30 Jahren und brauche keine pifkinesichen Ratschläge. In jedem Land gibt es Verbrecher und
Betrüger, da ist Pifkinesien keine Ausnahme. Ihre beiden Helden haben aber gröblichst gegen jedes Benehmen in einem
Gastland verstossen. Auch die Thai brauchen von Ihnen keine Ratschläge welches Strafmass sie für ein Verbrechen
vorsehen, das regelt jeder Staat selbst. Die "Bei uns in Deutschland" Jünger sind nicht nur bei uns, sondern auch in
Thailand äusserst beliebt. Fahren Sie mal hin, dann können Sie selbst feststellen was ich sage, und brauchen keine
Statistik. Ach, wie furchtbar, die armen Buben hatten anscheinend Durst. Nach einem Vollrausch hat wohl jeder Durst. Abschliessend sollten Sie zur Kenntnis nehmen, dass jeder in seinem Haus für Ordnung sorgt wie er will, und betrunkene Raufbolde vor die Tür des Hauses oder des Staates setzt.

Di., 21.02.2017 - 15:43 Permalink
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G. M. Di., 21.02.2017 - 13:19

Das Medienspektakel ist unverständlich, es steht nicht im Verhältnis zu der Tat bzw. dem Vandalismus. Man darf nicht vergessen das auch die beiden Persönlichkeitsrechte haben. Das Video ist auch schockierend, ist zweifle an ob die beiden freiwillig der Veröffentlichung zugestimmt haben bzw. ob überhaupt eine vorlag. Auch wie die beiden behandelt wurden (hatten anscheinen Durst im Gefängnis etc.) ist bedenklich aber nicht verwunderlich da Thailand eben kein Rechtsstaat ist. Das herunterreißen der Flaggen war sicherlich von Strafrechtlicher relevant, ist das Strafmaß in Thailand dennoch viel zu hoch und unverhältnismäßig. Wenn die Thailändischen Behörden mit gleicher Eifer gegen Kuroptionsdelikte etc. vorgehen würde wäre sicherlich für Thailand dienlicher.

Di., 21.02.2017 - 13:19 Permalink
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gorgias Di., 21.02.2017 - 22:15

Zwei Turistidioten die im Nachhinein in Ruhe eine gut ausgefeilte Geschichte präsentieren.
Eigentlich hat 19 amet alles gesagt.

Di., 21.02.2017 - 22:15 Permalink