Politica | Konflikt

Römischer Wolfshunger

Umweltminister Costa will das “Wolfsgesetz” anfechten. Verfassungsrechtler Francesco Palermo ist nicht überrascht: “Kompetenzenfrage vor allem bei Umwelt schwierig.”
Wolf
Foto: Wolfalps

Kaum 24 Stunden hat es gedauert. Am Freitag genehmigt der Landtag das von Landesrat Arnold Schuler vorgelegte Landesgesetz zur Entnahme von Problemwölfen- und -bären. Fast zeitgleich stimmt auch der Trentiner Landtag einem quasi identisch lautenden Gesetz zu. Und Samstag Mitternacht erscheint in der Online-Ausgabe des Corriere della Sera ein Interview, in dem Umweltminister Sergio Costa ankündigt, beide Gesetze anfechten zu wollen. Die entsprechenden Posts in den sozialen Medien folgen prompt.

 

Costa will (es) richten

“Non si possono uccidere lupi e orsi”, so Costas Botschaft. Die beiden Gesetze der Autonomen Provinzen Bozen und Trient seien verfassungswidrig, befindet der Minister. Und ihm bleibe nichts anderes übrig, als die Regierung zu beten, dagegen vor den Verfassungsgerichtshof zu ziehen – falls die beiden Landeshauptleute die Gesetze nicht zurückzögen. Dazu hält der Umweltminister Arno Kompatscher und Ugo Rossi an – und lädt die beiden ein, nach Rom zu kommen, um gemeinsam mit ISPRA “die besten Lösungen für ihre Wölfe und Bären zu finden”. Das staatliche Institut für Umweltschutz und -forschung sei dabei, einen Wolfsplan auszuarbeiten, den er der Regionenkonferenz in Kürze vorlegen werde, so Costa. Abschüsse seien darin nicht vorgesehen.

Doch bislang ist die Umsetzung der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der EU (FFH-Richtlinie) auf staatlicher Ebene und damit ein nationaler Wolfsplan gerade an dieser Instanz gescheitert. Zuletzt im Dezember 2017 kam die Konferenz der Regionen zu keiner Einigung. Einige Regionen, darunter Trentino-Südtirol, Veneto, Lombardei, Toskana und Aosta sprechen sich für die regulierende Entnahme der Tiere aus. Andere stemmen sich dagegen.

Auch deshalb hatte man sich in Südtirol entschieden, selbst tätig zu werden. Daran erinnerte Landesrat Schuler am Freitag im Landtag. Doch was nützt das beste Gesetz, wenn es von Rom umgehend in Frage gestellt und die beiden Provinzen vor den Kadi zitiert werden?

 

 

Wer ist kompetent bei Wolf und Bär?

“Die Ankündigung des Umweltministers hat mich nicht überrascht.” Francesco Palermos Begeisterung für das Wolfs-Thema ist “weniger als Null”. Aber als Verfassungsrechtler weiß er: “In Sachen Umwelt ist es für Südtirol immer kompliziert, eigene Vorgaben zu erlassen.” Die Spielräume sind begrenzt, fallen Umwelt- und Naturschutz doch in die Kompetenz des Staates. Nicht umsonst nimmt Landeshauptmann Kompatscher auch die Wolf-Debatte zum Anlass, um auf die Erlangung der primären Zuständigkeit zu pochen.
Im Bereich Landwirtschaft und Berglandwirtschaft hat Südtirol primäre Kompetenzen. Und hier setzt das “Wolfsgesetz”, das federführend von SVP-Senator Meinhard Durnwalder geschrieben wurde, an. Ausgehend von der FFH-Richtlinie wird der Landeshauptmann ermächtigt, die Entnahme von Wolf und Bär zu genehmigen – nach Einholen eines Gutachtens von ISPRA und sobald nachgewiesen ist, dass alle anderen Schutzmaßnahmen nicht ausreichen.

“Im Prinzip ist das Verfahren nicht falsch”, nickt Francesco Palermo. “Wenn der Staat säumig mit der Umsetzung von EU-Richtlinien ist, ist es irgendwo ‘natürlich’, dass Regionen oder Provinzen intervenieren.” Doch im Falle des “Wolfsgesetzes” sieht Palermo die Voraussetzungen gegeben, dass der Verfassungsgerichtshof es als verfassungswidrig einstufen könnte. “Dass es sich dabei um ein Gesetz im Bereich Berglandwirtschaft handelt, ist eine Auffassung. Die Ministerialbürokratie aber ist normalerweise einer anderen Auffassung. Und wenn die Kompetenzfrage nicht im Vorfeld gelöst wird, ist es gerade im Umweltbereich nicht einfach”, betont der Verfassungsrechtler.

“Die Autonomie auf den Wolf zu reduzieren ist schade”
(Francesco Palermo)

Und was ist mit der jüngsten Durchführungsbestimmung zur Jagd? Demnach darf das Land Südtirol seit 2017 in bestimmten Fällen auch Tierarten, die laut Staatsgesetz nicht jagdbar sind, als jagdbar erklären. “Die Durchführungsbestimmung hat Klarheit in eine juridische Grauzone gebracht”, erklärt Palermo. Doch im Falle des “Wolfsgesetzes” gehe es “nicht um die Jagd, sondern die Regulierung”.

 

Schnappt die Römische Wölfin zu?

Kommen die beiden Landeshauptmänner dem Drängen des Umweltministers nicht nach, treten die Gesetze zur Entnahme von Wolf und Bär einen Tag nach der Veröffentlichung im Amtsblatt in Kraft. 60 Tage bleiben ab dann Zeit, um es anzufechten. Auch Tier- und Umweltschutzverbände haben bereits Rekurse angekündigt. Sollte der Schritt vor den Verfassungsgerichtshof gemacht werden, dauert es laut Francesco Palermo “in der Regel ein Jahr” bis ein Urteil zu erwarten ist.

Aber was passiert bis dahin?
“Wenn keine einstweilige Aufhebung erwirkt, tritt das Gesetz einstweilen in Kraft”, erklärt Palermo. Sollten die im Gesetz aufgelisteten Voraussetzungen für den Abschuss einzelner Tiere erfüllt sein, kann der Landeshauptmann dazu ermächtigen. Ein Entnahme-Dekret wäre rechtlich wohl einwandfrei, meint Palermo. “Denn sie würden aufgrund eines gültigen Gesetzes erlassen werden.” Und auch wenn die Verfassungsrichter zum Schluss kommen sollten, dass das “Wolfsgesetz” verfassungswidrig ist: “Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes ist nicht rückwirkend.”

 

Was aber ist mit den Personen, die das Dekret umsetzen, einen Wolf oder Bär gegebenenfalls abschießen? Der Grüne Hans Heiss mahnte im Rahmen der Landtagsdebatte vergangene Woche an, dass mit dem “Wolfsgesetz” in das Strafgesetz eingegriffen werde. Laut Staatsgesetz 157/1992 steht auf die Tötung eines Wolfes eine Geldstrafe von bis zu 3.000 Euro sowie bis zu sechs Monate Haft. Im “Wolfsgesetz” findet sich kein Bezug zur staatlichen Gesetzgebung, stellt Francesco Palermo fest.
Sprich, das Landesgesetz würde neben dem Staatsgesetz in Kraft treten und jemand, der einen Wolf oder einen Bär abschießen würde, würde sich vermutlich strafbar machen. “Jedenfalls, was zählt, ist der Zuständigkeitskonflikt”, erinnert der Verfassungsrechtler, “und der ist begründet – und kann nur vom Verfassungsgerichtshof gelöst werden”.

Palermo geht davon aus, dass am Ende die Verfassungsrichter über das Südtiroler “Wolfsgesetz” entscheiden werden. “Grundsätzlich finde ich das nicht so problematisch”, sagt er. Schließlich sei der höchste Gerichtshof “primär dafür da”, juridische Klarheit zu schaffen. “Politisch wird das sicherlich anders gesehen”, erwartet sich der Ex-Senator.